Fliesstext Phasenstruktur der kommunikativen Kooperationsform 'Erzählen'
   
1. Die Vorphase
Ihre Aufgabe ist die Herstellung einer vertrauensvollen Interaktionsbeziehung zwischen den Beteiligten, bzw. die Überprüfung derselben. Dies geschieht meist dadurch, dass der Erzähler seinen Erzählwunsch ankündigt, ggf. eine Relevanzandeutung und eine vorgreifende Themenankündigung gibt. Die Zuhörer ratifizieren den Erzählwunsch des Erzählers und bekunden ihre Bereitschaft zum Miterleben mehr oder (meist) weniger explizit.
Unter Umständen kann sich an diese Vorphase eine 'Aushandlungsphase' anschließen, in der die Beteiligten klären, unter welchen Bedingungen ("nicht so lange", "muss aber lustig sein", "ich will dann aber auch noch erzählen") die Erzählung sozial akzeptiert wird.

2. Orientierungsphase
Ihre Aufgabe ist die Verständigung über die szenischen Rahmenbedingungen des Geschehens und die Schaffung eines gemeinsamen Vorstellungsraums für die Beteiligten. Der Erzähler orientiert über die Personen, den Ort des Geschehens und die Zuhörer folgen diesen Versetzungsanweisungen und bitten ggf. um genauere Informationen.

3. Darstellung des Erlebnisses
Ziel dieser Phase ist es, den Zuhörern die intrapsychischen Verarbeitungsprozesse des Erzählers zugänglich zu machen, zu einer Parallelverarbeitung der Informationen in dem sozialen System zu gelangen. Dabei orientiert sich der Erzähler an der Normalform des Erzählens/Erzählschema. Die Zuhörer identifizieren sich mit den dargestellten Personen. Sie versuchen 'mitzuerleben', entwickeln dabei möglicherweise alternative Erlebensmöglichkeiten und verknüpfen die dargestellten Informationen mit ihren eigenen Erfahrungen. Die antwortenden Gefühle werden registriert und mehr oder weniger deutlich ausgedrückt. Rezeptionssignale erleichtern es dem Erzähler einzuschätzen, inwieweit die Zuhörer 'parallel' erleben und verarbeiten.

4. Bearbeitungsphase
Mehr oder weniger deutlich von der vorangehenden Phase getrennt, beginnt dann eine 'Diskussion' der Erzählung. Die Funktion dieser Bearbeitungsphase ist es letztlich, relevante fehlende Programmpunkte zu ergänzen. Die Zuhörer übernehmen Funktionen der psychischen Instanzen des Erzählers und/oder sie übernehmen Rollen aus dem Sozialsystem, über das der Erzähler berichtet.

5. Schlussphase
Ihre Funktion ist es, den Abschluss der Interaktion und die Auflösung der Sozialbeziehungen zu signalisieren. (Eingehen auf den Zuhörer und die Erzählsituation, Entschuldigung wegen unvollständiger Darstellung, Hinweise auf die Erwartungen an die Zuhörer.) Dazu ist es häufig notwendig, dass man noch einmal auf die vorausgegangene gemeinsame Arbeit zurückblickt. Es kann also eine Selbstreflexion und Bewertung der Interaktion stattfinden. Am Ende steht das Auseinandergehen der Teilnehmer oder der Übergang zu einer neuen Interaktionsform. Eingehen auf den Zuhörer und die Erzählsituation, Entschuldigung wegen unvollständiger Darstellung, Hinweise auf die Erwartungen an die Zuhörer.

 

www.kommunikative-welt.de Methoden ©Michael Giesecke