Dokumentation Protokoll zu den Affekten, Empfindungen und Erlebnissen während und nach dem narrativen Interview zur Studienmotivation der Studierenden der Kommunikationswissenschaft
  Erfurt WS 2002/3, Protokollant C.G.
 
Mein narratives Interview habe ich am 19. Dezember 2002 durchgeführt. Meine Probandin war Karla Lamm aus dem 5. Fachsemester Kommunikationswissenschaft, die zu der Gruppe der persönlich bekannten Interviewpartner gehörte. Mit einem Abstand von ca. fünf Monaten fällt es mir nicht mehr ganz leicht, mich an die vielen Einzelheiten des Interviews und der ausgelösten Affekte zu erinnern.

Bisher hatte ich mir diesbezüglich nur stichpunktartige Notizen gemacht. Außerdem, dass will ich ganz offen ansprechen, fiel und fällt es mir nach wie vor sehr schwer, ausgelöste Affekte zu schildern. Ich habe eher das Gefühl, dass sich meine nachfolgenden Mitteilungen eher auf technische und organisatorische Aspekte des narrativen Interviews konzentrieren. Weniger sehe ich mich in der Lage tiefgründig über ausgelöste Affekte, eigene Gedanken und Gefühlsregungen etc. Auskunft zu geben. Das liegt eventuell daran, dass ich das Interview eher in dem Sinne geführt habe, dass ich eben „nur“ den Versuch unternehmen sollte, ein narratives Interview zu führen.

Dabei habe ich mich nicht ausreichend, so sehe ich das mit fünfmonatigem Abstand, auf die Komplexität eines narrativen Interviews eingelassen. Unter dem Gesichtspunkt, dass ich nun ein Interview „durchzuführen habe“, habe ich mich sehr stark an unseren Gesprächsleitfaden gehalten; diesen hatten wir in Gruppenarbeit die Wochen davor zusammen erarbeitet. Während des Gespräches habe ich beständig auf den Leitfaden geschaut und mir immer schon, während meine Interviewpartnerin sich noch zu einem Gesichtspunkt geäußert hat, die Überleitung zum nächsten Teilabschnitt überlegt. So habe ich mich nicht immer ausreichend auf die Äußerungen und Erzählungen meiner Probandin konzentrieren können. Deshalb fiel es mir nachdem Interview auch recht schwer, abzuschätzen, inwiefern ich ein narratives Interview geführt habe. Hinsichtlich des Erzählten hatte ich lediglich das gute Gefühl, den Leitfaden „abgearbeitet“ zu haben. Aber inwiefern ich es geschafft habe, eine Erzählung von meiner Interviewpartnerin zu generieren, da bin ich mir recht unschlüssig. Diese Skepsis hatte ich schon gleich nach dem Interview.

Ich kann zwar sagen, dass ich eine Menge an Informationen bezüglich des Studiums der Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt erhalten habe, aber eine konkrete Erzählung, die das innere Erleben und Teilnehmen der eigenen Studiensituation mir geschildert hätte, habe ich wohl nicht ausreichend erhalten. Gerade das hat die spätere Erzählanalyse auch ergeben – Informationen sind mitgeteilt worden, aber es besteht der Eindruck, dass meine Probandin bei der Beschreibung innerer Erlebnisse eher abgeblockt hatte. Diese Erkenntnis widerlegt auch meine ursprüngliche Auffassung, dass bei persönlicher Bekanntschaft und einer gewissen Vertrautheit der beiden Interviewteilnehmer das Generieren einer vollständigen Erzählung besser gelänge. Zumindest für diese Fall kann ich das nicht bestätigen.

Wie ich eben versucht habe aufzuzeigen, gelang es mir nur ansatzweise mich mental auf die Komplexität eines narrativen Interviews einzulassen. Sicherlich spielte dabei aber auch eine große Rolle, dass ich diese Methode innerhalb des Methodenwerkzeugkastens der Kommunikationswissenschaft bisher nicht kannte. So ist es für mich nicht unbedingt verwunderlich, dass mein erster Versuch der Durchführung eines narrativen Interviews nicht sonderlich erfolgreich verlief. Die eigene Unsicherheit wurde noch durch eine Reihe weiterer technischer Aspekte verstärkt. So hatte ich schon vor dem Interview die Sorge, dass ich die vorgegebene Interviewzeit von ca. 60 Minuten nicht einhalten könnte. Gleichermaßen bereitete mir eine deutliche Unter- bzw. Überschreitung der Zeit Sorgen. Wie bei jedem Einsatz von technischen Hilfsmitteln (hier der Aufnahmerekorder) begleitete mich während des Interviews die die Sorge, dass die Aufnahme auch gut gelingen möge und sich keine technischen Störungen ergeben. Diese sind dann ja auch glücklicherweise ausgeblieben.

So haben viele Aspekte, die ich hier versucht habe kurz zu nennen und zu erläutern, dazu beigetragen, dass meine hauptsächlich ausgelösten Affekte eher der Sorge um ein gelingendes Interview und der Generierung einer Erzählstrategie galten. Dabei hatte ich aber stets das Gefühl, dass das Verhältnis zwischen meiner Probandin und mir während des Interviews immer ein sehr entspanntes war, so dass ich nicht sagen kann, dass es an der Gesprächsatmosphäre gelegen hat, dass ein narratives Interview nur in Ansätzen gelungen ist. Vielmehr war es meine mentale Einstellung zu diesem Interview, die ein narratives Interview nur ansatzweise hat entstehen lassen.

Durch die oben genannten Aspekte habe ich mich zu sehr beeinflussen und leiten lassen, so dass ich mich nicht genügend auf das Interview eingelassen habe. Meine Konzentration galt, so schätze ich das mittlerweile ein, nicht ausreichend der Interviewsituation. Aber ein völlige freies, konzentriertes und interessiertes sich in die Situation des Interviews Hineinbegeben ist die Voraussetzung für die erfolgreiche Durchführung narrativer Interviews. Diese notwendige Bedingung muss ich nunmehr stärker berücksichtigen, sollen zukünftige narrative Interviews erfolgreich im Sinne des Hervorbringens vollständiger Erzählungen verlaufen.

Dokumentation



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