Auf diese Form einer ›Korrektur‹ wurde
unter dem Stichwort ›berechnen‹ schon bei der Darstellung
des Setzvorgangs kurz hingewiesen: Das Manuskript muß für die
Bedürfnisse der gewählten Maschinensprache, des Umbruchs und
des Layouts umstrukturiert werden. Diese ›Verbesserungen‹
sind in der Abb. 15 als ›Vorkorrektur‹ berücksichtigt.
Der zweite Schaltkreis, die Satzkorrektur, ermöglicht die Überprüfung
der fertigen Druckformen.
Diese Überprüfung setzt einen Probeabzug der Form voraus. Dieser
kann durch Einfärben der Form, Auflegen eines Papiers und Abreiben
desselben mit einer Bürste (Bürstenabzug), durch Einlegen der
nur lose eingebundenen Form in eine Andruckpresse oder durch den ›Probedruck‹
in der normalen Presse erfolgen.(31) Das
letztere Verfahren ist bei der schematischen Darstellung zugrundegelegt.
Grevin/Plantin schreiben über diese Korrekturphase: »Der
Setzer übergibt die fertige Form den beiden Druckern, die an der
Presse arbeiten. Sie machen zunächst einen Andruck. Der Setzer muß
dann die Form wieder aufschließen, falsche oder fehlerhafte Typen
mit der Ahle herausholen und durch die richtigen ersetzen. Zwischenräume
füllt er mit Ausschluß, Spatien oder abgebrochenen Typen. Dann
justiert und schließt er die Form erneut.«(32)
Selbst in einer so großen Druckerei wie derjenigen
Plantins wird die erste Korrektur in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
also zunächst noch allein von dem Setzer ausgeführt. Es handelt
sich demnach bei dieser Schleife um eine (Selbst-)Korrektur des Satzes
durch den Setzer. Er wird sich hierbei weniger um den Inhalt als vielmehr
um die Ausmerzung ›technischer‹ Schnitzer gekümmert haben:
Umdrehen von Buchstaben – insbesondere Lang-s und o –, die
im Satz auf dem Kopf stehen, Auswechseln von Buchstaben, die, oft schon
beim Ablegen, vertauscht wurden, Verbessern von Wortwiederholungen und
-auslassungen vor allem am Zeilenbeginn usf.(33)
Die dritte Korrekturschleife, in dem Schema wird
sie als ›Hauptkorrektur‹ bezeichnet, setzt nach dem Zusammenlegen
der Lagen oder – bei kürzeren Schriften – des gesamten
Textes ein. Sie kann sich, weil sie am Ende der typographischen Informationstransformation
steht, auf allen Phasen des Ablaufs und damit auch auf die vorherigen
Korrekturversuche beziehen. Zum Leidwesen der Setzer finden hier auch
immer wieder Veränderungen des ursprünglichen, vorkorrigierten
Manuskripts statt. Die grundlegende Funktion dieser Phase ist aber, die
normgerechte Anwendung der Maschinensprache des Buchdrucks zu überprüfen.
So achtet der Korrektor zunächst auf eine einheitliche Orthographie.
Dies empfiehlt sich zumal dann, wenn mehrere Setzer arbeitsteilig mit
einem Text zu tun hatten. Des weiteren können in dieser Phase auch
der Umbruch und die Einteilung der Lagen verändert oder Fehler beim
Zusammenlegen rückgängig gemacht werden.
Dafür, daß die Hauptkorrektur erst beginnt, nachdem eine ganze
Lage gesetzt und gedruckt ist, gibt es schon aus dem 15. Jahrhundert Hinweise.(34)
Da nur bei dieser Arbeitsorganisation ein fortlaufender Text vorliegt,
kommt auch nur für diesen Fall das von H. Hornschuch erwähnte
Beschleunigungsverfahren für den Korrekturprozeß in Frage.
