Exzerpt “Vom Ursprung der Schrift“ (Denise Schmandt-Besserat)
  aus: Spektrum der Wissenschaft, H. 19, S. 5-14, hier S. 5.

„...Zwischen 1927 und 1931 wurden im Iran, die Ruinen der Stadt Nuzi ausgegraben, die ihre Blütezeit im Jahr 2000 vor Christo hatte. Im Palast fand man ein aus dem Jahr 1500 vor Christo stammendes Text-Archiv. Etwa dreißig Jahre nach den Ausgrabungen entdeckte ein Archäologe, daß die Bewohner der Stadt ein Buchhaltungssystem benutzt hatten, das aus „Zählsteinen“ bestand. Im Zusammenhang mit den Steinen berichten die Texte von „Einzahlungen“, „Überweisungen“ und „Abhebungen“. Offenbar führte man also in doppelter Weise Buch, das heißt, parallel zu den kunstvollen Keilschriftbelegen des Schreibers unterhielt die Palastverwaltung ein Archiv in greifbarer Form. Dort konnte man jedem Tier der Palastherde einen Zählstein von bestimmter Form zuordnen. Wurden im Frühjahr Tiere geboren, so fügte man passende Steine hinzu; wurden Tiere geschlachtet, so nahm man deren Steine fort. Die Entdeckung eines verschlossenen eiförmigen Tongefäßes, in dessen Oberfläche eine Liste von 48 Tieren graviert war, unterstützt diese These, denn beim Öffnen des Behälters fand man 48 Zählsteine. Wahrscheinlich beurkundeten die Schriftzeichen auf dem Gefäß und die Zählsteine in ihm die Lieferung von Vieh von einem Palastdienst an einen anderen...“


 

 

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