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Kommunikation als normatives Konzept |
Was informativ und was Kommunikation ist, definiert jede
Gesellschaft selbst - und über die Jahrhunderte hinweg in immer unterschiedlicher
Weise. Für die mittelalterlichen Christen waren Engel und Heilige Kommunikationspartner, noch Luther sah den Teufel leibhaftig vor sich und sprach mit ihm: die belebte und unbelebte Natur, wurde als göttliches Zeichen und damit als Kommunikationsmedium interpretiert. In einfachen Kulturen ist es nichts ungewöhnliches mit Bäumen oder Steinen zu kommunizieren. Für die östlichen Kulturen waren und sind zum Teil noch innere körperliche Regungen informativ, die das auf visuelle Wahrnehmungen getrimmte europäische Denken nicht ernst nimmt. Z. B. berücksichtigt es die Chakren, die Kraftlinien im Körper, um Auskunft über das individuelle Befinden zu erlangen. |
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Wenn es richtig ist, daß alle Kommunikationssysteme
selbst bestimmen, was sie für Kommunikation halten, dann können
auch die Wissenschaftler, zumal die Kommunikationswissenschaftler in ähnlicher
Weise normativ festlegen, unter welchen Bedingungen sie irgendwelche Phänomene
als Information oder als Kommunikation ansprechen wollen. Wenn es andererseits nicht mehr nur um bloße Deskription geht, dann stellt sich natürlich die Frage, nach welchen Kriterien solche Informations- und Kommunikationskonzepte ausgewählt werden sollen. Dies sind Wertentscheidungen, die sich nur zum geringeren Teil in einem wissenschaftlichen Rahmen rechtfertigen lassen können. Wichtig scheint es mir, der Gesellschaft eine Definition von Kommunikation vorzuschlagen, die diese in den Stand setzt, das Miteinander der Menschen und dieser mit der Natur befriedigend zu gestalten. Die Kommunikationsbegriffe sind Vorschläge zur Selbst- und Umweltbeschreibung. Es kommt darauf an, Beschreibungen zur Verfügung zu stellen, die zeitgemäß sind, die es also erlauben, die anstehenden Probleme unserer Gesellschaft zu lösen. Von dem Augenblick an, von dem wir nicht mehr nach einem einzigen wahren Kommunikationbegriff suchen, sondern uns fragen, welches Konzept bei der Bewältigung anstehende Aufgaben ein Hilfsmittel sein könnte, verlieren viele bekannte und weitverbreitete Kommunikationsmodelle ihre Reiz. Und sozialwissenschaftliche auch kommunikationswissenschaftliche Begriffe sollen uns ja im Alltag als zeitgemäße Werkzeuge dienen. Sie haben hier eine der materiellen Technik durchaus vergleichbare Funktion, nur dienen sie eher als Software, die alternative Sicht -, Erlebens- und Handlungsweisen eröffnen soll. Was haben wir aber gewonnen, wenn uns ein Sender - Empfänger - Modell mit sprachlichen Texten als Medium vorgelegt wird? Was sehen wir damit anders oder wenigstens genauer? Wie ein Blick auf die Tabelle 1 zeigt, handelt es sich bei diesem Kommunikationsverständnis um ein uraltes Konzept, welches in Anlehnung an die Verteilung von materiellen Waren entwickelt wurde. Es mag im Zeitalter der Buchproduktion seinen Sinn gehabt haben, aber heute? Ebenso alt hergebracht sind Vorstellungen, die in Kommunikation in Analogie zum instrumentellen Handeln eine vom Hörer auf den Zuhörer zielgerichtete Handlung sehen. Der Sprecher als Ursache, der Hörer als Wirkung? Wir werden auf diese Konzepte in der 5. Vorlesung noch genauer zu sprechen kommen. Insgesamt haben sie den Nachteil, daß sie die soziale Kommunikation als Paradigma nehmen. Sie lassen sich also nicht ohne weiteres auf die tierische Kommunikation, auf die Maschine - Maschine - Kommunikation, auf die Mensch - Maschine - Kommunikation, auf die intrapsychische Kommunikation, auf die Informationsverarbeitungsprozesse innerhalb von Pflanzen oder anderen natürlichen Systemen übertragen. Und das gleiche gilt natürlich auch von dem Informationsverständnis, was in den Kommunikationsmodellen, die sich am sozialen Gespräch orientieren, zugrunde gelegt wird. Irgendwie wird immer davon ausgegangen, daß Information eine Abart von Wissen ist und in aller Regel geht man davon aus, daß sie sprachlich kodiert oder doch zumindest sprachlich kodierbar ist. Dem steht entgegen, daß wir im Alltag oft aufgrund von Erfahrungen handeln, die uns keineswegs sprachlich begrifflich zur Verfügung stehen. Das soziale Kommunikationskonzept ist einfach zu eng - und dies gilt zumal für diejenigen, die sich in ihrem Beruf nicht nur mit Menschen, sondern eben auch mit Tieren, Pflanzen und der unbelebten Natur zu befassen haben. Ich werde im ersten Teil des Vorlesungszyklusses einen alternativen sehr allgemeinen Informations- und Kommunikationsbegriff entwickeln. Zu seiner Darstellung greife ich auf Konzepte der technischen Informationstheorie und der Computertechnik zurück. Ich spreche deshalb auch von einem informationstheoretischen Kommunikationskonzept. Die theoretischen Grundannahmen haben allerdings weit ältere Wurzeln. (Griechische Naturphilosophen, Wiederspiegelungstheorie) Vorsichtshalber möchte ich darauf hinweisen, daß die Allgemeinheit des Konzepts bei den Zuhörern/Lesern eine gewisse Geduld voraussetzt. (Abstraktheit, Unanschaulichkeit) Erfahrungsgemäß erzeugt es in uns Widerstände, wenn Begrifflichkeiten, die bislang nur in technischen Zusammenhängen gebraucht wurden, auf Phänomene angewendet werden, die als typisch menschlich gelten. Wir werden aber Probleme der Menschen nicht lösen können, wenn wir sie nicht in den Zusammenhang mit der Natur und Technik stellen. Konzepte, die nur das menschliche Miteinander erfassen können, sind eben ungeeignet für eine Beschreibung der Beziehungen zwischen Mensch und Natur. Und es kommt gegenwärtig gerade darauf an, diese beiden Beschreibungsperspektiven miteinander zu verknüpfen. |