Arbeitsvorgänge in der Druckerei
  Aus: Michael Giesecke: „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“
Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Frankfurt am Main, 1998, S. 87-123.
 
Exzerpt Manuskripte als Vorlagen für den Druck
Exzerpt Das Setzen
Exzerpt Das Berechnen des Manuskripts
Exzerpt Das Ablegen
Exzerpt Zeilen- und Seitensatz
Exzerpt Der Umbruch
Exzerpt Das Drucken und die Druckerpresse
Exzerpt Der Ablauf des Druckvorgangs
Exzerpt Das Zusammenlegen
Exzerpt Die Korrektur
Exzerpt Illuminieren, Rubriziren

Die Eingabe von Informationen in das typographische System

Während der Mensch auf vielerlei Art Informationen aufnimmt, sind die von ihm künstlich geschaffenen sozialen und technischen Systeme in der Regel auf einen Empfangs- und Ausgabekanal spezialisiert. In die antiken Ratsversammlungen gaben die Patrizier ihre Meinungen mit mündlichem Vortrag ein, in den mittelalterlichen Skriptorien diktierte man ebenfalls meist laut, auch der Rundfunk kann nur Töne weiterverarbeiten und die Schreibmaschine sowie die meisten Computer müssen mit den Fingern, taktil, bearbeitet werden. Kombinierte Lichtbild- und Tonaufnahmen und -weitergaben, wie sie für Tonfilm, Fernsehen und manche Datenverarbeitungsanlagen typisch sind, treten historisch gesehen erst in allerjüngster Zeit auf. Ansonsten sind sie dem wenig institutionalisierten Alltag vorbehalten.

Schema Abb. 7: Die dynamische Dimension des typgraphischen Informationssystems: schematischer Überblick

Das Typographeum kennt ebenfalls nur eine Eingabeform, das Manuskript. Es setzt insoweit Schreibstuben, zumindest deren Minimalform, das Einmannskriptorium, voraus. Diese technologische Voraussetzung hat natürlich sozialhistorische Konsequenzen: In Kulturen, in denen die Skriptorien nicht weit verbreitet sind, kann es nicht zu einer stetigen Beschickung der Druckereien kommen. Je größer andererseits die Alphabetisierung, umso häufiger und intensiver läßt sich die typographische Datenverarbeitung nutzen.
Es verwundert insofern nicht, dass der Buchdruck seinen globalen Siegeszug gerade von den spätmittelalterlichen Städten des Oberrheins aus antrat und in der zweiten Phase in den oberitalienischen Städten so begeistert aufgenommen wurde. Diese sozialen Gebilde waren zur Aufrechterhaltung ihrer Verwaltung und Ökonomie auf Skriptorien in hohem Maße angewiesen.(1) Ihre Bewohner müssen entsprechend vergleichsweise hochalphabetisiert gewesen sein; zahlreiche skriptographische Textsorten boten sich für typgraphische Vervielfältigung geradezu an.
Die Abhängigkeit der typographischen Datenverarbeitung von der skriptographischen besteht übrigens sowohl im Hinblick auf die Eingabe- als auch auf die Ausgabefunktion: Die Produkte der Skriptorien und des Typographeums, die handgeschriebenen und die ausgedruckten Texte, sprechen bei Menschen die gleichen Sinne an und verlangen ähnliche Dekodierungsanstrengungen. Man unterscheidet deshalb normalerweise nicht zwischen der Rezeption handgeschriebener und jener typographisch erstellter Texte, beides läuft unter dem Oberbegriff ›Lesen‹.
Genauere historische und psychologische Untersuchungen zeigen dann freilich noch Differenzen. So weiß man etwa, daß vor der Einführung des Buchdrucks überwiegend ›lautierend‹ gelesen wurde. Man nutzte, wie heute noch jedes Kind beim ›Buchstabieren‹ im Erstleseunterricht, die Artikulationsorgane im Dekodierungsprozeß. Die heute ganz übliche strikte Unterscheidung zwischen dem stillen ›Lesen‹ und dem ›Hören‹ war dem Mittelalter unbekannt. Wer las, der hörte auch. Wenn man andererseits von ›Hören‹ sprach, so konnte damit auch das Zuhören beim eigenen Lesen und natürlich erst recht beim ›Vorlesen‹ durch andere gemeint sein.(2)
Aus der eigenen Erfahrung werden außerdem die meisten wissen, daß die Lesegeschwindigkeit bei fremden handgeschriebenen Texten normalerweise weit geringer liegt als bei den gedruckten. Diese Differenz mag für Texte, die früher von geschulten Schreibern mit normierten Alphabeten ›gemalt‹ wurden, geringer gewesen sein. Kaum zu entziffernde Handschriften muß es aber, wie die vielen Klagen in der Literatur bezeugen, zu allen Zeiten gegeben haben.(3) Die heute von jedem Schulabgänger erwartete und anhand von gedruckten Texten geübte Lesegeschwindigkeit erreichte man vor der Ausbreitung des Buchdrucks wohl nur in Ausnahmefällen. Sie hat u.a. eine Zurückdrängung des Mitartikulierens und eine Konzentration auf die sehende Rezeption zur Voraussetzung.

Das Setzen: ein kurzer Überblick

Das Manuskript dient in der typographischen Informationsverarbeitung als eine Art ›Arbeitsspeicher‹. Der Setzer benutzt es als ›Vorlage‹ für seine Arbeit und auch der Korrektor wird später mehrfach darauf zurückgreifen, um die ausgedruckten Texte mit ihm zu vergleichen.
Die Funktion dieser Arbeitsphase ist die Transformation der handschriftlichen Vorlage aus Papier in die metallische Druckform. Dabei analysiert der Setzer die informativen Muster des skriptographischen Mediums und vergleicht sie mit den technischen Möglichkeiten des Typographeums und seiner Maschinensprache. Dies führt zu neuen Sequenzierungen und anschließend auch zu andersartigen Synthesen.
Einen Überblick über die einzelnen Schritte dieses Informationsverarbeitungs-prozesses gewährt das nebenstehende Schema (Abb. 8). Es beginnt mit dem ›Berechnen des Manuskripts‹.

Schema
Abb. 8: Der Arbeitsablauf in der Setzerei (Bleisatz)

Das Berechnen des Manuskripts und die Organisation des Satzes

Die vergleichende und planerische Aufgabe des Setzers (bzw. heute des Herstellers) beginnt schon vor dem eigentlichen manuellen Vorgang des Setzens.(4) So ist das Format des Buches festzulegen; über die Typen des Drucks, das Zeilenmaß und den Durchschuß (Zeilenabstand) muß entschieden werden. Man macht sich Gedanken über die Seitenaufteilung, die Gestaltung der Kapitel und Überschriften, die Anordnung der Fußnoten u.v.a.m.
Viele, vor allem selbstreferentielle Informationen, die ein gedrucktes Buch heute charakterisieren: Titelblatt, ausführliches Inhaltsverzeichnis, Register, Literaturnachweise und Errata (Druckfehlerverzeichnis) waren in den Manuskripten, die im 15. Jahrhundert in die Druckerei gelangten, gar nicht oder nur ganz rudimentär enthalten. Hier mussten über kurz oder lang in der Druckerei und nach ihren Prinzipien die entsprechenden Daten gesammelt und den Setzern vorgelegt werden.
Da die Druckereien von Anbeginn in aller Regel und im Gegensatz zu den meisten anderen bis in die Neuzeit hinein üblichen Informationssystemen als kommerzielle Unternehmen geführt wurden, stellte man von vornherein auch ökonomische Kalkulationen an. Da jede Druckerei nur einen begrenzten Vorrat an Lettern auf Lager halten konnte und jede Vergrößerung desselben Kosten verursachte, mußte den Druckereien an einer Beschleunigung des typographischen Kreislaufs gelegen sein; mit möglichst wenig Lettern sollte möglichst viel gedruckt werden.(5) Dies setzte eine schnelles Ausdrucken der fertigen Form, Säubern und Aufschließen derselben sowie eine unverzügliche Ablage der gerade benutzten Lettern voraus. Wie die Betrachtung des Umbruchs aber noch zeigen wird, ist eine solche Auflösung der Druckformen beim bogenweisen Satz nicht immer sogleich möglich.
Hier sei das Problem nur angedeutet: Wenn ein Setzer etwa bei einem Foliendruck der Textvorlage Zeile für Zeile folgen will, das Werk bogenweise gedruckt und diese in Fünferlagen (Quinternionen) zusammengelegt werden soll, so müssen theoretisch erst alle 20 Seiten dieser Lage gesetzt werden, bevor mit dem Druck und anschließend an diesen dann mit dem Ablegen begonnen werden kann. Der äußerste Bogen enthält bei dieser Anordnung nämlich sowohl die erste als auch die letzte Seite des Textes.
Wenn die Arbeit nicht unterbrochen werden sollte, dann empfahl es sich in der Druckerei, neben dem Letternmaterial für diese Lage auch noch einmal die gleiche Menge für die nächste Lage zur Verfügung zu halten. Ansonsten entstehen für den Setzer längere Zwangspausen, wenn der Drucker arbeitet und umgekehrt. Die Anforderungen an den Letternvorrat erhöhen sich noch dann, wenn man, was ja schon bei Gutenbergs Bibeldruck üblich war, mit mehreren Setzern arbeitsteilig vorgehen wollte.(6) Dann mußten für diese auch noch einmal gefüllte Setzkästen bereitgestellt werden.
Es gibt nun verschiedene Theorien darüber, wie die Setzer in der frühen Neuzeit vorgegangen sein könnten, um den skizzierten Aufwand an Lettern zu reduzieren.(7) In der Praxis laufen sie alle darauf hinaus, daß die Setzer im vorhinein errechneten, auf welche Seiten in etwa welche Textpassage des Manuskripts zu stehen kommt. Daß solche Berechnungen zumindest gelegentlich auch schon im 15. Jahrhundert vorkamen, belegt eine Handschrift, nach der 1485 in Haarlem ein Druck angefertigt wurde. In dieser Handschrift markierte man offenbar schon vorab jene Stellen, an denen der oder die Setzer neue Seiten beginnen sollten. Kam es beim Satz zu Schwierigkeiten, die geplante Einteilung einzuhalten, so scheint der damalige Setzer auch vor Eingriffen in den Text der Vorlage nicht zurückgeschreckt zu haben.(8)
In den Handbüchern zur Buchdruckerkunst späterer Jahrhunderte werden genauere Hinweise zur ›Berechnung des Manuskripts‹ gegeben. Selbst Tabellen, aus denen die Setzer entnehmen können, wie viele Manuskriptseiten jeweils wie viele Formen ergeben, fügt man diesen Werken bei. (Vgl. Abb. 9) Die Berechnungsmethoden, die auf Auszählen der Worte im Manuskript und auf dem Bildern von Durchschnittswerten beruhen, hier im einzelnen aufzuführen, würde zu weit führen.(9) Ziel der Berechnung ist es jedenfalls, eine Grundlage für die Entscheidung über Schriftgröße, Format, sowie über die Verteilung der Arbeit unter die Setzer und für die Auswahl der Satzabschnitte zu schaffen.