Er spricht davon, daß ein ›Lector‹ das Manuskript laut
vorliest und der ›Corrector‹ unterdessen den Text auf den
(Probe-)Druckbögen mit dem Gehörten vergleicht.(35)
Bei anderen Gelegenheiten dürfte es andererseits auch vorgekommen
sein, daß ein Korrektor schon die Bürstenabzüge der Bögen
erhält, um mit den einzelnen Schritten seiner Tätigkeit unverzüglich
beginnen zu können.
Die vielfältigen Aufgaben der Hauptkorrektur scheinen schon frühzeitig
die Einrichtung eines eigenen Korrektorats und seine Besetzung mit einer
speziell ausgebildeten Person erforderlich gemacht zu haben. Peter Schöffer
berichtet im Kolophon seiner Ausgabe der ›Instutitiones‹
des Justinian 1468 davon, daß er extra eine Person angestellt habe,
um den Text dieses Werkes gewissenhaft korrigieren zu lassen.(36)
Auch aus anderen Dokumenten weiß man, daß
sich Verleger Gelehrte leisteten, die gleichsam als ›wissenschaftliche
Berater‹ Editorenarbeit vornahmen und die Verleger bei schwierigen
Texten berieten.(37) In dieser
Eigenschaft werden sie vermutlich auch schon bei der Vorkorrektur eingespannt
worden sein.
Wenn die Sachkenntnis vielleicht nur in wenigen Offizin von dem Korrektor
gefordert wurde, so dürften gründliche Sprachkenntnisse jedoch
unverzichtbar gewesen sein. In den meisten Druckereien arbeitete man zweisprachig
und nahm Vorlagen sowohl in der lateinischen Sprache als auch in der Muttersprache
entgegen.
Hornschuch, der in seiner Orthotypographia eine Vielzahl von Leistungsmerkmalen
eines guten Korrektors auflistet, wettert des weiteren über die ›Schande‹,
daß sich so wenige seiner Standesgenossen um die ›Orthography
oder rechte Schreiberey‹ in der ›teutschen Sprache‹
kümmerten.(38) Ihm dünkt
es »gantz nuetz vnd nothwendig«, daß sich die
›Druckereyen‹ vor »Nachlaessigkeit/vnd Vnbestaendigkeit
im Schreiben« in ›acht‹ nehmen. (Ebd.
24) »Denn was die gemeinen Schreiber anlanget«, so
vermeldet er sichtlich unzufrieden, scheint es sicher, »daß
sie dieses so viel achten werden/als der Mond des Hundes bellen«.
(a. a. O.) Wenn wir Hornschuchs Absichten richtig verstehen, so sollen
die Korrektoren als Regulativ für den Sprachgebrauch nicht nur der
Drucker, sondern auch darüberhinaus aller Schreiber wirken. Die von
ihm – und von vielen anderen Zeitgenossen des 15. und vor allem
des 16. Jahrhunderts – gewünschte Vereinheitlichung der vielen
Kodes der verschiedenen Informationssysteme kann und soll seiner Ansicht
nach von den Druckereien und in diesen von den Korrektoren ausgehen.(39)
Entsprechend dieser vielfältigen Korrekturaufgaben
gibt es auch unterschiedliche Interventionsformen, die früher oder
später in den Transformationsprozeß im Typographeum eingreifen
und ihn somit mehr oder weniger weit zurückspulen. Größere
Veränderungen an der Manuskriptvorlage, die in Form von Ergänzungen
zum Probeabzug erfolgen, führen zum Neusatz ganzer Seiten oder Bögen.
Der Druck kann, wenn der geplante Umbruch nicht mehr verändert werden
soll, auf Doppel- oder Einzelblättern, sogenannten ›Kartons‹,
ausgeführt werden, die man anschließend in die Lagen einfügt.(40)
Anderenfalls müssen die Ergänzungen bzw.
