Die Druckfarbe mag, nachdem die Bögen drei
oder vier Tage auf Leinen hingen, die zumeist oben in den Druckerstuben
angebracht waren, soweit abgetrocknet gewesen sein, daß man an den
nächsten Arbeitsschritt gehen konnte. Wenn es um seitenstarke Bücher
ging, dann wird man die signaturgleichen Bögen zunächst so lange
gestapelt und gepresst haben, bis sich genügend Material angesammelt
hat. Beim anschließenden Zusammenlegen kann die Ernte der Planungsphase
und des Umbruchs eingebracht werden: Die Bögen sind ja schon so gedruckt,
dass nach dem Falzen, Zusammenlegen und ggf. Schneiden der Text fortlaufend
gelesen werden kann.
Von der 42zeiligen Gutenberg-Bibel weiß man, dass sie in Quinternionen
zusammengelegt wurde.(25)
Je fünf in der Mitte gefalzte Bögen schob man ineinander und
bildete dadurch eine ›Lage‹. Andere übliche Lagen nennt
man Duernio, Triternio, Quarternio oder Sesternio. Sie bestehen aus zwei,
drei, vier bzw. sechs Bögen oder aus vier, sechs, acht oder zwölf
Blatt – wenn es sich um ein Folioformat und damit um eine einmalige
Falzung des Bogens handelt. Auch beim Quartformat war es üblich,
mehrere Lagen ineinanderzuschieben.(26)
Bei kleineren Formaten plante man, wegen der begrenzten Falzungsmöglichkeiten,
von vornherein auch das Einlegen von Halb- oder Viertelbögen ein.
Diese Technik findet sich allerdings auch schon in der Handschriftenzeit.(27)
Texte, die nur aus einer Lage bestehen, lassen sich
relativ leicht durch eine Fadenheftung zusammenbinden. Zahlreiche ›Broschüren‹
wurden auf diese Weise äußerst kostengünstig, gleichsam
als Paperback, für den Markt zugerichtet. Pergament-, Papp- oder
gar Lederdeckel konnten auf diese Weise eingespart werden. Manchmal bedruckte
man die Umschlagseite mit einer Titelangabe; oftmals, wie z.B. bei einigen
Ausgaben des ›Büchleins von den gebrannten Wassern‹
des Michael Schrick, ließ man die äußere Seite unbedruckt
und begann auf der ersten Innenseite mit Titel und Text. Über diese
billige Bindepraxis läßt sich schwer etwas Genaueres sagen,
weil die überkommenen dünnen Exemplare in unseren Bibliotheken
meist nachträglich in Sammelbände eingefügt wurden. Dies
gibt ihnen ein dauerhafteres und zuweilen gewiß auch kostbareres
Aussehen, als sie es vermutlich ursprünglich einmal besaßen.
Jedenfalls gilt es zu bedenken, daß Druckerzeugnisse, die lagenweise
oder doch nur mit einfacher Fadenheftung abgegeben wurden, rasch und wohlfeiler
an den Kunden gebracht werden konnten, als dies bei den gebundenen Exemplaren
der Fall ist, die wir gemeinhin im Auge haben, wenn wir von ›gedruckten‹
Büchern sprechen.
Vermutlich wurden anfangs die meisten ›Bücher‹ lagenweise
(in Fässern) verpackt aus den Druckereien geschafft, transportiert
und verkauft. Erst dem Käufer blieb es also vorbehalten, die Druckerzeugnisse
zu binden.(28) Sein Geschmack
und Geldbeutel bestimmte somit die endgültige Gestalt des Buches.
Es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich vorzustellen, wie viele
›Bücher‹ bei dieser Praxis niemals zusammengebunden wurden.
Sie haben kaum Aussicht, überliefert und von den Sozialhistorikern
der Buchgeschichte berücksichtigt zu werden.
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