Dokumentation
Abb. 9: Das Berechnen des Manuskripts: Tabelle aus dem ›Handbuch der Buchdruckerkunst‹ von B. Krebs, Frankfurt 1827

Diese mühevollen Kalkulationen konnten entfallen oder doch beträchtlich abgekürzt werden, wenn dem Setzer keine Manuskripte sondern schon ausgedruckte Bücher als Vorlage zugetragen wurden. In solchen Fällen ließ sich, selbst wenn man andere Schrifttypen als die Vorlage verwendete, der Umbruch sehr viel leichter und trotzdem genauer gestalten. Man sparte sich dann auch oftmals jene ärgerlichen Korrekturen, die anfallen, wenn etwa ein Setzerabschnitt nicht, wie errechnet, am Ende einer Seite endet, sondern in deren Mitte. Der freie Raum mußte in diesen Fällen durch eine Dehnung der vorstehenden und der nachfolgenden Texte geschlossen werden, was neben der Mühe auch Zeit und damit Geld kostete. Vor diesem Hintergrund werden die Klagen der Drucker über den Nachdruck in der frühen Neuzeit, auf die später noch eingegangen werden soll, verständlich.

Das Ablegen

Neben diesen Berechnungen und Planungen ist eine weitere Voraussetzung für einen reibungslosen Ablauf des Satzes ein fehlerlos geordneter Setzkasten. Ein solcher Setz- oder Schriftkasten soll zu Beginn des 17. Jahrhunderts, wie es in einem Lobgedicht heißt, ›gemeiniglich zweyhunderfach in sich begriffen‹ haben.(10) Später reduzierte man die Anzahl der Fächer.
Nur wenn in jedem der Fächer immer wieder dieselben Lettern in einer ›gleichsam mit Fleiß verwirrten Lage‹ (Krebs) zu liegen kamen, konnte der Setzer immer wider die richtige Type leicht herausgreifen.
Die Einteilung des Setzkastens hat sich im Laufe der Zeit immer wieder geändert und sie ist auch in früheren Epochen in den verschiedenen Druckereien oft unterschiedlich gewesen. Außerdem variierte sie bei den verschiedenen Schrifttypen (Textura, Schwabacher, Antiqua usw.). Mit den 29 kleinen und der gleichen Anzahl großer Buchstaben unseres Alphabets hat die Anzahl der Fächer wohl nie übereingestimmt. Neben den Satz- und einigen Sonderzeichen enthalten die Setzkästen Ligaturen, d.h. Zusammenschlüsse zweier Buchstaben auf einer Letter. Hinzu kommt in früheren Zeiten ein kompliziertes System von Anschlußbuchstaben und Abkürzungszeichen. Blindmaterial in den verschiedenen Größen und Durchschuß gehören ebenfalls zum Zeichenrepertoire der typographischen Maschinensprache. Bei aufwendigeren Druckunternehmen begnügte man sich nicht mit einer Schrifttype, sondern griff bei Überschriften, beim Kapitelanfang und zur Auszeichnung bestimmter Textpassagen auf weitere Setzkästen mit anderen Schrifttypen zurück. Beim Druck der 42zeiligen Bibel bspw. mußten sich die Setzer mit etwa 290 und bei jenem des Mainzer Psalters sogar mit 525 Typen herumschlagen.(11)
Zwar wurde dieser Aufwand von Gutenberg und Schöffer im Alltag für die normalen Druckerzeugnisse bald reduziert, aber es darf nicht übersehen werden, daß die Maschinensprache des Buchdrucks ein anderes Repertoire besitzt und deshalb zu anderen Sequenzierungen und Synthesen nötigt als dies in den Skriptorien der Fall gewesen ist. Diese Unterschiede zwischen den Kodesystemen des skriptographischen und des typographischen Informationssystems verringerten sich seit der frühen Neuzeit in dem Maße, in dem die ›Druckersprache‹ zu einer allgemein anerkannten Standardsprache geworden ist. Handschrift und ›Druckschrift‹ haben sich angenähert. Die Bezeichnung ›Schriftsprache‹ ist zum Oberbegriff für beide Kodesysteme geworden.
Wieviel Planung, Ausprobieren, ästhetisches Gefühl und vor allem sprachliches Wissen die Einrichtung der ersten Setzkästen Gutenberg und seine Zeitgenossen gekostet haben, kann man nur erahnen. Im Grunde mußte er sprachstatistische Forschungen sowohl über die lateinische als auch über die deutsche Sprache betreiben, um zu wissen, welche Buchstaben bei seinen Drucken am meisten gebraucht wurden. Diese benötigten nicht nur den größten Raum und zudem praktischerweise auch einen für die Setzerhand besonders leicht erreichbaren Platz, sie mußten ja schon in der passenden Anzahl von dem Schriftgießer geordert werden. Anderenfalls ging dem Setzer mitten in der Arbeit sein Vorrat etwa an ›a‹- oder an ›st‹-Typen aus.
Welche quantitativen Differenzierungen hier beim Schriftguß erforderlich sind, wird deutlich, wenn man sich einen ›Gießzettel‹ anschaut. (Abb. 10) Er enthält Angaben darüber, wie viele Buchstaben von einem Zentner Metallegierung zu gießen sind. Während von der Y-Majuskel nur 20 Typen gebraucht wurden, hat es sich offenbar als sinnvoll herausgestellt, vom ›n‹ (Minuskel) 6400, vom ›r‹ 4200 und vom ›e‹ sogar 12 000 Exemplare zu erstellen.

Schema
Abb. 10: Statistische Annahmen über das Kodesystem: ein Gießzettel aus dem 19. Jahrhundert

Diese Verhältniszahlen können nur das Produkt einer aufmerksamen Reflexion sprachlicher, genauer: drucksprachlicher Praxis sein. Vergleicht man weiterhin die Gießzettel, die für verschiedene Schriftarten aufgestellt wurden, so fallen Unterschiede in der Mengenanforderung für die einzelnen Buchstaben auf. Zum einen rührt dies natürlich daher, daß die unterschiedlichen Schriftformen unterschiedliche Mengen an Blei erfordern. Aber es differierte offenbar auch die Anzahl der Exemplare, die von den einzelnen Buchstaben in den verschiedenen Schriftarten gewünscht wurden. Dies mag daher kommen, daß die Schriftarten regelhaft zum Satz von unterschiedlichen Textgattungen bzw. von unterschiedlichen Textsegmenten (Überschriften, Vorrede, Marginalien, Anmerkungen) benutzt werden. Zwischen diesen Gattungen und Segmenten variiert die Häufigkeit der einzelnen Buchstaben offenbar so erheblich, daß eine Differenzierung des Letternrepertoires sinnvoll wird.
In den Skriptorien oder in der mündlichen Rede gab es keinerlei Veranlassung, sich in dieser Weise statistisch mit dem Kodesystem zu beschäftigen. Der typographische Kode ist demgegenüber eine durch und durch künstliche, im vorhinein zu planende und metallisch zu konstruierende Sprache. Sie erheischt aus eben diesem Grunde in viel höherem Grade soziale Reflexion als dies bei allen vorangehenden Kodesystemen der Fall gewesen ist. Wieviel Aufmerksamkeit auf den Umweg mit den Kodeelementen in der Druckerei zu lenken ist, wird weiterhin deutlich, wenn man sich die Maximen anschaut, die den Zeilensatz regeln.

Zeilensatz und Seitensatz

»Das Setzen ist ein Ausdruck, welcher mehrere Arbeiten so wol des Geistes als auch des Körpers in sich begreift«, heißt es in einem Handbuch der Buchdruckerkunst zu Beginn des 19. Jahrhunderts.(12) Der Setzer übernimmt mit anderen Worten manuelle Aufgaben, setzt die vielfältigen Werkzeuge in Bewegung und gibt ihnen damit ihren technischen Sinn. Zugleich lenkt und überwacht er den Prozeß.
Die routinisierten Handgriffe, die ihn vielleicht gelegentlich als Anhängsel der Werkzeuge erscheinen lassen, beschreibt der schon erwähnte anonyme Autor eines Lobgedichts auf die Buchdruckerkunst wie folgt:

»Wann sie [die Setzer] darnach wollen etwas
Mit jhrer Schrift machen fuerbaß/
So lesen solche [Lettern] sie auffs best/
In jhre Winckelhacken fest.
Wann sie alsdann ein Zeil geschlossn/
Hebens aus ins Schiff unverdrossn/
Vnd treiben diß so lang und viel/
Biß sich die Column enden will.
Nachmals mit einer Schnur ausbind/
Schiests hurtig auff ein Brett geschwind/
So auff das Regal wird mit Fleiß/
Gesetzt nach ordentlicher Weiß.
Nach dem er dieses hat vollend/
Sich wieder zu dem Kasten wend/
Arbeitet fort wol an der Statt/
Biß er ein gantze Forme hat/
Legt Steg darumb/vnd loesets auff/
Mit einer Rahm schleust es zu Hauff/
Daß nicht ein Buchstab von dem alln
Sich kan bewegen/vnd ausfalln.
Dieses als geordnet ist/
Daß man die Schrift hinder sich list/
Nemlich die aus dem Ertz ist gossn/
Darnach wanns is zusam(men) geschlossn/
Kompt bald ein Drucker da behendt/
Vnd traegt die Form ins Fundament.«
(13)

