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Der Produktionsvorgang des Ukiyo-e-Holzschnitts |
Aus: Hempel, Rose (Hrsg.): Meisterwerke des japanischen Farbholzschnitts. Die Sammlung Otto Riese. München / New York 1997, S.19-21. |
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Jeder beliebige japanische Holzschnitt von der Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ist als Gemeinschaftswerk einer Gruppe von Handwerkern entstanden, gleichgültig, ob es sich um einen schlichten Schwarzdruck oder um einen raffinierten Vielfarbendruck handelt. Auf fast allen Einblattdrucken findet man den Namen des Holzschnittzeichners aufgedruckt, der den Entwurf und eine bis ins kleinste ausgefeilte Vorzeichnung in Tusche schuf.
In der Regel schnitt der
Künstler jedoch die Druckplatten nicht selbst. Die technische Ausführung
übernahmen andere Zweige des weitgehend spezialisierten Kunsthandwerks.
Plattenschneider (horischi 彫師) fertigten die Druckplatten
an und Drucker (surishi 摺師) besorgten das individuelle
Abziehen der 200 oder mehr Blatt hohen Auflagen. Diese Handwerker blieben
meist anonym. Nur auf den frühesten, privat gedruckten Vielfarbendrucken
von 1764/65 sind ganz vereinzelt neben dem Namen des Malers und dem des
>Inspirators< – etwa dem Vorsteher eines Dichterklubs –
gleichrangig die des Plattenschneiders und des Druckers angegeben. Beiden
kam ein großes Verdienst am Entstehen der frühen nishiki-e
錦絵, der raffiniert gedruckten >Brokatbilder<, zu.
[...]
Die Umwandlung einer reinen Schwarzweißzeichnung des Meisters in einen Holzschnitt begann mit dem Schneiden einer Grund- oder Umrissplatte. Der Plattenschneider klebte das Original, eine auf hauchdünnem Papier angelegte Zeichnung, mit der Vorderseite auf den Druckstock, der etwa 3 cm dick aus dem Langholz der Kirsche, seltener der Magnolie geschnitten war. Das dünne Papier (usomino-gami) ließ die Tuschelinien durchscheinen und wurde dann Faser um Faser so weit abgetragen, dass selbst die feinsten Linien deutlich zu erkennen waren. Mit Messern, Sticheln und Meißeln umschnitt der Plattenschneider genau die Linien und hob die zwischen ihnen liegenden Holzpartien heraus, bis das Tuschegerüst der Zeichnung allein in erhabenen Stegen stehenblieb, die Vorzeichnung jedoch vernichtet war. Beim Schwarz- oder Tuschendruck (sumizuri-e) war die Arbeit des Plattenschneiders damit beendet. Beim Mehrfarbendruck erhielt der Zeichner nun ein Bündel von Probeabzügen (kyôgôzuri) von der Grundplatte. Er ferigte für jede gewünschte Farbplatte eine einzelne Vorlage an, indem er in die vorgesehenen Felder schriftlich den gewünschten Farbton eintrug. War danach der ganze Satz der Farbdruckplatten geschnitten – oft bis zu zwölf –, trat der Drucker in Aktion. Erbegann mit der Vorbereitung des Papiers, das für eine Auflage oder ein Tagespensum mit Leim präpariert und gut durchfeuchtet bereitliegen musste.
[...]
Der japanische Holzdruck
ist Handdruck, eine Druckerpresse benutzt man nicht, da man in Japan wegen
der größeren Feinfühligkeit dem manuellen Abziehen den
Vorrang gab. Der Drucker orientierte sich beim Auflegen des befeuchteten
Papiers auf die eingefärbte Druckplatte an den Passmarken (kentô
und hikime), einem rechten Winkel außerhalb der rechten
unteren Bildecke und einer Geraden parallel zum äußeren unteren
Bildrand. Von diesen Marken ausgehend, drückte er das Papier mit
dem Reiber (baren) in spiralförmigen Bewegungen auf, Der
baren ist eine runde Scheibe aus geflochtenen Bambusstroh-Schnüren,
bedeckt von einem gelackten, tellerförmigen Deckel und zusammengehalten
von einem Bambusblatt, das auf der Oberseite zu einem Griff zusammengedreht
ist. Jeder Drucker fertigte sich seine baren selbst an. Die Qualität
eines Holzschnitts beurteilt man nicht zuletzt nach der Qualität
des Druckes. Erstdrucke, deren Herstellung der Künstler selbst überwachte,
zeichnen sich durch eine reliefartige Prägung des Papiers auf der
Bildseite und den feinen Glanz auf der Rückseite aus, der durch den
geölten baren hervorgerufen wurde. Unter den technischen Besonderheiten
ist die Blindpressung (frz. Gauffrage, jap. karazuri = Leerdruck)
zu nennen. Dafür ist eine eigene Druckplatte nötig, die –
nicht eingepresst – kräftig in das Papier eingepresst wird.
Findet man die zwischen den Stegen liegenden Partien dazu noch plastisch
ausgebeult, so spricht man von Konturprägung (kimekomi).
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