Streichungen von Seite zu Seite in den Druckformen schrittweise ausgeglichen
werden. Dies funktioniert natürlich nur, wenn die Druckformen der
verschiedenen Bögen noch vorhanden sind, der Satz noch nicht abgelegt
ist. Kleinere Korrekturen ließen sich durch eine Erhöhung der
Zeilenzahl auf der fraglichen Seite durchführen. So schwankt etwa
in dem ›Compendium librorum sententiarum‹ des Johannes
de Fontes die Anzahl der Zeilen pro Seite zwischen 35 und 41.(41)
Man mag daraus ersehen, wie schwierig eine exakte Vorausplanung des typographischen
Transformationsprozesses (anfangs) war.
Im Laufe des 16. Jahrhunderts entwickelten die Korrektoren ein eigenes
Zeichensystem, um die Druckfehler des Setzers in unmißverständlicher
Form auf den Rändern der Probedrucke anzuzeigen.(42)
In unserer Gegenwart erfolgt in guten Verlagen unmittelbar
nach der Verlags- die Autorenkorrektur. Letztere dürfte im 15. und
16. Jahrhundert eher die Ausnahme gewesen sein. Hornschuch hält sie
zu Beginn des 17. Jahrhunderts für überflüssig, mehr noch,
für einen Mißtrauensbeweis gegenüber den ›Correctoren‹,
die ohnehin ›alles zwey= oder dreymal überlesen‹.(43)
Stattdessen sei es besser, wenn sich die Autoren die Abgabe lesbarer und
fehlerfreier Manuskripte zur Aufgabe machten. Andererseits gibt es schon
aus dem 15. Jahrhundert Beispiele für eine Autorenkorrektur. So schreibt
Petrus Niger im Schlußwort seines 1475 bei K. Feyner in Esslingen
gedruckten ›Tractatus contra Judeus Perfidos‹, er
habe ›sein Werk mit eigener Hand geschrieben und in seiner Gegenwart
setzen lassen‹.(44)
Bei den damaligen Verkehrsverhältnissen scheint also jedenfalls die
Anwesenheit des Autors am Druckort eine Voraussetzung für diese Form
der Korrektur zu sein.(45)
Nun liest man in den Vorreden zu Drucken des 15.
und 16. Jahrhunderts immer wieder, daß die Autoren nach der Drucklegung
ihr eigenes Werk kaum mehr wiedererkannt hätten. L. Fries vermeinte
nach Erscheinen seines ›Spiegels der Arznei‹ ein
›Moerwunder‹ geboren zu haben.(46)
Otho Brunfels, der Herausgeber jenes Werkes, beteuerte, die Vorlage
›lauter und wohlkorrigiert‹ dem Drucker ›überantwortet‹
zu haben.(47) Er schreibt
die Versäumnisse dem ›Unverstand der ungelehrten Setzer
und auch den unfleißigen Korrektoren‹ zu. (Ebd.) Aus
diesem Grund hält er es – gleich vielen anderen zeitgenössischen
Autoren – für nötig, eine verbesserte Neuauflage zu veranstalten.
Er hat sich dazu ›mitsampt dem Trucker‹ zusammengesetzt
und das ›Exemplar wider überlesen und gebessert‹,
um so die Fehler der ›unberichten Setzer‹ auszumerzen.
(Ebd.)
Diese Äußerung von Brunfels mag man einerseits als Indiz dafür
deuten, daß die Autoren tatsächlich erst das fertige Exemplar
ihres Werkes zu Gesicht bekamen – andererseits zeigt sich hier eben
auch eine weitere, die einzelnen Offizin überschreitenden Korrekturmöglichkeit:
der verbesserte Neudruck.
Wahrscheinlich ist allerdings auch für die frühe Neuzeit schon
eine andere Form der Einbeziehung der Autoren: Man schickte ihnen den
fertigen Druck und gab ihnen die Möglichkeit, Druckfehler auf einem
gesonderten Bogen am Ende des Buches aufzulisten. Diese Druckfehlerberichtigungen
sind ein Produkt der letzten noch zu behandelnden Korrekturschleife, des
›Nachbesserns‹.
|