Im ersten Schritt nimmt der Setzer als eine Letter nach der anderen aus dem Setzkasten und fügt sie auf einem Winkelhaken zu einer Zeile zusammen. Voraussetzung für diese Tätigkeit ist neben den Lettern und dem Setzkasten also schon ein weiteres technisches Hilfsmittel, das von Gutenberg zu entwickeln war, ein ergonomisch gestalteter Winkelhaken. Diese Holzleiste mußte in einer Hand zu halten und von dieser auch zu bedienen sein; die andere Hand wählte die Lettern aus.
Ob man anfangs schon mit Hilfe einer Setzlinie mehrere Zeilen übereinander auf dem Winkelhaken anordnen konnte, entzieht sich unserer Kenntnis. Jedenfalls wiederholte man den Vorgang des Zeilensatzes so lange, bis die gewünschte Seiten- oder Kolumnenlänge erreicht war. Die fertige Zeile bzw. die fertigen Zeilen legte man auf einem hölzernen Setzschiff, einem weiteren Element der technischen Grundausstattung einer Werkstatt, ab. Auf dem Holzschnitt aus dem Totentanz (Abb. 2) ist dieser Vorgang gut zu sehen. Das Satz- oder Setzschiff liegt neben dem Setzer auf der Setzbank.
Gutenberg hatte sich, wenn auch noch nicht in seinen ersten Drucken, so doch in seiner Bibel, um einen Zeilenausgleich und eine gleichmäßige Seitengestaltung bemüht. Gewiß ist es zutreffend, wenn Friedrich Bauer, der schon in vielen Schriften mit der Geschichte der Drucktechnologie befaßt hat, auch für diese Entwicklung technische Gründe annimmt. Gutenberg, so schreibt er, »bestimmte die Zeilenbreite und die Kolumnenlänge durch den festen Rahmen seines Setzschiffes. Da die Grenze technisch nicht überschritten werden konnte, mußte sich der Satz dieser Grenze fügen.«(14) Andererseits gab es natürlich vielfältige Möglichkeiten, sich diesen Grenzen zu fügen. Gut lesbare und gleichmäßig lange Zeilen zu erreichen, erforderte von den Setzern nicht nur eine genaue Kenntnis der technischen Möglichkeiten, sondern auch sprachliches Wissen und Geschmack. Die Worte mußten durch Spatien gleichmäßig abgesetzt, die im Manuskript kaum geregelte Orthographie und Interpunktion auf Dauer vereinheitlicht, Worte am Ende der Zeile sachkundig abgetrennt, Majuskeln sinnvoll eingesetzt und eine leserfreundliche Absatzstruktur geschaffen werden.
Welchen Eingriff dies in die ursprüngliche Textgestalt bedeutet und welche sprachliche Akrobatik hier den früheren Setzern oftmals abverlangt wurde, soll die Abb. 11 verdeutlichen. Sie zeigt eine Textprobe eines Druckes des Gutenberg-Schülers Peter Schöffer. Wenn dieser Text ohne Zeilenausgleich und ohne Abkürzungen geschrieben wäre, dann läse er sich ungefähr so wie die Passage, die sich dem Druckfragment befindet. Leider kennen wir die Handschrift nicht, die dem Setzer 1459 vorlag.

Schema
Abb. 11: Die Verwandlung eines Textes beim Zeilenausgleich

So wie die ›aufgelöste‹ Textpassage wird das Manuskript nicht ausgesehen haben: Auch dort dürften sich Abkürzungen und Auslassungen gefunden haben. Der ausgeschriebene ›Normaltext‹ stellt eher die beim Setzer wohl nur kognitiv repräsentierte Zwischenstufe zwischen dem Manuskript und dem Druck dar. In diese Form übersetzt er im Idealfall den Text, um ihn dann entsprechend der Maximen und Anschlussregeln mit dem zur Verfügung stehenden Raum für die Kolumnen und mit seinen eigenen ästhetischen Ansprüchen in Einklang zu bringen. Zu lang geratene Zeilen verkürzt er durch Abbreviaturen, zu kurz geratene ergänzt er durch Blindmaterial und – in der Frühzeit des Drucks – durch Verdopplung von Buchstaben. Bei den meisten Druckern war es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts üblich, unter die letzte Textzeile einer Seite eine Zeile mit Blindmaterial und an deren Ende das erste Wort der folgenden Seite, die sog. ›Kustoden‹, zu setzen. Auch an das obere Ende der Seite fügte man in einer sog. ›Kopfzeile‹ Metainformationen über den Text ein.
In der Frühdruckzeit, in der erhebliche Anstrengungen zur Kennzeichnung der Absatzstruktur getrieben wurden, mußte der Setzer oftmals aus Holz geschnittene große Zierbuchstaben, Initialen, in den Text einfügen. Dies bedeutete immer ein Umorganisieren des Satzes und einen erhöhten Einsatz von Blindmaterial. In den modernen Bibeldrucken findet man heute noch eine zusätzliche Möglichkeit, der typographischen Textverarbeitung, die sogenannten ›Marginalien‹: Stichworte, Überschriften oder Kommentare, die, meist mit anderer Schrifttype, an den Rand der Seite gesetzt werden. Auch hierbei handelt es sich um metatextuelle Steuerungselemente. Sie sind freilich kein besonderes Kennzeichen der Typographie, sondern tauchen auch schon in mittelalterlichen Handschriften auf.

Diese kurze Einführung in die Aufgaben des Setzers mag schon ausreichend zeigen, wie wenig sich seine Tätigkeit auf die bloße Transkription des Manuskripts beschränkt. Er vermittelt vielmehr – mehr oder weniger geschickt – zwischen den Textverarbeitungsprogrammen des skriptographischen und des typographischen Informationssystems. Seine berechnenden und planenden kognitiven Leistungen ließen sich bis in die jüngste Zeit hinein kaum technisch substituieren. Die Transformation der informativen Muster bleibt wie in den Skriptorien in hohem Maße an einen psychischen Prozessor, den Menschen gebunden. Sie ließ sich nicht automatisieren. In den technischen Instrumenten des Typographeums haben sich zwar Berechnungen und ästhetisches Gefühl vergegenständlicht, aber sie können letztlich weder wahrnehmen noch planen. Sie vereinfachen die Textherstellung, ersetzen viele Fingerfertigkeiten und standardisieren die übrigen, sie präformieren die kognitiven Leistungen des Menschen, aber sie belassen diese doch im Zentrum des Transformationsprozesses.
Diese Situation ändert sich in der Gegenwart mit der Entwicklung der Computertechnologie.(15) In dem Maße, in dem sie Einzug in das klassische Typographeum hielt und hält, zerbricht die eben beschriebene Struktur. Zeilenausgleich, Worttrennung und Layout werden dem Setzer durch automatische Programme abgenommen. Er braucht sich nur noch zwischen ›fertigen‹ alternativen Möglichkeiten zu entscheiden. Wenn schließlich die ›Parser‹, die eine beliebige Eingabesprache in die Sprache des technischen Systems übersetzen können, einmal funktionieren, wird eine weitere Bastion der psychischen Prozessoren fallen. Daß dieser Automatisierungsprozeß nicht ohne Verlust abgeht, braucht kaum betont zu werden. Die Kunst des Handsatzes besteht gerade darin, immer wieder von standardisierten Lösungen abzuweichen. Dagegen, daß sich diese Normverletzungen in einer Weise programmieren lassen, daß sie unserem Geschmack gefallen, sprechen bislang alle Anzeichen.

Der Umbruch

Die fertige Seite konnte Gutenberg beim Druck seiner Bibel vom Satzschiff gleich in die Druckform legen, verschließen und drucken lassen. Wie schon erwähnt, verkompliziert sich das Verfahren enorm, sobald man bogenweise druckt und beim Binden ineinanderlegen will. In diesem Fall muß viel Text auf Vorrat gesetzt und solange zur Seite gelegt werden, ehe man mit dem Umbruch beginnen kann. Wie viele Seiten hier zu setzen sind, hängt vom Format, der Art der Falzung und des Zusammenlegens ab.

Schema
Abb. 12: Umbruch des Bogens beim Druck im Quartformat

Nehmen wir an, ein Buch soll im Quartformat erscheinen, bogenweise gedruckt und die Bögen später nicht ineinandergelegt, sondern nacheinander gebunden werden, so ergibt sich für den Setzer beim Umbruch die folgende Aufgabe: Er wird den Text zunächst soweit setzen, bis er 8 Seiten zusammenbekommt. Diese kann er dann auf den Schließstein legen und in der Weise anordnen, wie sie in der Abb. 12 dargestellt ist. Es zeigt sich, daß die Seiten keineswegs in ihrer textgegebenen Reihenfolge in die Druckform wandern. Vielmehr kommt beim ersten Druckvorgang auf der sogenannten ›Schöndruckseite‹ des Bogens die Seite 1 neben der Seite 8 zu liegen. Erst wenn diese letzte Seite gesetzt ist, kann die Druckform also geschlossen werden.
Würde man in diesen Bogen noch einen zweiten oder gar dritten einlegen, was bei kleineren Werken das Binden durchaus erleichtert, so kommt neben der Seite 1 beim Umbruch Seite 16 bzw. 24 zu liegen. Entsprechend mehr Textseiten mußten also bei gleicher Satztechnik bewältigt werden, ehe zum Druck geschritten werden konnte.
Um bei dieser komplizierten Textorganisation nicht durcheinanderzukommen und um eine Orientierungsgrundlage für das spätere Zusammenlegen zu schaffen, signierte man die jeweils erste Seite eines Druckbogens mit Buchstaben in der Folge des Alphabets unterhalb des Textes. Seitenzahlen werden demgegenüber in Deutschland erst frühestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufiger gebraucht. Nach dem Umbruch hob man die, vermutlich mit Bändern zusammengehaltenen, gesetzten Seiten in den Schließrahmen. »Der Schließrahmen ist« so heißt es 1567 bei Grevin/Plantin, »aus sechs eisernen Schienen gebaut – vier bilden den Außenrahmen und zwei (kreuzweise) die innere Einteilung(16) für vier Seiten –, aber das hängt vom Buchformat ab: Entspricht das volle Format nur einer Seite, so braucht man keine innere Einteilung.« Im nächsten Schritt wird die Druckform aufgefüllt und geschlossen. »Das Schließen erfolgt«, so schreiben Grevin/Plantin weiter, »mit hölzernem Schließzeug (verschiedenen Stegen und Regletten) sowie Keilen, die den gesamten Satz von allen vier Seiten nach innen zusammenpressen. Vorher wird er sauber in der Höhe justiert.« (Ebd.) Die mit Kopf-, Außen-, Fuß- und Bundstegen zusammengeschlossene Druckform kann dann die Setzerei verlassen und dem Drucker zur Aufbewahrung und/oder zum Druck übergeben werden.

