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Vervollständigen der Datenbasis durch Erhebung eigener affektiver Daten |
Konzept für eine Diplomarbeit März/April 1995 Fachbereich Gartenbauökonomie der Abteilung Kommunikationslehre Verfasserin: R. E. Thema: Naturwissenschaftlerinnen – ihr Leben |
Auf der deutschen Institution Universität bin ich im naturwissenschaftlichen Bereich und ingenieurwissenschaftlichen Bereich einem Phänomen begegnet, das mich nachdenklich gestimmt hat. Es handelt sich um die „Übermacht“ der Männer in gehobenen Positionen. Weibliche Professorinnen sind eine Rarität und auch bei den vom Ausbildungsgrad darunter eingestuften Doktoranden/innen ist das Verhältnis von Mann und Frau zugunsten der Männer verschoben. Demgegenüber ist das Verhältnis der Geschlechter während des Studiums häufig gleich verteilt. Mein Ziel ist es, mich auf einzelne Frauen in dem Bereich dieser Institution einzulassen, die auf dem Weg sind, eine gehobene Position in einem von Männern dominierten Feld einzunehmen. Mich interessiert, was dazu geführt hat, dass sie im naturwissenschaftlichen Bereich arbeiten, was sie an ihrer Arbeit „reizt“ und im Weiteren wie sie ihre wissenschaftlichen Rahmenbedingungen sehen. Dabei unterscheide ich zwei Situationen. Einmal betrachte ich eine Gruppe von Frauen, die von einer Professorin betreut werden, und zum anderen interessiert mich eine Frau in einer männlich dominierten Umgebung, d.h., die Arbeitsgruppe besteht aus männlichen Gruppenmitgliedern und wird von einem Professor betreut. Ich erwarte, dass die Gruppe von Frauen sich von der einzelnen Frau in ihrem Verhalten, ihrer Auffassung von Wissenschaft, ihrer persönlichen Lebensgeschichte und ihren Zielen unterscheidet. Ich denke, dass die Frauen in der Gruppe stark genug sind, eine eigene Vorstellung von Wissenschaft zu verwirklichen, eine eigene „Kultur der Naturwissenschaft“ zu betreiben, die sich von der der Männer, d.h., der vorhandenen Naturwissenschaft unterscheidet, weil sie andere Erfahrungen gemacht haben und diese einfließen lassen, wodurch sich zwangsläufig die Systemeigenschaften verändern. Die einzelne Frau wird vermutlich Teile ihrer Erfahrungswelt nicht in die Gruppe einbringen, sondern „verborgen halten“, sie wird sich anpassen. Meine Methode ist eine ganzheitliche, sie ist für mich Mittel, um die Institution Universität in Bezug auf die „Frauenverträglichkeit“ und „Wissenschaftlichkeit“ zu erfassen. Da ich neben meinem Auge und meinen Ohren auch noch über Gefühle verfüge, möchte ich diese auch einsetzen. Gefühle sind schneller und häufig auch treffsicherer als andere Sensoren, weil komplexe Situationen, Systeme oder Systemwechselwirkungen nur durch Komplexität auf der „anderen Seite“ wahrgenommen werden können. Ich empfinde es als Anmaßung ausschließlich auf das, was ich hören und sehen kann, zurückgreifen zu dürfen, es wissenschaftlich zu nennen, weil das „Gehörte“ und das „Gesehene“ technisch fixierbar ist. Gefühle sind komplex, technisch nicht erfassbar, aber artikulierbar, jedoch nicht auf einfache Weise kontrollierbar und nicht kausal zu erklären. In gewisser Weise ist die Artikulation von Gefühlen gefährlich, weil latente Strukturen, die eine wichtige Funktion haben, als solche intuitiv erahnt werden und damit benannt werden können, in den Zusammenhang anderer (hypothetischer) Vorstellungen gebracht werden können. Mich als Ganzes einzusetzen, um Zusammenhänge zu erahnen und in Ansätzen zu begreifen, ist mein Ziel. Ich denke, dass jeder Mensch seine Vorgehensweise selbst bestimmen muss. Für mich kommt es darauf an, dass ich einen Weg finde, um mir Neues, Fremdes darzulegen wie ich es verstanden habe. Dazu brauche ich Nähe und Zeit. Ich habe festgestellt, dass ein „sich aufmachen“ zwischenmenschlich Nähe schaffen kann, die mich dem Fremden näher bringt. Dann passiert das, was M. Nadig als den sozialen Tod beschrieben hat: Man stellt seine eigene Sozialisation in Frage, ist inner leer und nimmt das andere System viel interessanter wahr, erlebt viele Handlungen nicht mehr als Irritation, begreift sie eher. Ich selbst könnte diesen Erkenntnisgewinn nicht nur durch über einen transkribierten Interviewausschnitt erlangen. Wissenschaftlich betrachtet ist die Arbeit von Bedeutung, weil es bisher innerhalb der Frauenforschung kaum eine intensive Auseinandersetzung mit Frauen des sogenannten „harten“ Wissenschaften geben kann. |
Meine Beobachtungen | Affektive Daten | Meine Ansicht darüber wie sich die Personen sehen | Hypothesen |
„Wir sind Natur – wissenschaftlerinnen und werden
nicht richtig anerkannt“.
