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Verschiebungsmodelle |
Die Verlagerung von Macht- und Entwicklungszentren auf dem Globus gehört zu den Grunderfahrungen der Kulturgeschichte. Luther meinte, wie "ein fahrender Platzregen" verteile Gott seine Gunst unter den Völkern und Regionen. Und er war davon überzeugt, dass Deutschland zu seinen Lebzeiten das Zentrum, Rom eher die Peripherie des Glaubens sei. In den folgenden Jahrhunderten wanderte dieses Zentrum in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht nach Spanien, Frankreich und England. Häufig lassen sich mehrere ähnlich stark ausgebaute Zentren in einem Zeitraum ausmachen. Der Gedanke, dass sich Entscheidungsknoten verlagern, findet sich mehr oder weniger explizit auch in Netzwerktheorien, z. B. in der Soziometrie. Von allen denkbar möglichen Verknüpfungen werden jeweils nur manche realisiert. D. h. es gibt Konzentrationen an und zwischen einzelnen Knoten (Zentren) und verbindungsarme Teile des Netzwerkes (Peripherie). Diese Tatsache wird bspw. durch (selektive) Momentaufnahmen des 'www' bestätigt: Manche Adressen werden beständig angewählt, andere weniger - und dieses Verhältnis unterliegt einem ständigen Wandel, der sich unter kulturtheoretischen oder anderen Perspektiven interpretieren lässt. Die Evolutionstheorie von Talcott Parsons beruht letztlich auch auf dem Verschiebungsgedanken: der dominante gesellschaftliche Differenzierungstyp wechselt vom segmentären über den stratifikatorischen hin zum funktional-differenzierten. Ebenso gehen Medientheoretiker davon aus, dass sich das soziale Prestige und die Verbreitung von Medien im geographischen und sozialen Raum im Verlauf der Geschichte wandeln. Wenn die Menschheitsgeschichte in eine Bronze- und eine Eisenzeit unterteilt wird, dann nutzen wir die Annahmen von Verschiebungen zwischen Kooperationsmedien als Entscheidungskriterium. |
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