Excerpt
Tanz als Medium in den Früh- und Hochkulturen (W. Faulstich)
  aus: W. Faulstich: Das Medium als Kult. Von den Anfängen bis zur Spätantike. Göttingen 1997.
 
S. 83:
 
„...Mit und im Medium Frau kommunizierten die Menschen im Kontext und als Verkörperung des gesamten Universums mit der Göttin, man könnte sagen: nach den Gesetzen der biologisch-kosmologischen Sprache der Natur. Nach dem ersten tiefen Einschnitt in der Kulturgeschichte, dem Wandel vom Matriarchat zum Patriarchat, kommunizierten die Menschen, über das Medium Opferritual, mit den Göttern bzw. dem Vater-Gott: gemäß den Regeln der vom Totem bestimmten Magie. Bereits bei diesen beiden Medien angelegt und vermutlich schon früh entsprechend ausgeprägt war ein weiteres, drittes Medium: der Tanz, ganz und gar getragen von der reinen, nonverbalen Körpersprache (vgl. auch Weidig 1984, 58ff.). Weil der Körper für den Menschen das Erste und Unmittelbarste ist, war es naheliegend und logisch, ihn auch als eigenständiges Ausdrucks- und Kommunikationsmedium zu nutzen. »Im Tanz und durch Tanz kann sowohl kognitiv (...) als auch affektiv kommuniziert werden.« (Weidig 1984, 72). Jutta Weidig spricht darüber hinaus vom Tanz auch als einem »Medium, durch das Kultur gelernt und stabilisiert wird«, ja vom »Tanz als Reflexion der Kultur« (1984, 70+76). Die Menschen kommunizierten über das Medium Tanz die Teilhabe am Ganzen und den Vollzug der Schöpfung bzw. die Verehrung der Göttin, der Götter im Ritual. Deshalb sprach man mit Recht vom »Kreislauf« bzw. vom »Kreis als Symbol im Tanz«, als »Symbol für die göttliche Schöpfung, für Vollkommenheit, Einheit, Ganzheit« (Bödeker/Thiele 1988, 71ff.). Der Tanz mit seinen Kreisformen war Zentrierung und Orientierung des Menschen im Kosmos.
Mit dem Tanz und im Tanz kommunizierten die Menschen aber auch miteinander. Der Tanz war das erste Medium primär intersubjektiver, das erste Medium reiner Mensch-zu-Mensch-Kommunikation der Kulturgeschichte. Zugleich zeigt sich im Tanz jene ursprüngliche Einheit von Kommunikation und Gestaltung, die im Zuge der Ausdifferenzierung der verschiedenen Medien und ihrer Funktionen schon mit den frühen Hochkulturen überdeckt werden und später verlorengehen sollte (z.B. Hambly 1926, 15ff.)....“


 
Literatur:
Bödeker, Karin und Monika Thiele: Der Kreis als Symbol im Tanz. In: Gesellschaft für Tanzforschung e.V., Studiengang Sportwissenschaft an der Universität
Bremen (Hrsg.), Der Tanz als Symbol. Bericht über das Symposium vom 23. bis 25. September 1988 in Bremen. Universität Bremen. Bremen 1988, S. 71-79.
Hambly, W. D.: Tribal dancing and social development. Londen 1926.
Weidig, Jutta: Tanz-Ethnologie. Einführung in die völkerkundliche Sicht des Tanzes. Ahrensberg bei Hamburg 1984.
 
 

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