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Mediengeschichtliche Wertung von Telegraphie und Rundfunk/ Allgemeine Entwicklungsrichtung der Netze |
Wenn man vom heutigen Standpunkt auf die
Mediengeschichte zurückblickt, dann muss man wohl sagen, dass die Einführung
von Telegraphie und Telephon die größere Leistung gewesen ist.
"Der Hörfunk ist wissenschaftlich und technisch zunächst
- ... bis kurz vor dem 1. Weltkrieg - als eine technisch fortgeschrittene
Telegraphie, nämlich als drahtlose Telegraphie, also als Verbesserung
und Erweiterung innerhalb eines bereits etablierten operativen Kommunikationssystems
konzipiert worden", so schreiben Dröge und Kopper (1991, S. 58)
zutreffend. Die Vernetzung der Gesellschaft erfolgte zunächst durch Straßen und Wasserwege, dann durch Eisenbahnen und Kanalisation und anschließend durch die elektrischen Drähte. Dabei baute jedes Netz auf das vorhergehende auf. Die ersteren inspirierten die letzteren. Dies wird besonders schön am Beispiel des Pfarrers E. Romershausen in Akten an der Elbe deutlich, der 1838 die "beiläufige Benutzung unserer Eisenbahnanlagen als akustische Kommunikationsmittel" vorschlug. "Er wollte durch einen Röhrenkanal in den Schienen den Schall in die weitesten Fernen leiten. Die Anlage nannte er ,Telephon'. Alle technischen Medien, die die Menschen und Institutionen miteinander dauerhaft verbinden, schienen und scheinen der Gesellschaft als geeignete Kommunikationsmedien. Mit der Verkabelung von Haushalt zu Haushalt, von Person zu beliebigen anderen Personen ist dieses Konzept zu einem gewissen Abschluss gekommen. Alle älteren Netze dienten nur ‚beiläufig' dem Informationstransport, dem Transport von Waren, Wasser, ja selbst von Elektrizität! Dies gilt beim gegenwärtigen Stand der Technik, vor allem für die gezielte Kommunikation zwischen wenigen Personen, die Technisierung von Interaktionssystemen. Aber die Probleme einer punkt- und/oder personengenauen Adressierung scheinen nicht unlösbar (GPS, Kryptographie), rufen aber andererseits geradezu nach drahtlosen Vernetzungsformen - die Utopien, die sich seit Jahrzehnten mit dem world wide web verknüpfen. Emanzipation der Kommunikationsnetze von den ökonomischen und institutionellen sozialen Netzen haben Rundfunk und Telephon enorm gefördert. Der Rundfunk hat die traditionelle Richtung der Technisierung der Vernetzungskanäle eigentlich nicht fortgeführt. Er setzt nicht so sehr auf ein synthetisches Medium als vielmehr auf die systematische Verstärkung eines natürlichen Mediums, der elektromagnetischen Wellen oder des ,Äthers', wie es früher hieß. Damit steht er, was die Vernetzungsstrategie angeht, der natürlichen face-to-face-Kommunikation näher als den skriptographischen, typographischen oder telegraphischen Medien. Was die Technisierung von Sender und Empfänger angeht, so ist der Übergang von den am taktilen und am skriptographischen Paradigma orientierten Konzepten zu den oralen schon beim Wechsel von der Telegraphie zur Telephonie erfolgt. Hier waren wirklich innovative Umorientierungen erforderlich, die dann vom Rundfunk nur nachvollzogen werden mussten. Mikrophon und Lautsprecher haben die Technisierung der oralen Netze ermöglicht und sie bleiben auch Grundbestandteile der Rundfunktechnologie. Ein eindrucksvoller Belegfür die Technisierung der menschlichen Sinne ist die nachfolgende zeitgenössische Abbildung: |
Die Kopfhörer sowie das
Radiogerät sind prominente Kompositionselemente und gleichsam das Thema
desBildes. Der Mensch wird technisch aufgerüstet,um im akustischen
Netzwerk als Transformator dienen zu können. Und diese Aufrüstung
wird von den Zeritgenossen vermerkt- und wie hier mit Ironie kommentiert.
Auch was das Repertoire, die Informationen, die auf den neuen Netzen zirkulieren, angeht, so haben die Telephonpioniere dem Rundfunk den Weg gewiesen: Sowohl der institutionelle Gebrauch als auch die private Vernetzung und die Idee der Massenkommunikation wurden bei der Anwendung des Telephons ausprobiert. Neben den aus den Print-Medien bekannten Informationstypen: Nachrichten der verschiedensten Art, Literatur, Wissenschaft trat auch schon beim Telephonrundspruch die Unterhaltungsmusik. Gefördert hat Funk andererseits zweifellos die Dynamisierung und die Internationalisierung der Kommunikationsbeziehungen und die Mobilität der Gesellschaft. Nicht nur die Schiffe, sondern bald auch die Flugzeuge, die Raumfahrt, dann die Eisenbahn und die Autos, kurz: alle beweglichen 'Sender/ Empfänger' sind auf drahtlose Vernetzungen angewiesen, um (jederzeit) erreichbar zu sein. Die wichtigsten Veränderungen, die durch die Nutzung der elektromagnetischen Wellen als Vernetzungsmedium für die gesellschaftliche Kommunikation eingetreten sind, fasst die Abbildung Neuerungen des drahtlosen Sendebetriebs mittels elektromagnetischer Wellen zusammen. |