Fliesstext Aufnahmetechnik und Transkription nonverbalen Verhaltens
   
Aufzeichnung mittels Videokameras:
Die Untersuchung nonverbaler Aspekte der Kommunikation ist zwar heute durch die gut entwickelte Videotechnik recht einfach geworden, das Dokumentieren der Interaktion erfordert jedoch nichtsdestotrotz ein Umdenken gegenüber der Kino- und Fernseh- Sehgewohnheiten und mithin auch Aufnahmegewohnheiten.

Ziel jeder Aufzeichnung nonverbaler Interaktion in der Kommunikativen Sozialforschung ist, als Betrachter die Perspektive der jeweiligen Interaktionspartner abzubilden - so weit dies eben möglich ist.
Um rekonstruieren zu können, wie die Kommunikationspartner ihr Verhalten aufeinander abstimmen, nach welchen Prinzipien sie agieren und welche Muster ihr Verhalten erkennen läßt, ist es nötig, daß der Forscher die gleichen Informationen 'sieht', wie die Gesprächspartner selbst.
Sitzen sich zum Beispiel zwei Versuchspersonen gegenüber und die Aufzeichnung findet von der Seite her statt, so erhält der Forscher natürlich ganz andere visuelle Informationen über die Beteiligten, als diese selbst, während sie das Gesicht und den Körper des anderen 'frontal' sehen, sieht der Forscher diese von der Seite. Eine Rekonstruktion der nonverbalen handlungsleitenden Schemata kann so nur einer Annäherung gleichkommen und muß zwangsläufig auf Ergänzungen und Vermutungen des Forschers basieren.

    Bei der Aufzeichnung dyadischer Kommunikation empfiehlt es sich daher, mit zwei Kameras zu arbeiten und diese je hinter den Versuchspersonen zu postieren, den Probanden quasi 'über die Schulter' auf den jeweiligen Gesprächspartner zu schauen.
    Man erhält dabei zwei Videos, die mittels eines Mischpultes oder per Digitalisierung zu einem zusammengschnitten werden. Auf dem endgültigen Film sieht man je die Perspektiven der Beteiligten gleichzeitig und nebeneinander.
 
Die folgende Illustration veranschaulicht diese Technik.



    Aufnahmetechnisch ist dabei zu beachten, daß die beiden Kameras die Versuchspersonen nicht 'zentriert' aufnehmen, sonst sind auf dem zusammengeschnittenen Film nur 'halbe Köpfe' zu sehen, sondern sie müssen - nach vorheriger Absprache - ihre Versuchsperson je am rechten oder linken Rand des Objektives filmen. Nach unseren Erfahrungen gewöhnen sich die Kameramänner und -frauen recht schnell an diese neue Perspektive.



    Die Kameraleute sollten sich vor der Aufzeichnung über die Einstellung des Zooms einigen, eine Totale gegenüber einer Naheinstellung des Gesichtes ist eher ungünstig für Transkription und Auswertung.
    Beim Abmischen der Videos ist darauf zu achten, daß die zwei Ausgangsvideos zeitlich absolut synchron zusammengeschnitten werden. Da die Analyseeinheiten in der nonverbalen Kommunikation Sekundenbruchteile sind, kann asynchrones Material die Analyse erschweren und zu falschen Ergebnissen führen.

Transkription:

Wie auch bei der Analyse verbaler Kommunikation ist die Grundlage der Analyse bei der Beschreibung nonverbaler Kommunikation die Transkription
Nachdem wir sämtliche Notationssysteme für körpersprachliches Verhalten aus der Literatur gesichtet haben und für die Zwecke der kommunikativen Souzialforschung als zu kompliziert und zu wenig anschaulich befunden haben, haben wir ein eigenes entwickelt, das auf der symbolischen Darstellung der von uns als relevant eingestuften Aspekte nonverbalen Verhaltens beruht.
Welche nonverbalen Verhaltensweisen je transkribiert werden - und welche nicht - hängt dabei vom Material ab und von der leitenden Fragestellung. Ohne Zweifel ist diese Entscheidung oft die schwierigste.
Grundsätzlich werden die Symbole der körpersprachlichen Signale der Gesprächspartner nebeneinander in Tabellenform dargestellt. Diese Darstellungsform ist sehr anschaulich und ermöglicht oftmals das Erkennen von Interaktionsmustern durch bloßes 'Ansehen'.
Um die Blickrichtung der Versuchspersonen abzubilden hat sich die einfache Darstellung mittels Farben bewährt, im folgenden Beispiel ist lediglich markiert, ob der Gesprächspartner angeschaut wird oder nicht.

Abb.: Codierung des Blickverhaltens während eines Sprecherwechsels
= sieht gegenüber an
= sieht gegenüber nicht an
unterlegt markiert den jeweiligen Sprecher

Auch komplexere Situationen lassen sich so einfach und anschaulich darstellen.
= sieht Gegenüber an
= sieht Pflanzen an
= sieht zur Kasse
 
An körpersprachlichen Signalen sind meistens die Körperorientierung, das räumliche Verhältnis der Kommunikationspartner zueinander, die Stellung von Kopf, Schulter und Hüfte sowie Arm- und Handbewegungen relevant für die Auswertung. Das Transkriptionsprinzip der folgenden Beispiele ist darüber hinaus auch auf alle anderen körpersprachlichen Module übertragbar.

 
Die zeitliche Genauigkeit der Transkription ist im Einzelfall zu entscheiden. Handelsübliche Videorecorder stellen 24 Bilder pro Sekunde dar. In manchen Sequenzen 'passiert' jedoch selbst pro Sekunde kaum etwas während in anderen sich alle 24 Bilder einer Sekunde signifikant unterscheiden.
Als Regel ist jedoch zu beachten, daß der 'Takt' der Trankskription beibehalten wird (etwa jedes 3 Bild), beziehungsweise jede Änderung gekennzeichnet wird. Der Versuchung, immer dann zu eine Notation vorzunehmen, wenn sich ein Bild zum anderen verändert, sollte tunlichst widerstanden werden, weil damit eine zeitlich verzerrte Abbildung der Interaktion produziert wird, die keine Aussage mehr zuläßt.
Für beispielhafte Auswertungen nonverbaler Kommunikation s. Die Geldübergabe; Instruktion des Glasschneidens

 

www.kommunikative-welt.de Methoden ©Michael Giesecke