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Handschriftliche Kommunikation
mit Gedichtbrief im Altertum des Japans |
aus Donald Keene: Japanische Literatur. Eine Einführung für westliche Leser. Zürich 1962, S.33f. | |
"Die Bedeutung der Gedichte als Vermittler in Liebessachen entstand aus der etwas seltsamen Art der Werbung der japanischen Aristokratie im neunten, zehnten und elften Jahrhundert, als die Regeln der Dichtkunst aufgestellt wurden. Da die Hofdamen von keinem anderen als ihrem angetrauten Ehemann gesehen werden durften, war bei den Gesprächen zwischen den Liebenden, zumindest im Anfangsstadium, die Dame hinter einem Wandschirm verborgen. Diese Formalisierung der Beziehung zwischen den beiden Menschen begünstigte die Verwendung der förmlicheren Sprache der Dichtung. Wenn die Liebenden gerade nicht miteinander sprachen, sandten sie ständig die Botschaften hin und her, die bisweilen, je nach der Jahreszeit an einem Zweig Pflaumenblüten oder einem roten Ahornblatt befestigt waren. Natürlich waren auch diese Mitteilungen in Gedichtform und wurden nicht nur nach ihrem Inhalt, sondern auch nach der Schrift beurteilt. Die übliche Art, eine Liebesgeschichte anzufangen, war dass der junge Mann, der die Dame seiner Wahl nie erblickt hatte, ein Gedicht für sie verfasste. Dann wartete er voller Ungeduld auf ihre Antwort.
Doch manchmal bekam der glühende Liebhaber auch eine kalte Dusche:
Es gab keine bessere Methode, das Herz einer Frau zu erobern, als mit einem schönen, auf genau dem richtigen Papier geschriebenen Gedicht. Und ausschlaggebend war, dass
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