Das Drucken und die Druckerpresse

Der Vorgang, der der neuen Technologie im 15. Jahrhundert den Namen gegeben hat, ist das ›Drucken‹. In den Urkunden aus der Schaffenszeit Gutenbergs wird zusammenfassend vom ›Truckwerck‹ gesprochen, wenn die neue Technologie gemeint ist. In den lateinischen Quellen ist die Rede von der ›ars imprimendi libros‹ Die erste ausführliche gedruckte Würdigung der neuen Technologie in der Kölnischen Chronik trägt die Überschrift ›Van der Boychdruckerkunst‹. (Vgl. Anhang 1) Bei dieser letzten Bezeichnung ist es im deutschen Sprachraum bekanntlich geblieben.
Sie mag sich am Ende nicht ganz zu Unrecht durchgesetzt haben, obwohl das Handgießinstrument gewiß die originellere und in technologischer Hinsicht auch eine anspruchsvollere Erfindung gewesen ist als jene der Druckerpresse und obwohl das Setzen zweifellos mehr Zeit, menschliche Geschicklichkeit und Überlegung erfordert als das Drucken im engeren Sinne. Warum sprach und spricht man also nicht von der ›Setzerkunst‹?
Nun, auch diese Namengebung würde bedeuten, daß man aus der komplexen Technologie einen Abschnitt herausnimmt und ihn – pars pro toto – als Identitätsmarker nimmt. Die Umgangssprache war mit der Aufgabe überfordert, einen Oberbegriff für die vielen verschiedenartigen Vorgänge im Typographeum zu bilden. Dem außenstehenden Zuschauer mußte die Druckerpresse als die monumentalste Maschine in der Werkstatt sofort in die Augen springen. Und an diesen ersten Eindruck hat sich der Zeitgeist gehalten. Hinzu kommt noch, daß das wichtigere Handgießinstrument von den Verwaltern der neuen Technologie gegenüber der Öffentlichkeit besser versteckt werden konnte.
Aus kommunikationstheoretischer Sicht macht die Wahl des Ausdrucks ›Drucken‹ einen besonderen, guten Sinn. Mit ihm wird nämlich besser, als es die Bezeichnung ›Setzen‹ oder ›Satz‹ vermag, hervorgehoben, daß es in dieser Kunst um die Übertragung von Mustern von einem Medium auf ein anderes geht. Vermutlich schwingt sogar schon immer die Vorstellung mit, daß diese Übertragung beliebig wiederholbar ist. Man denkt beim Drucken an Vervielfältigung. Insoweit regt der Ausdruck ›Druckkunst‹ ähnliche Vorstellungen wie jene an, die heute die Generalmetapher ›Kommunikation‹ evoziert: Weitergabe und Verbreitung von Information. Das ›Drucken‹ bezeichnet einen Spezialfall von Kommunikation. Die Besonderung erfolgt, indem auf den technischen, materiellen Vollzug des Informationsaustauschs hingewiesen wird. Diese Materialität der Medien und der Informationsübertragung wird in den gegenwärtig herrschenden Kommunikationsvorstellungen allzu oft zurückgedrängt. An der uns in ihrer Materialität so vertrauten Druckkunst andererseits lohnt es sich, die informativen und kommunikativen Seiten neu zu entdecken.
In diesem Sinn soll nun zunächst das hauptsächlich technische Hilfsmittel des Druckvorgangs betrachtet werden.

Die Druckerpresse als Kommunikationsmedium

Die Druckerpresse erfüllt im Prinzip die gleiche Aufgabe wie das Handgießinstrument. Sie ermöglicht die exakte Spiegelung variabler Muster eines Mediums in einem anderen. Als Muster fungieren in diesem Fall nicht die Matrizen, sondern die in Druckformen zusammengehaltenen Bleilettern. Das Medium, auf dem Spuren hinterlassen werden sollen, ist das befeuchtete Papier. Als Katalysator zwischen den beiden Medien, als Kontrastmittel, tritt die Druckerfarbe auf. So gesehen erscheint die Druckerpresse als eine Transformationsmaschine für Informationen: Sie gewährleistet, daß informative Muster aus dem Blei- in das Papiermedium wechseln und zwar immer wieder mit genormter Präzision. Wenn in der Folge vom ›Drucken‹ gesprochen wird, so ist damit diese Form der Weitergabe von Informationen gemeint.
Das technische System, in dem dieser Vorgang abläuft, ist die Druckerpresse. Die materiell-technischen Aspekte ihres Aufbaus hat man an vielen Stellen ausführlich dargestellt.(17) Er braucht deshalb hier nur in aller Kürze skizziert werden. Wie so oft auf diesem Felde leistet die Betrachtung einer technischen Zeichnung gute Dienste.
Auf der Darstellung aus der Enzyklopädie von d´Alembert und Diderot (Abb. 13 auf der folgenden Seite) erkennt man oben rechts das technologische Kernstück der Gutenbergschen Presse: eine Spindel mit Gewinde und Spitze, die durch eine Führung, die sog. ›Büchse‹, auf eine Eisenplatte, die Tiegel, gelenkt wird. Tiegel und Büchse sind mit den sogenannten ›Klafterschnüren‹ miteinander verbunden. Die Spindel selbst dreht sich in Holz- und später in Metallgewinden in dem Querbalken, der die beiden mächtigen senkrechten Ständer der Presse verbindet. Durch eine Bohrung in der Spindel wird ein Stab, der Preßbengel, gesteckt. Mit seiner Hilfe bewegt der Drucker die Spindel und damit auch den Preßtiegel auf- bzw. abwärts. Mit dieser mehrteiligen Konstruktion löste Gutenberg das technische Grundproblem des Preßvorgangs: Die Drehbewegung der Spindel darf sich nicht auf das Brett übertragen, welches das Papier auf die Druckform preßt. In diesem Fall verschiebt sich auch das Papier, der Druck verwischt.
Die Gegenseite des Preßtiegels bildet ein stabiler Holztisch.

Dokumentation
Abb. 13: Der Aufbau der Buchdruckerpresse: Kupferstich aus der Enzyklopädie von Diderot und d´Alembert, Paris 1769

Auf ihm läuft in Schienen der Karren, auf die Druckformen eingesetzt werden. Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts hat man an die Stirnseite des Karrens mit Hilfe von Scharnieren einen Deckel angebracht, an dem man das zu bedruckende Papier befestigen kann. Man maskiert dann diejenigen Teile der Druckform, die nicht drucken sollen, mit Papier, klappt den Deckel herunter, fährt den Karren unter den Tiegel und kann dann durch einen ruckartigen Zug des Bengels ›drucken‹.
Später hat man an die freie Schmalseite des Deckels ebenfalls mit Scharnieren einen Rahmen angebracht, der jeweils nur die zu bedruckenden Teile des Papiers freiläßt, wenn er heruntergeklappt wird. Diese Konstruktion ist auf der Abb. 6 gut zu erkennen.

Die Fachleute scheinen sich darin einig, daß Gutenberg in den fünfziger Jahren jeweils nur eine Folioseite in die Presse fuhr. Dieses Vorgehen bezeichnet man als ›Einphasendruck‹. Später legte man die Druckformen zweier (Folio)Seiten nebeneinander, fuhr den Karren ein, druckte zunächst die vordere Seite, hob dann den Tiegel wieder an, bewegte den Karren weiter und druckte dann die zweite Seite (Zweiphasendruck).
Mit welchem Mechanismen der Karren im 15. Jahrhundert bewegt wurde, weiß man heute nicht mehr mit Sicherheit. Schon auf dem Drucker-Signet des Jodocus Badius Ascensius von 1507 kann man aber erkennen, daß der Drucker den Wagen mit der linken Hand durch eine Kurbel bewegt, während er mit der rechten den Preßbengel bedient. Nachdem dieser Bewegungsmechanismus funktionierte, waren eigentlich bis ins 19. Jahrhundert hinein keine grundsätzlichen Verbesserungen an der Presse mehr möglich; immer mehr Holzteile wurden durch Eisenkonstruktionen ausgetauscht, aber das Prinzip blieb erhalten – »weil keine andere technische Lösung (in Holz) denkbar ist«, wie ein Fachmann auf diesem Gebiet, Claus W. Gerhardt, schreibt.(18)

Schema Abb. 14: Das Drucken: schematische Darstellung der dynamischen Dimension

Der Ablauf des Druckvorgangs

Das Geschehen an und um die Druckerpresse läßt sich in fünf Phasen gliedern: Einheben der Druckform, Auftragen der Farbe, das Drucken im engeren Sinne, in der Fachsprache ›Ziehen‹ genannt, das Säubern der Formen sowie das Anfeuchten und Trocknen der Papierbögen. Dieser Ablauf ist in der Abb. 14 schematisch dargestellt.
Der Vorgang beginnt damit, daß der ›Preßmeister‹ die Druckformen entgegennimmt und sie in den Karren auf dem Tisch der Druckerpresse legt. Dort müssen sie so justiert werden, dass später die schon erwähnten Rähmchen genau auf die Stege der Form zu liegen kommen. Insbesondere beim Widerdruck, also beim Drucken der ›Rückseite‹ eines auf der Vorseite schon bedruckten Bogens, muß hier sehr gewissenhaft gearbeitet werden, damit die Kolumnen der Schön- und der Widerdruckseite genau ›aufeinander‹ zu stehen kommen. Während dieser Tätigkeit, die man als ›Registermachen‹ bezeichnet, und dem Befestigen der sauberen Papierbögen an dem Deckel kann eine zweite Person die Druckfarbe anmischen und sie auf dem Farbstein verteilen. Wenn wir den frühen Holzschnitten glauben dürfen, so sind an den Pressen von Anfang an zwei Handwerker beschäftigt gewesen.
Zum Einfärben der Form benötigt man zwei Druckerballen: Diese bestehen aus mit Leder überzogenen Stoffballen, die an Holzgriffen befestigt sind. Man nahm damit die Farbe vom Stein auf, »verrieb sie – freihändig – durch Gegeneinanderdrehen und tupfte sie dann gleichmäßig auf den Satz. Mit Sicherheit hat dazu eine ganz besondere Fertigkeit gehört«, bemerkt der Fachmann, »denn selbst ein gut zugerichteter Druck kann durch zuviel oder zuwenig Farbe verdorben werden.«(19)
Mangelnder Aufmerksamkeit beim Einfärben verdanken wir unsere Kenntnis über die Form der im frühesten Buchdruck verwendeten Lettern: Gelegentlich ›klebte‹ eine Bleiletter am Ballen fest, wurde aus dem Satz herausgerissen, blieb dann im Eifer der Akkordarbeit auf der Form liegen und wurde auf diese Weise mitgedruckt.(20)
Das arbeitsteilige Einfärben und das Anbringen der am Vortage befeuchteten Papierbögen kann man auf der Abb. 6 gut beobachten.
Im nächsten Arbeitsschritt klappt man, zumindest seit dem 16. Jahrhundert, den Rahmen auf den Bogen und beides Deckel mitsamt dem Bogen und dem Rahmen, auf die Form.
(21)
Es folgt dann das eigentliche Pressen (Ziehen), das bei der Beschreibung der Druckerpresse in seinen beiden Phasen schon geschildert wurde.
Nachdem der Karren wieder ausgefahren und Deckel und Rahmen hochgeklappt sind, kann der bedruckte Bogen entnommen werden. Einfärben und Ziehen des Karrens wiederholt man so lange, bis die gewünschte Auflagenhöhe erreicht ist. Dieser Vorgang wird in dem Schema (Abb. 14) durch einen Rückkopplungskreis berücksichtigt.
Vermutlich hat man schon bald mehrere Bögen übereinander an dem Karrendeckel befestigt, so daß man nach der Abnahme des bedruckten Papiers sogleich wieder den Deckel schließen und in dem Druckprozeß fortfahren konnte.(22) Die abgezogenen Bögen wurden entweder zum Trocknen aufgehängt oder aber, wenn deren Rückseite noch bedruckt werden sollte, wieder in den Deckel geheftet.
Den letzten Arbeitsgang, das Ausheben und Säubern der Form, übernimmt wieder der Ballenmeister (Einfärber)
(23) »Wann nun ein Form ist außgedruckt/« reimt der schon zitierte Bewunderer der Druckkunst, »heiß Laugen man vom Feuer ruckt/ Vnd waescht die Form fein sauber ab/ Damit der Setzer sein Schrifft hab/«.(24) Nur wenn die alte Farbe tatsächlich aus allen Winkeln der Letter herausgewaschen ist, ergibt sich auch bei ihrer erneuten Verwendung wieder ein klares Schriftbild.