Ich bekam von H vermittelt, dass ich bei ihnen „falsch“ sei,
so nach dem Motto: richtige Wissenschaftler sind wir nicht, wir sind eben
keine Physikerinnen. Skeptisch war sie auch, weil ich vom Ingenieurbereich
zum Sozialbereich wechsele, die Umkehrung ist ja verständlich, aber
so. Als ich in das Gebäude kam, liefen I. und A. an mir wortlos vorbei, ohne sich dafür zu interessieren, was ich da mache. Auch H. lief mehrmals von einer Tür zur anderen, bis sie mich fragte, ob ich die neue Diplomandin sei. Schnelle, zielstrebige Schritte ohne zu schauen, so schnelle Schritte, dass ich auch nicht die Möglichkeit hatte, zu fragen oder etwas zu sagen. Neugierig war nur H.; I. und A. wurden von H. gerufen, nachdem ich ihr erklärt hatte, was ich vorhabe. I. lief, nachdem ich mich vorgestellt hatte, gleich wieder weg. Als H. mich dann mehr und mehr fragte, sagte I. nach lautem Lachen, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen ganz einfach der sei, „dass bei Frauen der Karriereknick komme“. A. war nicht der Meinung. I. sagte, wenn Kinder kommen, bleiben viele Frauen einfach weg. „Wenn du ne Stelle hast, ist die befristet und verlängert wird oft nicht, weil ne Daueranstellung zu teuer ist. Männer, die habilitieren sich dann. Es gibt auch Frauen, die das schaffen, aber das ist selten.“ Deutlich wurde dann, dass sie interdisziplinär arbeiten und sich ihre Stelle erkämpft haben. X., ihr Professor, habe ihnen dabei sehr geholfen. Schwierig sei es schon bei der Diplomarbeit, weil man einen Professor aus der Biologie braucht und einen aus der Physik. Da für ihre Themen niemand kompetent sei, finden sie kaum jemand, der sie betreut. „Außerdem ist das ja auch politisch und da bezieht niemand Stellung wegen seines Rufs.“ Die Entstehung ist mit Tschernobyl gekoppelt. Das war 1986. A. und H. machen jetzt ihre Diss. I. arbeitet Halbtags. Wenn ihre Stelle nicht verlängert wird, dann arbeiten sie umsonst und warten, dass irgendwann mal wieder Gelder kommen. Darauf waren sie alle Drei stolz, das hat sie „zusammengeschweißt“. Sätze wie: H.: „Versuche doch mal damit“ wurden von A. aufgefasst wie: „Ach, du glaubst wohl, ich bin doof!.“ |
Ich dachte, was soll denn das, halten die denn ihren und artverwandte Bereiche für was besonderes. Mir blieb die Luft weg. Wovor laufen die Menschen weg? Hatte ich irgendwas an mir? Waren sie so im Stress? Ich glaube, dass das weniger Idealismus als Perspektivlosigkeit ist. Es kam mir vor, als wenn sie keine Vorstellung haben, was sie mal nach ihrer Diss. bzw. ihren Verträgen mache können, es scheint mir ziellos. Das Härteste fand ich, dass sie selbst der Ansicht waren, dass sie sich alles selbst beigebracht haben und im Vergleich zu anderen Unis sich jetzt einigermaßen kompetent halten. Mir fiel jedoch auf, dass die drei sehr unterschiedlich waren und es in einer Gruppendiskussion auf sehr subtile Weise zu starken Spannungen kam, die nicht offen ausgetragen wurden, sondern verdeckt. Die oberflächliche Ruhe der Stimmführung, das sachliche Thema, standen im krassen Widerspruch zu dem „Augenkampf“ und dem Verhalten von A., die, sobald sie sich H. unterlegen fühlte, den Raum kurzzeitig verließ, damit die Spannung etwas herausnahm und den anderen beiden „das Feld überließ“. Missgeschicke und Argumente wurden persönlich genommen und nicht entschärft oder aufgedeckt. |
Sie sehen sich als Wissenschaftlerinnen, die um Anerkennung
kämpfen, sozusagen ein „Schattendasein“ führen. I. sieht sich nicht mehr als Wissenschaftlerin, sondern als eine normale Arbeitskraft, die „Routinearbeiten“ macht. Ihre wissenschaftliche Karriere hat einen Knick“, sie ist sozusagen „aus dem Rennen“. |
Vielleicht verbirgt sich hinter der Betonung des Begriffs
Natur und dem Wort „nur“ eine andersartige Auffassung von Wissenschaft,
die häufig als „weiblich“ bezeichnet wird. Interdisziplinrarität erschwert die wissenschaftliche Anerkennung, weil „da niemand kompetent“ ist. Es wird zwar davon geredet, aber insbesondere in den „harten“ Wissenschaften nicht praktiziert. In Bezug auf Interdisziplinrarität seinen Schwerpunkt zu legen, lässt eine andere Auffassung von Wissenschaft vermuten, als das in dem Bereich bislang üblich ist. |