1 |
Der Erzähler gibt
eine vorgreifende Themenankündigung, in der er auch das für
ihn Erzählenswerte an der nachfolgenden Geschichte seinen Zuhörern
andeutet (Relevanzandeutung). Themenankündigungen, die nur auf
Ereignisse, nicht aber auf deren Bedeutung für die Person des
Erzählers/der Erzählerin eingehen, sind unvollständig. |
2 |
In einer Orientierung wird
über und den Schauplatz des Geschehens, die beteiligten Personen
(Protagonisten) und ihre Beziehungen, die Zeit und ggfs. wichtige
Handlungszusammenhänge berichtet. |
3 |
Das Geschehen wird in
Form einer Ereigniskette dargestellt. Da die Ereigniskette in Erzählungen
immer Interaktionen abbildet ,enthält sie Aussagen sowohl zum
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Verhalten und Erleben
der Interaktionspartner des Erzählers/der Erzählerin
als auch zum |
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Verhalten und Erleben
des Erzählers/der Erzählerin sowie |
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(nicht obligatorisch)
eine Schilderung der situationsgebundenen Deutungen des Erzählers
zum Zeitpunkt der Geschichte.
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Schilderungen des Verhaltens erfolgen vom
außenstehenden Standpunkt eines Betrachters und erfüllen
die Kriterien von ’Beschreibungen’: Ein anderer als
der Erzähler/die Erzählerin würde an seiner/ihrer
Stelle das Gleiche beobachtet haben, so die Unterstellung. Die Verbalisierung
des Erlebens kann unterteilt werden in die Schilderung von rationalen
Überlegungen und emotionalen Affekten. Erzählungen ohne
affektive Komponente sind unvollständig.
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4 |
Die Schilderung der Ereigniskette
enthält einen Ereignisknoten, das heißt einen Punkt, auf
den es dem Erzähler ankommt, und den er deshalb maximal detailliert.
Dies geschieht z.B. durch wörtliche Rede oder den Wechsel von
der Vergangenheitsform in den Gebrauch des Präsenz. Bei problematischen
Geschichten ist der Ereignisknoten der Punkt maximaler Komplikation.
Gute Erzählungen steigern die Aufmerksamkeit des Zuhörers,
indem sie Spannung aufbauen, beispielsweise durch Aneinanderreihung
von Komplikationen und das Weglassen von Informationen, die das Geschehen
für den Zuhörer normalisieren würden. Die in der Erzählsituation
erzeugte Spannung stellt idealerweise eine Wiederholung der emotionalen
Spannung/Belastung da, die die Erzählerin in der Ursprungssituation
erlebt hat. (Situation, Geschehen und Erleben sollen sich spiegeln.) |
5 |
Die Schilderung der Geschichte
endet entweder mit einer Lösung (des Ereignisknotens) oder mit
einer Problemverdeutlichung. |
6 |
Der Erzähler dokumentiert
die eigene individuelle Verarbeitung des Geschehens durch die Schilderung
seiner nachträglichen emotionalen Affekte und/oder seiner rationalen
Überlegungen. Diese Schilderung bleibt situations- und fallspezifisch. |
7 |
Bei gut durchgearbeiteten
Erlebnissen können die Schlussfolgerungen in einer persönlichen
Maxime verdichtet werden. Sie enthält ein Programm, wie der Erzähler
in ähnlichen Situationen in Zukunft handeln oder/und erleben/wahrnehmen
will. Es findet also gegenüber 6. eine Verallgemeinerung der
Einschätzung statt.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, allgemeine Konsequenzen
aus dem einzelnen Geschehnis für die Kultur, Gesellschaft oder
Organisationen zu ziehen. Solche über die individuelle Lebenspraxis
hinausreichende Geltungsansprüche sollen als Moral (von der Geschichte)
bezeichnet werden.
Ist dem Erzähler eine Verarbeitung der erlebten Geschichte (noch)
nicht möglich, so kann er seine Schwierigkeiten in einer erneuten
Problemverdeutlichung verstärken/zu Erkennen geben. Er macht
damit zugleich sein Interesse für eine Weiterbehandlung des Themas
deutlich.
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