Der Umbruch
  Aus: Michael Giesecke: „Der Buchdruck in der frühen Neuzeit“
Eine historische Fallstudie über die Durchsetzung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien. suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Frankfurt am Main, 1998, S. 87-123.
 

Die fertige Seite konnte Gutenberg beim Druck seiner Bibel vom Satzschiff gleich in die Druckform legen, verschließen und drucken lassen. Wie schon erwähnt, verkompliziert sich das Verfahren enorm, sobald man bogenweise druckt und beim Binden ineinanderlegen will. In diesem Fall muß viel Text auf Vorrat gesetzt und solange zur Seite gelegt werden, ehe man mit dem Umbruch beginnen kann. Wie viele Seiten hier zu setzen sind, hängt vom Format, der Art der Falzung und des Zusammenlegens ab.

Schema
Abb. 12: Umbruch des Bogens beim Druck im Quartformat

Nehmen wir an, ein Buch soll im Quartformat erscheinen, bogenweise gedruckt und die Bögen später nicht ineinandergelegt, sondern nacheinander gebunden werden, so ergibt sich für den Setzer beim Umbruch die folgende Aufgabe: Er wird den Text zunächst soweit setzen, bis er 8 Seiten zusammenbekommt. Diese kann er dann auf den Schließstein legen und in der Weise anordnen, wie sie in der Abb. 12 dargestellt ist. Es zeigt sich, daß die Seiten keineswegs in ihrer textgegebenen Reihenfolge in die Druckform wandern. Vielmehr kommt beim ersten Druckvorgang auf der sogenannten ›Schöndruckseite‹ des Bogens die Seite 1 neben der Seite 8 zu liegen. Erst wenn diese letzte Seite gesetzt ist, kann die Druckform also geschlossen werden.
Würde man in diesen Bogen noch einen zweiten oder gar dritten einlegen, was bei kleineren Werken das Binden durchaus erleichtert, so kommt neben der Seite 1 beim Umbruch Seite 16 bzw. 24 zu liegen. Entsprechend mehr Textseiten mußten also bei gleicher Satztechnik bewältigt werden, ehe zum Druck geschritten werden konnte.
Um bei dieser komplizierten Textorganisation nicht durcheinanderzukommen und um eine Orientierungsgrundlage für das spätere Zusammenlegen zu schaffen, signierte man die jeweils erste Seite eines Druckbogens mit Buchstaben in der Folge des Alphabets unterhalb des Textes. Seitenzahlen werden demgegenüber in Deutschland erst frühestens in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts häufiger gebraucht. Nach dem Umbruch hob man die, vermutlich mit Bändern zusammengehaltenen, gesetzten Seiten in den Schließrahmen. »Der Schließrahmen ist« so heißt es 1567 bei Grevin/Plantin, »aus sechs eisernen Schienen gebaut – vier bilden den Außenrahmen und zwei (kreuzweise) die innere Einteilung(16) für vier Seiten –, aber das hängt vom Buchformat ab: Entspricht das volle Format nur einer Seite, so braucht man keine innere Einteilung.« Im nächsten Schritt wird die Druckform aufgefüllt und geschlossen. »Das Schließen erfolgt«, so schreiben Grevin/Plantin weiter, »mit hölzernem Schließzeug (verschiedenen Stegen und Regletten) sowie Keilen, die den gesamten Satz von allen vier Seiten nach innen zusammenpressen. Vorher wird er sauber in der Höhe justiert.« (Ebd.) Die mit Kopf-, Außen-, Fuß- und Bundstegen zusammengeschlossene Druckform kann dann die Setzerei verlassen und dem Drucker zur Aufbewahrung und/oder zum Druck übergeben werden.


 
(16) Zitiert nach der Übersetzung von C. Gerhardt, 1975 op. cit., 68.
 
 
 

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