In der Tradition des Symbolischen Interaktionismus und
der sinnverstehenden Soziologie i.w.S. hat das 'Verstehen' im Alltag immer
schon einen konstruktiven und das 'Verstehen' des Sozialwissenschaftlers
einen rekonstruktiven Grundzug besessen. Lange vor dem Diskurs des 'Radikalen
Konstruktivismus' und der Entdeckung des Wissenschaftlers als 'Beobachter
2. Ordnung' ging man in dieser Schule davon aus, dass das Verstehen als
eine aktive standort- und perspektivengebundene Bedeutungszuschreibung zu
irgendwelchen äußeren Impulsen, meist Symbolen, abläuft.
Die vornehmste Aufgabe der wissenschaftlichen Interpretation sah man darin,
dieses Verstehen nachzuvollziehen. Aber darin unterscheidet sie sich nicht
prinzipiell von alltäglichen Bedeutungszuschreibungen. Verständigung
setzt nach dieser Konzeption, ganz allgemein reziprokes, d.h. intersubjektiv
wiederholbares und simulierbares Verstehen, parallele Informationsverarbeitung,
voraus. Rekonstruktion von Informationsverarbeitungsprozessen geschieht
in jeder Kommunikation. Möglich wird eine solche Wiederholung, weil
die Bedeutungszuschreibungen zu relevanten, als sozial gekennzeichneten
Verhalten, Gegenständen, Symbolen usw. regelgeleitet erfolgen. Die
wichtigsten der Regeln, die sich auf das sprachliche Verhalten beziehen,
werden an anderer Stelle aufgezeigt.
Methodologisch folgt aus diesem Ansatz, dass auch die Kommunikative Sozialforschung
als ein rekonstruktives Geschäft abzuwickeln ist. Wenn wir den Gedanken
von A. Schütz weiter nachfolgen, dann hat es der Kommunikationsforscher
immer mit einer manifesten Äußerung (Medium) sowie mit mindestens
drei Standpunkten und Perspektiven zu tun, nämlich denjenigen des Sprechers,
des Hörers und des Beobachters selbst. Je nachdem welcher Standpunkt
nun eingenommen und welches Relevanzsystem benutzt wird, ergeben sich unterschiedliche
Wirklichkeiten und Bedeutungszuschreibungen zu der Handlung.
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