Michael Giesecke

Der Buchdruck in der frühen Neuzeit

Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien.

Inhalt

Die Hoffnungen, die sich gegenwärtig an die Einführung der neuen elektronischen Medien knüpfen, finden eine frappierende Entsprechung in der Begeisterung, mit der der Buchdruck im 15. und 16. Jahrhundert als Medium der Volksaufklärung, der Ersparung menschlicher Mühsal bei der Informationsgewinnung und bei der Lösung so ziemlich aller kommunikativen Probleme gepriesen wurde. Es spricht überhaupt vieles dafür, daß wir gegenwärtig, ohne es uns recht klarzumachen, dabei sind, Prozesse technischer und kultureller Innovation zu wiederholen, die sich bei der Einführung des Buchdrucks schon einmal zugetragen haben.
Das Buch nimmt sich vor, diese Wiederholungen aufzudecken. Da wir im Augenblick erst ganz am Anfang eines neuen Innovationszyklus stehen, mag es sein, daß wir aus der Rückschau auf die Gutenberg-Erfindung Hinweise auf die nächsten Phasen der gegenwärtigen Medienrevolution erhalten. Um einen Vergleich zwischen der Buchkultur und der modernen Medienlandschaft durchführen zu können, muß man die alten Meiden erst einmal mit neuen Augen sehen. Das Buch nutzt die Sprache der neuen Medien zur Beschreibung der alten. Es versucht, die Buchkultur als ein komplexes informationsverarbeitendes System aufzufassen. Es zeigt sich dabei, daß die Druckmaschine und der Vorgang des Druckens der Bücher nur ein Element bzw. Ereignis in einem komplexen Funktionsgefüge ausmachen. Es gab in jener Zeit noch eine Reihe von weiteren Neuerungen, die hinzutreten mußten, um den Siegeszug der neuen Technologien zu ermöglichen:

Das in diesem weiten Sinne verstandene typographische Informationssystem trat in Konkurrenz zu den älteren skriptographischen und oralen Systemen.
Das Buch schildert, warum und wie es sich in dieser Konkurrenz behaupten konnte und welche Verdrängungsprozesse einsetzten. Als Quellen werden Druckerzeugnisse des 15. Und 16. Jahrhunderts herangezogen, die bislang vielfach noch nicht wissenschaftlich ausgewertet wurden. Dabei fanden sich zahlreiche 'aufklärerische' Ideen, deren Auftreten die Sekundärliteratur bislang erst in der 'Epochenschwelle' des 18. Jahrhunderts vermutete.
Die gewählte medien- und informationstheoretische Perspektive hat es darüber hinaus ermöglicht, eine Vielzahl bekannter historischer Feststellungen und Probleme in eine umfassende Gesamtschau einzuordnen und in neuer plausibler Weise zu deuten.
Die Einrichtung des Buches entspricht den Anforderungen, die an ein Standardwerk zur Kulturgeschichte der frühen Neuzeit in Deutschland und zur Theorie und Geschichte der Medien zu stellen sind: