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Was wurde in den frühen Hochkulturen verschriftet? |
aus Burkhard Kienast Keilschrift und Keilschriftliteratur, in: Frühe Schriftzeugnisse der Menschheit |
Die
Tatsache, dass gerade die ältesten Texte in Assyrien fast ausschließlich
Listen administrativen Inhalts darstellen, zeigt deutlich die Gründe
die für Erfindung der Schrift; sie wurde bewusst geschaffen in dem
Bestreben, der Verwaltung der Tempelgüter ihre Tätigkeit zu
erleichtern.(45) Die ältesten Texte enthalten jeweils nur als Zahlzeichen erkannte Symbole, auf die immer nur wenige Zeichen folgen. Diese zeigen noch einen stark bildhaften Charakter: Jedes Zeichen repräsentiert eine vereinfache Darstellung eines gegeben Gegenstandes, wobei komplizierte Bilder, wie etwa Menschen in bestimmten Haltungen, bewusst vermieden werden. (46) Die Schrift ist damit nur in höchst begrenztem Maße zu echter [ ] Kommunikation brauchbar.(47) In scharfem Kontrast zu dieser durchsichtigen Schreibweise stehen freilich die Fachbücher der antiken Gelehrten, deren oft formelhafter Jargon durch ein irritierendes System von Wortzeichen, verbunden mit Aussprachehinweisen, verschleiert wird: Dem Nicht-Eingeweihten soll bewusst der Zugang zum Verständnis erschwert oder unmöglich gemacht werden.(48) Kienast unterscheidet drei Gruppen von Schrifttum jener assyrischen Zeit: Texte der täglichen Praxis Hierunter fallen von Liebesbriefen, diplomatischen Nachrichten bis Verwaltungsurkunden und Verträgen alle möglichen Schriftstücke. Eine klare Systematisierung ist bei Kienast nicht zu erkennen. Die staatliche Verwaltung der sog. dritten Dynastie von Ur im ausgehenden 3. Jahrtausend v. Chr. hat uns weit über 50.000 Wirtschaftsdokumente hinterlassen.(51) Wissenschaftliche Texte Dazu gehören etwa: Mathematische Tabellen und Aufgabensammlungen, astronomische Listen, pharmazeutische Vorschriften, Rezepte, Anweisungen zur Glasherstellung oder auch eine Anleitung zu Trainierung von Wagenpferden.(52) Dichtung Nur wenige Bauernschriften und Annalen der verschiedenen Herrscher sind überliefert. Neben dieser chronikartigen Literatur gibt es einzelne Traktate religiösen Inhalts. Erst ab dem 12. / 13. Jahrhundert v. Chr. tritt ein Babylonien so etwas wie belletristische Literatur auf. Ägpyten, Altes Reich Diese Texte (Listen) sind zumeist in Tempeln gefunden, was frühere Wissenschaftler zu der Vermutung Anlass gab, dass es sich hierbei um kultische Schriftverwendung handelt. Alle Texte können, wie im einzelnen gleich anzuführen, aus der Sphäre von Verwaltung und Recht stammend verstanden werden (Schenkel 23). Schenkel unterscheidet folgende Textsorten aus jener Zeit: |
a) | Aktenauszüge (Besitzerwerbsurkunden, Dienstleistungsverträge, königliche Zuweisung) |
b) | Feststellung der Personen, die das Begräbnis besorgten |
c) | Feststellung der ordnungsgemäßen Bezahlung der mit Grabbau und Bestattung beauftragten Personen |
d) | Androhung von Sanktionen gegen alle, die das Grab beschädigten |
e) | Forderungen an die Vorübergehenden, dem
Toten ein Gebet zu sprechen. Daneben findet man noch in den Göttertempeln Reden, in denen den Königen Gaben zugewiesen werden. |
Man
kann also im Großen und Ganzen sagen, dass neben den ersten schriftlichen
Aufzeichnungen, die ausschließlich aus Listen bestanden, sehr bald
die Verschriftung von einzelnen Sprechakten (Androhung, Forderung) traten. Man muss im Übrigen beachten, dass funktionale Zuweisung der Schrift an einen Bereich wie Wirtschaft oder Kult für das Altertum fragwürdig sind, weil diese Bereiche gesellschaftlich nicht in dem Maße als Subsystem ausdifferenziert sind, wie wir das heute gewohnt sind. |