Das Zusammenlegen

Die Druckfarbe mag, nachdem die Bögen drei oder vier Tage auf Leinen hingen, die zumeist oben in den Druckerstuben angebracht waren, soweit abgetrocknet gewesen sein, daß man an den nächsten Arbeitsschritt gehen konnte. Wenn es um seitenstarke Bücher ging, dann wird man die signaturgleichen Bögen zunächst so lange gestapelt und gepresst haben, bis sich genügend Material angesammelt hat. Beim anschließenden Zusammenlegen kann die Ernte der Planungsphase und des Umbruchs eingebracht werden: Die Bögen sind ja schon so gedruckt, dass nach dem Falzen, Zusammenlegen und ggf. Schneiden der Text fortlaufend gelesen werden kann.
Von der 42zeiligen Gutenberg-Bibel weiß man, dass sie in Quinternionen zusammengelegt wurde.(25) Je fünf in der Mitte gefalzte Bögen schob man ineinander und bildete dadurch eine ›Lage‹. Andere übliche Lagen nennt man Duernio, Triternio, Quarternio oder Sesternio. Sie bestehen aus zwei, drei, vier bzw. sechs Bögen oder aus vier, sechs, acht oder zwölf Blatt – wenn es sich um ein Folioformat und damit um eine einmalige Falzung des Bogens handelt. Auch beim Quartformat war es üblich, mehrere Lagen ineinanderzuschieben.(26) Bei kleineren Formaten plante man, wegen der begrenzten Falzungsmöglichkeiten, von vornherein auch das Einlegen von Halb- oder Viertelbögen ein. Diese Technik findet sich allerdings auch schon in der Handschriftenzeit.(27)
Texte, die nur aus einer Lage bestehen, lassen sich relativ leicht durch eine Fadenheftung zusammenbinden. Zahlreiche ›Broschüren‹ wurden auf diese Weise äußerst kostengünstig, gleichsam als Paperback, für den Markt zugerichtet. Pergament-, Papp- oder gar Lederdeckel konnten auf diese Weise eingespart werden. Manchmal bedruckte man die Umschlagseite mit einer Titelangabe; oftmals, wie z.B. bei einigen Ausgaben des ›Büchleins von den gebrannten Wassern‹ des Michael Schrick, ließ man die äußere Seite unbedruckt und begann auf der ersten Innenseite mit Titel und Text. Über diese billige Bindepraxis läßt sich schwer etwas Genaueres sagen, weil die überkommenen dünnen Exemplare in unseren Bibliotheken meist nachträglich in Sammelbände eingefügt wurden. Dies gibt ihnen ein dauerhafteres und zuweilen gewiß auch kostbareres Aussehen, als sie es vermutlich ursprünglich einmal besaßen. Jedenfalls gilt es zu bedenken, daß Druckerzeugnisse, die lagenweise oder doch nur mit einfacher Fadenheftung abgegeben wurden, rasch und wohlfeiler an den Kunden gebracht werden konnten, als dies bei den gebundenen Exemplaren der Fall ist, die wir gemeinhin im Auge haben, wenn wir von ›gedruckten‹ Büchern sprechen.
Vermutlich wurden anfangs die meisten ›Bücher‹ lagenweise (in Fässern) verpackt aus den Druckereien geschafft, transportiert und verkauft. Erst dem Käufer blieb es also vorbehalten, die Druckerzeugnisse zu binden.
(28) Sein Geschmack und Geldbeutel bestimmte somit die endgültige Gestalt des Buches. Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie viele ›Bücher‹ bei dieser Praxis niemals zusammengebunden wurden. Sie haben kaum Aussicht, überliefert und von den Sozialhistorikern der Buchgeschichte berücksichtigt zu werden.

Die Korrektur

Bei der bisherigen Schilderung der Dynamik des typographischen Geschehens wurde so getan, als ob in ihm keinerlei Störungen auftauchen. Eine solche Annahme ist natürlich unrealistisch und sie hat deshalb nie die Organisation des Druckablaufs beherrscht. Wie alle informationsverarbeitenden Systeme besitzt vielmehr auch das Typographeum selbstregulative Mechanismen.
Die meisten von ihnen werden ›nebenbei‹ eingesetzt: So überprüft etwa der Setzer die richtige Lage der – einseitig eingekerbten – Lettern im Winkelhaken mit dem Daumen während des Setzvorgangs, die Drucker bemerken schlecht abgezogene Bögen und legen sie beiseite, Umbruchfehler fallen den Gehilfen beim Falzen auf usf.
Darüberhinaus ist das Typographeum aber ein so komplexes System, daß es spezielle Teilsysteme ausbilden mußte, deren Funktion im wesentlichen nur in der Korrektur von Fehlern und Abweichungen von den idealen Programmen besteht. Das aufwendigste dieser Teilsysteme nennt man Korrektorat, seine ausdifferenzierten Funktionsträger ›Korrektoren‹.
Wenn man sich die dynamische Dimension der Informationsverarbeitung im Typographeum (Abb. 7) noch einmal anschaut, so stellt man fest, daß nahezu nach jeder Phase die logische Möglichkeit zur Selbstkorrektur gegeben ist. Welche dieser Möglichkeiten zu welchem historischen Zeitpunkt als Notwendigkeit erkannt wurden und wie man im einzelnen in der Korrekturpraxis vorging, dies läßt sich heute nicht mehr mit letzter Gewißheit sagen. Uns liegen darüber aus dem 15. und selbst aus dem 16. Jahrhundert nur wenige und dann zum Teil widersprüchliche Nachrichten vor.
Die praktische Organisation des Korrekturgeschehens hängt, davon müssen wir ausgehen, von den Gegenständen und Umständen des Drucks ab. Bei Akzidenzdrucken wird sie anders ausgesehen haben als bei der juristischen Fachliteratur, bei letzterer wiederum anders als bei der volkssprachlichen Unterhaltungsliteratur. Große Druckereien konnten eher ein spezielles Korrektorat einrichten als die Winkeldrucker, wo sich die verschiedenen Funktionen in den Händen weniger Personen zusammenballten. Neben den ebenfalls zu berücksichtigenden regionalen Traditionen werden auch solche praktischen Fragen eine Rolle gespielt haben wie diejenige, ob der Verfasser eines Manuskripts am Druckort weilte oder nicht. Nur im ersteren Fall ließ er sich umstandslos in das Korrekturgeschehen einordnen.
Wegen dieser Unübersichtlichkeit kann es im folgenden nicht so sehr um die Schilderung historischer Einzelheiten gehen. Markiert werden sollen stattdessen die prinzipiell möglichen Eingriffstellen des Korrektors und die bei diesen Eingriffen entstehenden Korrekturkreise. Dies ist in der Abb. 15 geschehen. Bei der Beschreibung der selbstreferentiellen Dimension wird, wie auch bei jener der verschiedenen Phasen der dynamischen Dimension, angenommen, daß als Datenmaterial ein längerer Text, ein ›Buch‹, in das Informationssystem eingegeben und verarbeitet wird.

Korrektive Schaltkreise im Typographeum: Prüfung und Vorkorrektur

Die erste Möglichkeit, den Datenfluß im Typographeum zu korrigieren, besteht darin, die Eingabe eines Manuskripts oder Druckauftrags rückgängig zu machen.
Benjamin Krebs schreibt in seinem Handbuch hierzu: »So bald ein Manuscript der Buchdruckerei überliefert worden ist, sollte es dem Hauptcorector in die Hände gegeben werden, damit er solches ansehe; findet er es schlecht, so sollte es dem Verfasser wieder zurück gegeben werden, um es wieder durchzulesen oder es abschreiben zu lassen.«(29) Aber selbst wenn das Manuskript im Prinzip akzeptiert ist, so müssen an ihm dennoch gewisse Veränderungen vorgenommen werden, damit es als Vorlage für den Setzer dienen kann.(30)

Dokumentation
Abb.15: Ablauf der Informationstransformation und Korrekturschleifen im Typographeum: schematischer Überblick

Auf diese Form einer ›Korrektur‹ wurde unter dem Stichwort ›berechnen‹ schon bei der Darstellung des Setzvorgangs kurz hingewiesen: Das Manuskript muß für die Bedürfnisse der gewählten Maschinensprache, des Umbruchs und des Layouts umstrukturiert werden. Diese ›Verbesserungen‹ sind in der Abb. 15 als ›Vorkorrektur‹ berücksichtigt.
Der zweite Schaltkreis, die Satzkorrektur, ermöglicht die Überprüfung der fertigen Druckformen.
Diese Überprüfung setzt einen Probeabzug der Form voraus. Dieser kann durch Einfärben der Form, Auflegen eines Papiers und Abreiben desselben mit einer Bürste (Bürstenabzug), durch Einlegen der nur lose eingebundenen Form in eine Andruckpresse oder durch den ›Probedruck‹ in der normalen Presse erfolgen.(31) Das letztere Verfahren ist bei der schematischen Darstellung zugrundegelegt.
Grevin/Plantin schreiben über diese Korrekturphase: »Der Setzer übergibt die fertige Form den beiden Druckern, die an der Presse arbeiten. Sie machen zunächst einen Andruck. Der Setzer muß dann die Form wieder aufschließen, falsche oder fehlerhafte Typen mit der Ahle herausholen und durch die richtigen ersetzen. Zwischenräume füllt er mit Ausschluß, Spatien oder abgebrochenen Typen. Dann justiert und schließt er die Form erneut.«
(32)

