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Rollentheorie |
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Wegen der grundlegenden Bedeutung des MEADschen Ansatzes
für die rollentheoretische Diskussion, und damit auch für unser
Konzept, wollen wir hier wesentliche rollentheoretische Positionen erläutern
und für unseren Zusammenhang bewerten.
(1) Konzepte Der Rollenbegriff ist für die soziologische
und sozialpsychologische Tradition von großer Bedeutung. Wird doch
gerade über den Begriff der Rolle das Verhältnis von Individualität
und Sozialität zu erklären versucht (DREITZEL 1979). Wir finden
in der Literatur unterschiedliche Begriffsverwendungen und damit verbundene
Bedeutungen, die auch unterschiedliche anthropologische Positionen widerspiegeln: |
a) | "Rolle" als entpersönlichte Seinsform. Das ist die "theateranaloge" Verwendung des Begriffs (SADER 1969). |
b) | "Rolle" als Ort des einzelnen im sozialen System. Diese begriffliche Verwendung steht in der Tradition der Kulturanthropologie (ebenda 1969) und |
c) | "Rolle" als Antizipation von Zuschreibungen, die sich im Verlauf sozialer Interaktionen ergeben. Das ist eine Orientierung, die sich seit MEAD ergeben hat. |
d) | "Rolle" kann aber
auch, wie in der Phänomenologie bei PLESSNER (1966), als Ort im sozialen
System einerseits und als Zuschreibungsphänomen andererseits begriffen
werden. Beide Aspekte werden dann vom Menschen durch seine Fähigkeit zur "Exzentrizität" synthetisiert. |
ad a. Rolle als entpersönlichte Seinsform Der historisch älteste Ansatz, die theateranaloge
Verwendung des Begriffes, findet sich bereits bei JAMES (1892, zitiert
nach SADER 1969). Er hatte zwischen "reinem Ich" und "sozialem
Selbst" unterschieden. JAMES begreift das "soziale Selbst"
als Resultat von Umwelterwartungen, die dem Menschen, einem Schauspieler
vergleichbar, abverlangt werden und an die er sich, mehr oder weniger
freiwillig, zu halten hat. Ein klassischer Lösungsversuch stammt von PARSONS
(1951). Er geht zunächst aus von der kulturanthropologischen Fassung
des Begriffs, so wie ihn LINTON (1947) verwendet hatte. Dieser begriff
Gesellschaften als spezifische strukturelle Gebilde und postulierte, daß
unabhängig von den konkreten Mitgliedern "soziale Orte"
vorgesehen sind, die überdauernd gedacht, mit bestimmten Rechten
und Pflichten ausgestattet sind. Diese jeweiligen "Positionen",
die einer je unterschiedlichen Bewertung unterliegen, "Status",
werden dann vom jeweiligen Menschen als "Rolle" ausgestaltet. MEAD (1973) beschreitet mit seiner rollentheoretischen
Position einen umgekehrten Weg wie PARSONS. Er stößt von der
aktuellen Beziehung interagierender Menschen zum Sozialsystem vor. ad d. Rolle als Ort in einem sozialen System und als Antizipation von Zuschreibungen Die bislang beschriebenen, zunächst unvereinbar erscheinenden
Positionen werden in der deutschen Tradition der Phänomenologie,
insbesondere von PLESSNER (1966), zu "einen" versucht. PLESSNER
betont, zunächst entsprechend den Intentionen von PARSONS, daß
der Mensch als soziales Wesen immer unter dem Zwang der Verkörperung
sozialer Rollen steht, die ihm qua Gesellschaft abverlangt werden. Seine
Identifikation mit diesen Rollen kann aber nie vollständig sein.
Dann erlaubt ihm seine Möglichkeit zur "Exzentrizität",
Distanz zu nehmen und zum Ausdruck zu bringen. Diese Distanz gelingt ihm
aber wiederum nur, wenn er sich, wie MEAD postuliert, aus den Augen anderer
betrachtet. Im Sinne innerer Antizipation der Sicht, die andere von ihm
haben, überprüft und modifiziert er sein eigenes Rollenhandeln.
Das mündet dann einerseits oft in eine situativ theateranaloge Rollenhaltung
oder in eine menschlich integrierte Verkörperung sozialer Erwartungen. |
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In: Astrid Schreyögg: Supervision. Ein integratives Modell. Lehrbuch zu Theorie & Praxis. Junfermann Verlag, Paderborn, 1972, S. 258 - 262 |