Ökologische Kommunikation (N. Luhmann)

 

“Kommunikation als gesellschaftliche Operation“, in: Ökologische Kommunikation: Kann die Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einstellen?, hrsg. v. Niklas Luhmann, Opladen: Westdeutscher Verlag, 1990, S. 62f.
 
Im Folgenden sehe ich von den sehr begrenzten, stets gesellschaftsabhängigen Möglichkeiten des Bewusstseins einzelner psychischer Systeme ab und beschränke mich auf die Systemreferenz Gesellschaft. Unter Gesellschaft soll das umfassendste System sinnhafter Kommunikation verstanden werden. Jede Einschränkung, etwa auf Organisationen(1) , würde das Thema zu stark beschneiden. Die Frage lautet dann, wie die Gesellschaft als operativ geschlossenes System sinnhafter Kommunikationen über ihre Umwelt kommuniziert; und noch enger: welche Möglichkeiten sie hat, über ökologische Gefährdungen zu kommunizieren.
Der Begriff der ökologischen Gefährdung sei vorsorglich (solange wir nicht genau wissen, worum es sich handelt) sehr weit gefasst. Er soll jede Kommunikation über Umwelt bezeichnen, die eine Änderung von Strukturen des Kommunikationssystems Gesellschaft zu veranlassen sucht. Wohlgemerkt: es handelt sich um ein ausschließlich gesellschaftsinternes Phänomen. Es geht nicht um die vermeintlich objektiven Tatsachen: dass die Ölvorräte abnehmen, die Flüsse zu warm werden, die Wälder absterben, der Himmel sich verdunkelt und die Meere verschmutzen. Das alles mag der Fall sein oder nicht der Fall sein, erzeugt als nur physikalischer, chemischer oder biologischer Tatbestand jedoch keine gesellschaftliche Resonanz, solange nicht darüber kommuniziert wird. Es mögen Fische sterben oder Menschen, das Baden in Seen oder Flüssen mag Krankheiten erzeugen, es mag kein Öl mehr aus den Pumpen kommen und die Durchschnittstemperaturen mögen sinken oder steigen: solange darüber nicht kommuniziert wird, hat dies keine gesellschaftliche Auswirkungen. Die Gesellschaft ist ein zwar umweltempfindliches, aber operativ geschlossenes System. Sie beobachtet nur durch Kommunikation. Sie kann nichts anderes als sinnhaft kommunizieren und diese Kommunikation durch Kommunikation selbst regulieren. Sie kann sich also nur selbst gefährden.
Um diesen wichtigen Ausgangspunkt noch einmal in anderer Formulierung festzuhalten, kann man auch sagen, dass die Umwelt des Gesellschaftssystems keine Möglichkeit hat, mit der Gesellschaft zu kommunizieren. Kommunikation ist eine exklusiv gesellschaftliche Operation. Es gibt auf der Ebene dieser spezifisch gesellschaftlichen Operationsweise weder Input noch Output. Die Umwelt kann sich nur durch Irritationen oder Störungen der Kommunikation bemerkbar machen, und diese muss dann auf sich selbst reagieren; so wie ja auch der eigene Leib sich dem Bewusstsein nicht über Bewusstseinskanäle mitteilen kann, sondern nur durch Irritationen, Druck- und Belastungsgefühle, Schmerzen etc., also nur in einer für das Bewusstsein resonanzfähigen Weise.

(1) So z.B. mit wenig ergiebigen Ausführungen Eric Trist, Environment und System-Response Ca-pability, Futures 12 (1980), S. 113-127.