Selbst in einer so großen Druckerei wie derjenigen Plantins wird die erste Korrektur in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts also zunächst noch allein von dem Setzer ausgeführt. Es handelt sich demnach bei dieser Schleife um eine (Selbst-)Korrektur des Satzes durch den Setzer. Er wird sich hierbei weniger um den Inhalt als vielmehr um die Ausmerzung ›technischer‹ Schnitzer gekümmert haben: Umdrehen von Buchstaben – insbesondere Lang-s und o –, die im Satz auf dem Kopf stehen, Auswechseln von Buchstaben, die, oft schon beim Ablegen, vertauscht wurden, Verbessern von Wortwiederholungen und -auslassungen vor allem am Zeilenbeginn usf.(33)
Die dritte Korrekturschleife, in dem Schema wird sie als ›Hauptkorrektur‹ bezeichnet, setzt nach dem Zusammenlegen der Lagen oder – bei kürzeren Schriften – des gesamten Textes ein. Sie kann sich, weil sie am Ende der typographischen Informationstransformation steht, auf allen Phasen des Ablaufs und damit auch auf die vorherigen Korrekturversuche beziehen. Zum Leidwesen der Setzer finden hier auch immer wieder Veränderungen des ursprünglichen, vorkorrigierten Manuskripts statt. Die grundlegende Funktion dieser Phase ist aber, die normgerechte Anwendung der Maschinensprache des Buchdrucks zu überprüfen. So achtet der Korrektor zunächst auf eine einheitliche Orthographie. Dies empfiehlt sich zumal dann, wenn mehrere Setzer arbeitsteilig mit einem Text zu tun hatten. Des weiteren können in dieser Phase auch der Umbruch und die Einteilung der Lagen verändert oder Fehler beim Zusammenlegen rückgängig gemacht werden.
Dafür, daß die Hauptkorrektur erst beginnt, nachdem eine ganze Lage gesetzt und gedruckt ist, gibt es schon aus dem 15. Jahrhundert Hinweise.
(34) Da nur bei dieser Arbeitsorganisation ein fortlaufender Text vorliegt, kommt auch nur für diesen Fall das von H. Hornschuch erwähnte Beschleunigungsverfahren für den Korrekturprozeß in Frage. Er spricht davon, daß ein ›Lector‹ das Manuskript laut vorliest und der ›Corrector‹ unterdessen den Text auf den (Probe-)Druckbögen mit dem Gehörten vergleicht.(35) Bei anderen Gelegenheiten dürfte es andererseits auch vorgekommen sein, daß ein Korrektor schon die Bürstenabzüge der Bögen erhält, um mit den einzelnen Schritten seiner Tätigkeit unverzüglich beginnen zu können.
Die vielfältigen Aufgaben der Hauptkorrektur scheinen schon frühzeitig die Einrichtung eines eigenen Korrektorats und seine Besetzung mit einer speziell ausgebildeten Person erforderlich gemacht zu haben. Peter Schöffer berichtet im Kolophon seiner Ausgabe der ›Instutitiones‹ des Justinian 1468 davon, daß er extra eine Person angestellt habe, um den Text dieses Werkes gewissenhaft korrigieren zu lassen.
(36) Auch aus anderen Dokumenten weiß man, daß sich Verleger Gelehrte leisteten, die gleichsam als ›wissenschaftliche Berater‹ Editorenarbeit vornahmen und die Verleger bei schwierigen Texten berieten.(37) In dieser Eigenschaft werden sie vermutlich auch schon bei der Vorkorrektur eingespannt worden sein.
Wenn die Sachkenntnis vielleicht nur in wenigen Offizin von dem Korrektor gefordert wurde, so dürften gründliche Sprachkenntnisse jedoch unverzichtbar gewesen sein. In den meisten Druckereien arbeitete man zweisprachig und nahm Vorlagen sowohl in der lateinischen Sprache als auch in der Muttersprache entgegen.
Hornschuch, der in seiner Orthotypographia eine Vielzahl von Leistungsmerkmalen eines guten Korrektors auflistet, wettert des weiteren über die ›Schande‹, daß sich so wenige seiner Standesgenossen um die ›Orthography oder rechte Schreiberey‹ in der ›teutschen Sprache‹ kümmerten.
(38) Ihm dünkt es »gantz nuetz vnd nothwendig«, daß sich die ›Druckereyen‹ vor »Nachlaessigkeit/vnd Vnbestaendigkeit im Schreiben« in ›acht‹ nehmen. (Ebd. 24) »Denn was die gemeinen Schreiber anlanget«, so vermeldet er sichtlich unzufrieden, scheint es sicher, »daß sie dieses so viel achten werden/als der Mond des Hundes bellen«. (a. a. O.) Wenn wir Hornschuchs Absichten richtig verstehen, so sollen die Korrektoren als Regulativ für den Sprachgebrauch nicht nur der Drucker, sondern auch darüberhinaus aller Schreiber wirken. Die von ihm – und von vielen anderen Zeitgenossen des 15. und vor allem des 16. Jahrhunderts – gewünschte Vereinheitlichung der vielen Kodes der verschiedenen Informationssysteme kann und soll seiner Ansicht nach von den Druckereien und in diesen von den Korrektoren ausgehen.(39)
Entsprechend dieser vielfältigen Korrekturaufgaben gibt es auch unterschiedliche Interventionsformen, die früher oder später in den Transformationsprozeß im Typographeum eingreifen und ihn somit mehr oder weniger weit zurückspulen. Größere Veränderungen an der Manuskriptvorlage, die in Form von Ergänzungen zum Probeabzug erfolgen, führen zum Neusatz ganzer Seiten oder Bögen. Der Druck kann, wenn der geplante Umbruch nicht mehr verändert werden soll, auf Doppel- oder Einzelblättern, sogenannten ›Kartons‹, ausgeführt werden, die man anschließend in die Lagen einfügt.(40) Anderenfalls müssen die Ergänzungen bzw. Streichungen von Seite zu Seite in den Druckformen schrittweise ausgeglichen werden. Dies funktioniert natürlich nur, wenn die Druckformen der verschiedenen Bögen noch vorhanden sind, der Satz noch nicht abgelegt ist. Kleinere Korrekturen ließen sich durch eine Erhöhung der Zeilenzahl auf der fraglichen Seite durchführen. So schwankt etwa in dem ›Compendium librorum sententiarum‹ des Johannes de Fontes die Anzahl der Zeilen pro Seite zwischen 35 und 41.(41) Man mag daraus ersehen, wie schwierig eine exakte Vorausplanung des typographischen Transformationsprozesses (anfangs) war.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts entwickelten die Korrektoren ein eigenes Zeichensystem, um die Druckfehler des Setzers in unmißverständlicher Form auf den Rändern der Probedrucke anzuzeigen.
(42)
In unserer Gegenwart erfolgt in guten Verlagen unmittelbar nach der Verlags- die Autorenkorrektur. Letztere dürfte im 15. und 16. Jahrhundert eher die Ausnahme gewesen sein. Hornschuch hält sie zu Beginn des 17. Jahrhunderts für überflüssig, mehr noch, für einen Mißtrauensbeweis gegenüber den ›Correctoren‹, die ohnehin ›alles zwey= oder dreymal überlesen‹.(43) Stattdessen sei es besser, wenn sich die Autoren die Abgabe lesbarer und fehlerfreier Manuskripte zur Aufgabe machten. Andererseits gibt es schon aus dem 15. Jahrhundert Beispiele für eine Autorenkorrektur. So schreibt Petrus Niger im Schlußwort seines 1475 bei K. Feyner in Esslingen gedruckten ›Tractatus contra Judeus Perfidos‹, er habe ›sein Werk mit eigener Hand geschrieben und in seiner Gegenwart setzen lassen‹.(44) Bei den damaligen Verkehrsverhältnissen scheint also jedenfalls die Anwesenheit des Autors am Druckort eine Voraussetzung für diese Form der Korrektur zu sein.(45)
Nun liest man in den Vorreden zu Drucken des 15. und 16. Jahrhunderts immer wieder, daß die Autoren nach der Drucklegung ihr eigenes Werk kaum mehr wiedererkannt hätten. L. Fries vermeinte nach Erscheinen seines ›Spiegels der Arznei‹ ein ›Moerwunder‹ geboren zu haben.(46) Otho Brunfels, der Herausgeber jenes Werkes, beteuerte, die Vorlage ›lauter und wohlkorrigiert‹ dem Drucker ›überantwortet‹ zu haben.(47) Er schreibt die Versäumnisse dem ›Unverstand der ungelehrten Setzer und auch den unfleißigen Korrektoren‹ zu. (Ebd.) Aus diesem Grund hält er es – gleich vielen anderen zeitgenössischen Autoren – für nötig, eine verbesserte Neuauflage zu veranstalten. Er hat sich dazu ›mitsampt dem Trucker‹ zusammengesetzt und das ›Exemplar wider überlesen und gebessert‹, um so die Fehler der ›unberichten Setzer‹ auszumerzen. (Ebd.)
Diese Äußerung von Brunfels mag man einerseits als Indiz dafür deuten, daß die Autoren tatsächlich erst das fertige Exemplar ihres Werkes zu Gesicht bekamen – andererseits zeigt sich hier eben auch eine weitere, die einzelnen Offizin überschreitenden Korrekturmöglichkeit: der verbesserte Neudruck.
Wahrscheinlich ist allerdings auch für die frühe Neuzeit schon eine andere Form der Einbeziehung der Autoren: Man schickte ihnen den fertigen Druck und gab ihnen die Möglichkeit, Druckfehler auf einem gesonderten Bogen am Ende des Buches aufzulisten. Diese Druckfehlerberichtigungen sind ein Produkt der letzten noch zu behandelnden Korrekturschleife, des ›Nachbesserns‹.

