Die vergleichende und planerische Aufgabe des
Setzers (bzw. heute des Herstellers) beginnt schon vor dem eigentlichen
manuellen Vorgang des Setzens.(4) So
ist das Format des Buches festzulegen; über die Typen des Drucks,
das Zeilenmaß und den Durchschuß (Zeilenabstand) muß
entschieden werden. Man macht sich Gedanken über die Seitenaufteilung,
die Gestaltung der Kapitel und Überschriften, die Anordnung der Fußnoten
u.v.a.m.
Viele, vor allem selbstreferentielle Informationen, die ein gedrucktes
Buch heute charakterisieren: Titelblatt, ausführliches Inhaltsverzeichnis,
Register, Literaturnachweise und Errata (Druckfehlerverzeichnis) waren
in den Manuskripten, die im 15. Jahrhundert in die Druckerei gelangten,
gar nicht oder nur ganz rudimentär enthalten. Hier mussten über
kurz oder lang in der Druckerei und nach ihren Prinzipien die entsprechenden
Daten gesammelt und den Setzern vorgelegt werden.
Da die Druckereien von Anbeginn in aller Regel und im Gegensatz zu den
meisten anderen bis in die Neuzeit hinein üblichen Informationssystemen
als kommerzielle Unternehmen geführt wurden, stellte man von vornherein
auch ökonomische Kalkulationen an. Da jede Druckerei nur einen begrenzten
Vorrat an Lettern auf Lager halten konnte und jede Vergrößerung
desselben Kosten verursachte, mußte den Druckereien an einer Beschleunigung
des typographischen Kreislaufs gelegen sein; mit möglichst wenig
Lettern sollte möglichst viel gedruckt werden.(5)
Dies setzte eine schnelles Ausdrucken der fertigen Form, Säubern
und Aufschließen derselben sowie eine unverzügliche Ablage
der gerade benutzten Lettern voraus. Wie die Betrachtung des Umbruchs
aber noch zeigen wird, ist eine solche Auflösung der Druckformen
beim bogenweisen Satz nicht immer sogleich möglich.
Hier sei das Problem nur angedeutet: Wenn ein Setzer etwa bei einem Foliendruck
der Textvorlage Zeile für Zeile folgen will, das Werk bogenweise
gedruckt und diese in Fünferlagen (Quinternionen) zusammengelegt
werden soll, so müssen theoretisch erst alle 20 Seiten dieser Lage
gesetzt werden, bevor mit dem Druck und anschließend an diesen dann
mit dem Ablegen begonnen werden kann. Der äußerste Bogen enthält
bei dieser Anordnung nämlich sowohl die erste als auch die letzte
Seite des Textes.
Wenn die Arbeit nicht unterbrochen werden sollte, dann empfahl es sich
in der Druckerei, neben dem Letternmaterial für diese Lage auch noch
einmal die gleiche Menge für die nächste Lage zur Verfügung
zu halten. Ansonsten entstehen für den Setzer längere Zwangspausen,
wenn der Drucker arbeitet und umgekehrt. Die Anforderungen an den Letternvorrat
erhöhen sich noch dann, wenn man, was ja schon bei Gutenbergs Bibeldruck
üblich war, mit mehreren Setzern arbeitsteilig vorgehen wollte.(6)
Dann mußten für diese auch noch einmal
gefüllte Setzkästen bereitgestellt werden.
Es gibt nun verschiedene Theorien darüber, wie die Setzer in der
frühen Neuzeit vorgegangen sein könnten, um den skizzierten
Aufwand an Lettern zu reduzieren.(7)
In der Praxis laufen sie alle darauf hinaus, daß die Setzer im vorhinein
errechneten, auf welche Seiten in etwa welche Textpassage des Manuskripts
zu stehen kommt. Daß solche Berechnungen zumindest gelegentlich
auch schon im 15. Jahrhundert vorkamen, belegt eine Handschrift, nach
der 1485 in Haarlem ein Druck angefertigt wurde. In dieser Handschrift
markierte man offenbar schon vorab jene Stellen, an denen der oder die
Setzer neue Seiten beginnen sollten. Kam es beim Satz zu Schwierigkeiten,
die geplante Einteilung einzuhalten, so scheint der damalige Setzer auch
vor Eingriffen in den Text der Vorlage nicht zurückgeschreckt zu
haben.(8)
In den Handbüchern zur Buchdruckerkunst späterer Jahrhunderte
werden genauere Hinweise zur ›Berechnung des Manuskripts‹
gegeben. Selbst Tabellen, aus denen die Setzer entnehmen können,
wie viele Manuskriptseiten jeweils wie viele Formen ergeben, fügt
man diesen Werken bei. (Vgl. Abb. 9) Die Berechnungsmethoden, die auf
Auszählen der Worte im Manuskript und auf dem Bildern von Durchschnittswerten
beruhen, hier im einzelnen aufzuführen, würde zu weit führen.(9)
Ziel der Berechnung ist es jedenfalls, eine Grundlage für die Entscheidung
über Schriftgröße, Format, sowie über die Verteilung
der Arbeit unter die Setzer und für die Auswahl der Satzabschnitte
zu schaffen.
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