 
Illuminieren, Rubrizieren und andere Formen der Nachbesserung

Der genetische Ursprung der in der Abb. 15 als ›Nachbessern‹ bezeichneten letzten Korrekturschleife im typographischen Prozeß reicht bis in die Zeit der Handschriftenproduktion zurück. Damals wurden die fertigen Manuskripte von Buchmalern, manchmal auch vom Schreiber selbst, verziert, der ›illuminiert‹. Den von den mittelalterlichen Prachthandschriften verwöhnten, zugegeben wenigen Augen erschienen die ausgedruckten Bögen in der Frühdruckzeit als kahl und unfertig. So stellte man Illuminatoren an, die die fabrikmäßig erzeugten Informationsmuster in hergebrachter handwerklicher Weise mit Miniaturen und Ranken verzierten. Es brauchte seine Zeit, bis eine der Industrieform angepasste neue Ästhetik die Geschmacksvorstellungen ersetzte, die sich im Dialog zwischen den Skriptorien und ihren Auftraggebern entwickelt hatten.
Eine weitere Übergangserscheinung in den Offizin des 15. Jahrhunderts stellen die Rubrikatoren dar. Sie gingen den Text mit Feder und/oder Pinsel durch, fügten in Schönschrift Initialen ein und markierten mit zum Teil mehrfarbigen Strichen Satz- oder Sinngrenzen, Aufzählungen, Absätze u.ä. In vielen Drucken wurde nicht nur Raum für Miniaturen, sondern auch – und dies entschieden häufiger – für die Anfangsbuchstaben der Kapitel ausgespart. Sie konnten dann im nachhinein in mehr oder weniger aufwendiger Form durch einen Rubrikator eingefügt werden. Mit fortschreitender Entwicklung des Buckdrucks setzte man in diese Freiräume als Provisorium den fehlenden Buchstaben in Minuskelform. Der Text war dann leichter zu lesen, wenn die Vervollständigung per Hand ausblieb, was bei höheren Auflagen oft der Fall ist.
Da die Rubrikatorentätigkeit ohne eine Lektüre des Textes unmöglich ist, lag es nahe, diesen Personenkreis auch für das Korrekturlesen zu gewinnen. Dies dürfte beispielweise auch bei der Fertigstellung der Gutenberg-Bibel geschehen sein.(48) Erst später mag sich dann das Verhältnis umgekehrt haben; die spezifischen Aufgaben der Korrektoren traten in den Vorder- und die kalligraphischen der Rubrikatoren in den Hintergrund. Das Rubrizieren verlagerte sich im typographischen Prozeß nach vorne, wurde von der Vor- oder Hauptkorrrektur übernommen und damit dann auch typographisch substituiert: Virgel, Rubrum und andere Sequenzierungsmarkierer der skriptographischen Textverarbeitung erscheinen im Bleisatz. Handschriftliche Nachbesserungen verschwinden im 16. Jahrhundert aus dem System der typographischen Informationstransformation. Dafür treten andere Formen des nachträglichen Korrigierens in den Vordergrund, die nicht mehr als Übergangserscheinung zwischen der alten skriptographischen und der neuen typographischen Technologie und Ästhetik zu verstehen sind. Die letzte Korrekturschleife erhält neue Protagonisten und Funktionen. Sie führt jetzt, wie die anderen Regulationskreise auch, zum Setzen zurück. Zu ihrer Grundfunktion wird, auch nach Einleitung des eigentlichen Auflagendrucks und nach dem Beginn oder gar dem Abschluß des Zusammenlegens noch Veränderungen an den Produkten zu ermöglichen.
Die einfachste Form einer solchen nachträglichen Veränderung ist die sogenannte der ›Preßkorrektur‹. Bei ihr unterbricht man den Druck und korrigiert die übersehenen Fehler in den Druckformen. Dies führt dazu, daß aus einer Vorlage zwei oder mehrere, frühere und spätere, fehlerhafte und weniger fehlerhafte Druckvarianten entstehen.(49) Weiterhin kann es sich im Verlauf des Auflagendrucks herausstellen, daß es sinnvoll ist, die ursprünglich angepeilte Auflage zu erhöhen. Auch dies ist eine Form der Korrektur des typographischen Prozesses. Von ihr haben schon Gutenberg und Schöffer bei der Fertigstellung der 42zeiligen Bibel Gebrauch gemacht.
Es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Faktoren, z.B. das Zerstören einzelner Lagen, die nach dem Anlaufen des Auflagendrucks zu einer Nachbesserung nötigen können. Wenn die ursprünglich verwendeten Druckformen zum Zeitpunkt dieser Ereignisse oder Entscheidungen schon abgelegt sind, wird ein Neusatz der entsprechenden Druckformen erforderlich. In der Buchforschung spricht man von ›Zwitterdrucken‹, um die dann entstehenden Bücher zu charakterisieren.
(50) Eine die Uniformität der typographischen Druckform nicht zerstörende und deshalb elegantere Form der Nachbesserung als die Preßkorrekturen sind die schon angesprochenen Druckfehlerverzeichnisse oder ›Errata‹. Sie werden auf Anweisung der Korrektoren, oft auch jene der Autoren, denen dann offenbar das schon fertige Werk zu einer letzten Durchsicht vorlag, an den Text angehängt.
»O wievyl sollich Irrung in geschribnen bücher ich erfunden hab«, klagt etwa H. Brunschwygk am Ende des von ihm verfaßten Destillierbuchs (Straßburg 1500, f. 004v), und führt dann zwei Spalten lang genau aus, welche Worte auf welchen Seiten in welchen Zeilen in seinem Buch ›durch den Leser‹ verändert werden sollen.
Der Charakter der Druckfehlerverzeichnisse als eine Korrektur der (Haupt)Korrektur der Korrekturen kommt auch in Johann Dietenbergers Bibelübersetzung aus dem Jahre 1534 zum Ausdruck. »Was durch eilen im truock vbersehen ist / findest du am ende dieser bibel«, heißt es in der Vorrede. Dort entschuldigt man sich dann beim ›aller guetigsten Leser‹: »Wiewol wir mueglichen fleyss nit gespart / Diß werck ... on allen manngel ... zu trucken / so hab(n) wir doch nach außga(n)g [!] desselbige(n) / zum andern mal solchs widerum(b) zu überlesen / kein verdrieß gehabt / damit dem lesterrer / nit stat vnd raum gegeben werd / diß heylig buoch zu tadeln vnd zu straffen / Vnd haben die noetigsten vnd fürnemsten faehle oder jrru(n)ge / so bißweylen hierinne / von wegen / der kurtzen / angesprengten zeit / darinn diß buoch zuo tra(n)sferirn / zu corrigern / vnd zu trucken fürgenommen worden ist / hiernach volgend angezeigt.«(51)
Nach dieser Betonung der Selbstkorrektur folgt dann noch der Hinweis auf die Notwendigkeit einer weiteren Korrektur durch die Leser: »Dann es ist vnmüglich das in solchen grossen büchern nit zu zeitten maengel vnd faehle solten übersehen / vnnd gespürt werden.« (Ebd.) Selbst das Druckfehlerverzeichnis wird nicht alle Mängel ausräumen. Der Prozeß der typographischen Datenverarbeitung ist so komplex, daß auch mehrfache, institutionalisierte Korrekturvorgänge nicht alle ›Irrtümer‹ beseitigen können. So wird auch der Leser in die Korrekturschleife mit einbezogen.

 

(1) Die Bibliographie im Anhang enthält eine Auswahl aus der kaum mehr überschaubaren Vielzahl von Werken, die sich mit der Geschichte der Alphabetisierung in Europa beschäftigen. Neben Cressy, Engelsing, Clanchy, dem Sammelband von Möller, Patze und Stackmann sie noch auf Carlo M. Cipolla: Literacy and Development in the West. Harmondsworth 1969, François Furet und Jacques Ozouf (Hg.): Lire et écrire. L´alphabetisation des Français de Calvin á Jules Ferrey, 2 Bde., Paris 1977 verwiesen. Die zunehmende Bedeutung skriptographischer Informationsverarbeitung im Mittelalter behandeln etwa Johannes Fried (Hg.): Schulen und Studium im sozialen Wandel des hohen und späten Mittelalters. Sigmaringen 1986, Peter Classen (Hg.): Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977 oder Hagen Keller: Oberitalienische Statuten als Zeugen und als Quelle für den Verschriftlichungsprozeß im 12. und 13. Jahrhundert, in: Frühmittelalterliche Studien – Jahrbuch des Instituts für Frühmittelalterforschung der Universität Münster, Bd. 22 (hrsg. von H. Keller und J. Wollasch, 286-314).
(2) Vgl. zum Problemkreis Paul Saenger: Silent Reading: Ist Impact on Late Medieval Script and Society. In: Viator 13, 1982: 367-414, Manfred Günter Scholz: Hören und Lesen. Studien zur primären Rezeption der Literatur im 12. und 13. Jahrhundert. Wiesbaden 1980. Michael Curschmann: Hören – Lesen – Sehen. Buch und Schriftlichkeit m Selbstverständnis des volkssprachlichen literarischen Deutschlands um 1200. In: Beitr. z. Gesch. der dt. Sprache und Literatur 106; 1984: 218-257; Franz Bäuml: Varieties and Consequences of Medieval Literacy and Illiteracy. In: Speculum 55, 1980: 237-256: Horst Wenzel: Partizipation und Mimesis, in: H. U. Gumbrecht u. K. L. Pfeiffer (Hg.): Materialität der Kommunikation, Ffm 1988: 178-202.
(3) Ein interessantes Phänomen sind in diesem Zusammenhang auch die sich im Spätmittelalter evtl. schon vor der Einführung des Druckes häufenden Klagen über die Beschleunigung des Lesens. Vgl. Helga Hajdu: Lesen und Schreiben im Spätmittelalter. Pécs (Fünfkirchen) 1931:28ff.
(4) So sieht es jedenfalls der Verfasser eines Gedichts ›Zu sonderlichen Ehren Der Lobwuerdigen Hochberuehmten Kunst Buchdruckerey‹, aus dem die in der Kapitelüberschrift zitierten Zeilen stammen. Abgedr. bei Hornschuch 1634 op. cit. 107-133, hier 124.
(5) Zu diesem engen Begriff des ›typgraphischen Kreislaufs‹ vgl. Martin Boghardt: Gegebenheiten deutschsprachiger Textüberlieferung seit dem Ausgang des Mittelalters: Der Buchdruck als Überlieferungsträger. In: W. Besch, O. Reichmann, St. Sonderegger (Hg.): Sprachgeschichte – ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung. Berlin/New York I. Halbbd. 1984: 223-228, hier 224.
(6) Die Gutenberg-Bibel wurde anfangs von zwei, später von sechs Setzern gesetzt.
(7) Vgl. Severin Corsten: Das Setzen beim Druck in Formen. In: Gutenberg-Jahrbuch 1984: 128-132.
(8) Vgl. Lotte Hellinga: Methode en praktijb bej het zetten van boeken in de vijtiende eeuw. Amsterdam (Proefschrift) 1974 sowie dies.: Caxton in Focus. The Beginning of Printing in England. London 1982 (hier 44-47).
(9) Eine gründliche Darstellung findet sich in dem anonym erschienen, aber vermutlich von Benjamin Krebs geschriebenen ›Handbuch der Buchdruckerkunst‹, Frankfurt 1827: 177ff. (In der Folge abgekürzt als Krebs 1827)
(10) Krebs 1827 op. cit. 290.
(11) Zum Schriftsystem Gutenbergs vgl. Gottfried Zedler: Gutenbergs älteste Type und die mit ihr hergestellten Drucke, Mainz 1934 sowie A. Ruppel 1967 op. cit., 112ff.
(12) Krebs 1827 op. cit. 290.
(13) ›Der edle Greif...‹ in H. Hornschuch 1634 op. cit. 120/21.
(14) Friedrich Bauer: Aus der Geschichte des Schriftsatzes. In: Gutenberg-Jahrbuch 1937: 24-29, hier 27. Freilich wissen wir auch aus den Skriptorien, daß die Zeilen und Kolumnen willkürlich, durch den Silberstift, begrenzt wurden. Zeilenausgleich an sich ist keine Errungenschaft des Buchdrucks. Aber hier wird er unumgänglich notwendig. Selbst beim ›Flattersatz‹ wird letztlich die Zeile ausgeglichen: durch Blindmaterial.
(15) Einen Überblick – mit Schemata und Abbildungen – über die modernen Techniken des Maschinen- und Fotosatzes bietet etwa ›Bruckmann´s Handbuch der Schrift‹, hrsg. vom E. D. Stiebner und W. Leonhard (München 19853), hier 152f.
(16) Zitiert nach der Übersetzung von C. Gerhardt, 1975 op. cit., 68.
(17) Eine genauere Darstellung ›von der Construction einer Buchdruckerpresse‹ gibt z.B. Krebs in seinem Handbuch (1827 op. cit.: 405ff.). Vgl. weiter Hans-Jürgen Wolf: Geschichte der Druckpressen, Frankfurt/M. 1974 und Karl Dieterichs: Die Buchdruckpresse von J. Gutenberg bis F. König. Mainz 1930.
(18) Gerhardt 1975 op. cit. 41, vgl. auch ders.: Warum wurde die Gutenberg-Presse erst nach über 350 Jahren durch ein besseres System abgelöst? In: Gutenberg-Jahrbuch 1971: 43-57 (Nachtrag im Gutenberg-Jahrbuch 172: 50).
(19) Gerhardt 1975 op. cit. 46.
(20) Michael Pollak: Incunable Printing with the Form Inverted: An Untenable Theory. In: Gutenberg-Jahrbuch 1973: 168-184, hier 168-171.
(21) »Zwischen Papier und Deckel befinden sich die Tücher (die Zwischenlagen). Sie werden«, vervollständigen Grevin/Plantin die Beschreibung, »durch den inneren Deckel festgehalten. Ohne diese Zwischenlage würde der Tiegel mit seiner großen Härte die Typen zerdrücken.« (Zit. n. der Übersetzung von Gerhardt 1975 op. cit. 70).
(22) Vgl. Gerhardt 1975 op. cit.: Anm. 240.
(23) Krebs 1827 op. cit. 466.
(24) Hornschuch 1634 op. cit. 122 (Lobgedicht auf die Buchdruckerkunst).
(25) Nicht nur die Autopsie der vorhandenen Exemplare spricht für diese Form des Zusammenlegens. Schon der kaiserliche Sekretär Enea Silvio de Piccolomini, der später als Pius II. gesalbt wurde, spricht in einem Brief vom 12.3.1455 an den Kardinal Juan de Caravajal davon, daß er von der Bibel , »einige Quinternionen ... in höchst sauberer und korrekter Schrift« in Frankfurt gesehen habe. Zit. n. Ferdinand Geldner: Enea Silvio de Piccolomini und Dr. Paulus Paulirinus aus Prag als Zeugen für die beiden ältesten Bibeldrucke. In: Gutenberg-Jahrbuch 1984: 133-139, hier 134. Vgl. auch Kapr 1987 op. cit. 164.
(26) Allerdings findet sich in der Inkunabelzeit bei diesem Format auch die Gepflogenheit, mehrere Bogen gleich aufeinanderzulegen, sie gemeinsam zu falzen, zu schneiden und zusammenzubinden. Vgl. Fébvre/Martin 1958 op. cit. 94f. Wurden zwei Bogen in dieser Weise nicht in-, sondern aufeinander gelegt, so ergibt sich für den ersten Bogen nicht der in der Abb. gezeigte Umbruch, sondern die Reihenfolge 1, 10, 8, 9 und 15, 2, 6, 7.
(27) Geldner 1978 op. cit. 28, vgl. auch Anm. 28 ebd.
(28) Der »weitaus größte Teil der Bücher der Frühdruckzeit kam ungebunden auf den Markt, doch lassen sich auch ›Verlegereinbände‹ nachweisen«, schreibt Hans Widmann (Geschichte des Buchhandels, Teil 1: Bis zur Erfindung des Buchdrucks sowie Geschichte des deutschen Buchhandels, Wiesbaden 1975: 78. Weitere Literaturnachweise ebd. S. 51, Anm. 28) Manche Drucker, so Konrad Dinkmut in Ulm und A. Koberger in Nürnberg, betrieben im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts Buchdruck und -binderei nebeneinander.
(29) Krebs 1827 op. cit. 704.
(30) A. a. O. 705.
(31) In dem Handbuch von Krebs (1827 op. cit., 477ff.) wird noch das ›Abtreten mit den Füssen‹ genannt. Spezielle Andruckpressen werden in »den Akten der Officina Plantiniana von 1621 erstmals erwähnt«. (Gerhardt 1975 op. cit. 68).
(32) Zit. N. der Übersetzung von Gerhardt 1975 op. cit. 68.
(33) Beispiele für häufige Setzerfehler gibt Hornschuch 1634 op. cit. 21 ff.
(34) Belege bei David Rogers: A Climpse into Günter Zainers Workshop at Augsburg c. 1475.In: L. Hellinga u. H. Härtel (Hg.): Buch und Text im 15. Jahrhundert, Hamburg 1981: 146-164. Plantin weist die Bogenkorrektur nicht einem speziellen Korrektor, sondern wiederum dem Setzer zu. Vgl. Gerhardt 1975 op. cit. 68.
(35) Der Sachverhalt wird von Hornschuch für selbstverständlich gehalten und nur deshalb erwähnt, weil das Zusammenspiel zwischen Vorleser und Korrektor offenbar problematisch ist und er deshalb hier vorwärtsweisende Tips geben will: .»Ferner ist dem Correctori zustaendig / sich also zu gewehnen / daß er im lesen zum wenigsten mit einem Worte den Lectorem zuvor komme. Denn auff diese Weise wird er etwas eher sehen / was zu corrigieren, vnd es auff den Rand zeichnen / ehe jhn noch der Lector mit dem Lesen vberholet. Doch will dem Lectori dißfalls gebueren / so er mercken wird / daß derCorrector, wegen Vielheit der Erraten, auffgehalten wird / daß er desto langsamer lese / oder ein wenig jnne halte.« (a. a. O., S. 19)
(36) Text bei Alfred Swierk: Johannes Gutenberg als Erfinder in Zeugnissen seiner Zeit. In: Hans Widmann (Hg.): Der gegenwärtige Stand der Gutenberg-Forschung, Stuttgart 1972: 79-90, hier 80f.
(37) Vgl. Ferdinand Geldner: Inkunabelkunde, Wiesbaden 1978: 186 und Hans Widmann 1975 op. cit. 55f.
(38) Hornschuch 1634 op. cit. 23; in der lateinischen Ausgabe von 1608, 21.
(39) Der Verfasser des ›Handbuchs der Buchdruckerkunst‹ ist da einige hundert Jahre später, 1827, skeptischer. Er geht davon aus, daß jede Druckerei nach unterschiedlichen ›Systemen der Orthographie‹ arbeitet und wünscht sich (nur), daß innerhalb der Druckereien bei ein- und derselben geblieben wird. Dazu sollen »die Regeln und alle die verschiedenen Bemerkungen ... auf Tafeln in der Druckerei und in dem Lesezimmer aufgehangen werden«. (Ebd. 705).
(40) Vgl. zu diesem Verfahren des ›Cancellierens‹ (und anderen Korrekturformen) Martin Boghardt: Gegebenheiten deutschsprachiger Textüberlieferung seit dem Ausgang des Mittelalters: Der Buchdruck als Überlieferungsträger, in: W. Besch, O. Reichmann, St. Sonderegger (Hg.): Sprachgeschichte – ein Handbuch zur Geschichte der deutschen Sprache und ihrer Erforschung, 1. Halbbd. Berlin/New York 1984: 223-228, hier 224.
(41) Vgl. hierzu und zum Korrekturwesen der Frühdruckzeit überhaupt D. Rogers 1981 op. cit.
(42) Ein solches System druckt Hornschuch 1634 op. cit. ab.
(43) Hornschuch 1634 op. cit., 37/38; in der lateinischen Ausgabe von 1608 S. 34.
(44) Übersetzung nach F. Geldner 1978 op. cit. 186.
(45) Eine entsprechende Einschränkung macht auch Hornschuch (1634 op. cit.) am Ende seiner Vorrede. Vgl. A2v in der deutschen bwz. A6v in der lateinischen Ausgabe.
(46) Hier zit. n. der Ausgabe Straßburg 1532, a2r.
(47) Aus der Vorrede von O. Brunfels zum eben genannten Werk, a3r.
(48) Vgl. Geldner 1978 op. cit. 130f. mit weiterer Literatur.
(49) Vgl. Boghardt 1984 op. cit. 224.
(50) Johannes Luther: Zwitterdrucke in der Reformationszeit. In: Zeitschrift für Bücherfreunde. NF I, I; 1990:
109-114.  
(51) Facsimilé der letzten Seite der Vorrede bei Hans Widmann (Hg.): Der deutsche Buchhandel in Urkunden und Quellen, Bd. 2, Hamburg 1965: 19.
 
 
 

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