Aufsatz Triangulation – Methode der Datenrückkopplung
   
Nachdem das Forscherteam Daten im untersuchten System erhoben und diese anschließend nach den Prinzipien der Kommunikativen Sozialforschung aufbereitet und ausgewertet hat, kann als ein weiterer Schritt im Forschungsprozess ein erneuter Kontakt zum untersuchten System/zu den Versuchspersonen im Rahmen einer Triangulationssitzung stattfinden.

Unter einer Triangulation versteht die Kommunikative Sozialforschung die Konfrontation der Datenproduzenten/des untersuchten Systems mit den von ihnen produzierten Daten bzw. den Daten, die im Verlauf des Forschungsprozesses aus den Ursprungsdaten generiert wurden, durch einen Forscher/ein Forscherteam in einem abgegrenzten Setting.

Bei den Daten, die während der Triangulation eingesetzt werden können, handelt es sich um die Ursprungsdaten, die während der Datenerhebung von den Forschern im untersuchten System erhoben wurden (Tonband- oder Videoaufzeichnungen, Fotos etc.) und die Produkte der Forschungstätigkeit, die auf den Ursprungsdaten basieren, wie z.B. Transkriptionen, Paraphrasen und Forschungshypothesen.


Rückkopplungen im Forschungsprozess


Die Triangulation als Modul im Forschungsablauf
1. Das beforschte System (oder seine Elemente) mit Dokumenten (Tonband, Transkription, Foto etc.) der Interaktion mit der Forschergruppe oder der eigenen Interaktion konfrontieren. Die Aufmerksamkeit dabei auf bestimmte Passagen lenken! (Ausschnitte!)
2. Nachdem genügend Selbstkommentare des beforschten Systems vorliegen, kann die Forschergruppe ihre eigenen Auswertungsergebnisse in geeigneter Form vorstellen.
3. Kommentare und Auswertungsergebnisse werden miteinander und mit den Transkriptionen verglichen.
4. Dieses Kontaktgespräch wird von der Forschergruppe aufgezeichnet und wie üblich ausgewertet.
5, Die Dokumentation des Kontaktgesprächs kann dem beforschten System in einer erneuten Triangulationssitzung vorgelegt werden. Es werden wiederum Selbstkommentare eingeholt, Auswertungsergebnisse vorgelegt und diskutiert.

Triangulation als Intervention in das beforschte System und die Konsequenzen für das Selbstverständnis des Forschers
Wie die Kommunikative Sozialforschung allgemein, so zeigt sich beim Triangulationsverfahren im Speziellen eine große Nähe zur Beratung. Triangulationssitzungen bieten den beforschten Systemen und ihren Elementen (Subsysteme oder auch einzelne Personen) die Möglichkeit sich mit ihrem Erleben, ihrem Verhalten, also mit ihren eigenen Programmen auseinanderzusetzen.

Selbstredend steht in der Kommunikativen Sozialforschung das Forschungsinteresse im Vordergrund. Betrachtet man den Forschungsprozess, der aus reinen Forschungsinteressen (und nicht aus dem Interesse an Beratung) entstanden ist, so zeigt sich, dass jeder Kontakt, jede Interaktion, zwischen Forschern und VP´ s eine Störung/Intervention in das beforschte System darstellt. Allein die Typisierung eines Systems als „beforschtes System“ stellt eine solche Störung dar, die dieses System anregt die eigenen Strukturen und Programme verstärkt zu beobachten und evtl. zu thematisieren. So kann beispielsweise die bloße Bekanntgabe, dass sich eine Forschergruppe durch Beobachtungen eines Betriebes mit dem Pausenverhalten der Angestellten beschäftigen wird diese Angestellten dazu bringen über ihr individuelles Verhalten, ihre Erwartungen an Zeit, Raum, Kollegen etc. nachzudenken. Jede Verstärkung oder Veränderung der individuellen Erwartungen kann dann als Ergebnis der Intervention durch die Forscher (Forschung) gewertet werden.

Die stärkste Intervention in das untersuchte System stellt sicherlich die Triangulationen dar, denn hierbei kommt es zu einer Gegenüberstellung von Fremdbildern (Hypothesen der Forscher über das beforschte System) und der Selbstwahrnehmung des Systems bzw. der VP´ s. Diese Konfrontation der beiden evtl. grundverschiedenen Bilder wird zwangsläufig zu einer Reaktion des Systems/der VP´ s führen. So kann es zu einem für die Vp´ s fruchtbaren Prozess der Selbstreflexion, - der Auseinandersetzung mit den eigenen Strukturen, den eigenen Programmen und Werten - durch das System/die VP´ s kommen, aber auch totale Abwehr/Leugnen des Fremdbildes ist möglich. Eine Triangulation führt somit zwangsläufig zu einer Störung des Gleichgewichts des beforschten Systems und damit verbunden u.U. zu einer intensiven (Selbst-) Reflexion der Strukturen und Programme des beforschten Systems. Das Ergebnis dieses Reflexionsprozesses kann der Erhalt und die Stabilisierung bestehender Strukturen und Programme, aber auch deren Veränderung, sein.

Die Triangulation als bewusst gestaltete Intervention in das untersuchte System
Das Wissen um die Wirkung der Triangulation als Intervention in das beforschte System muss sich in der Vorbereitung der Triangulation durch die Forscher niederschlagen. Eine, sich als einmischende/intervenierend definierende Forschung wie die Kommunikative Sozialforschung kann die aus ihrem Selbstverständnis erwachsende Verantwortung nicht leugnen. Interventionen in das beforschte System müssen daher gezielt vorgenommen werden und den Möglichkeiten ihrer VP´ s Rechnung tragen. So sollte sich jeder Forscher, der sich der Kommunikativen Sozialforschung verbunden fühlt, bei der Vorbereitung und bei der Durchführung von Triangulationen immer auch als Berater - und eben nicht nur als Forscher - definieren. Die Mitglieder des Forscherteams sollten ihr Vorgehen bewusst und verantwortungsvoll gestalten und den Prozess der Selbstreflexion den sie bei ihren VP´ s auslösen vorab ins Kalkül ziehen und evtl. unterstützend begleiten.
 
Die Triangulationssitzung
In der Triangulationssitzung (typischer Ablauf siehe Anlage 1) werden die VP´ s mit Dokumenten (Tonband, Transkription, Foto etc.) ihrer Interaktion konfrontiert. Bei den Dokumenten handelt es sich um Passagen, die das Forscherteam ausgewählt, um forschungsrelevante Aussagen oder Verhaltensweisen der VP´ s in der Triangulationssitzung zu fokussieren. Nach der Konfrontation mit den Dokumenten seines eigenen Verhaltens bekommt das untersuchte System bzw. seine Elemente Gelegenheit sich zu diesem zu äußern. Erst wenn genügend Selbstkommentare der VP´ s vorliegen geht die Forschergruppe dazu über die Analyseergebnisse ihrer Arbeit in geeigneter Form darzustellen. Hierbei handelt es sich um Hypothesen des Forscherteams über die Versuchspersonen bzw. über die Programme, die deren Interaktion zugrunde liegen. In einem weiteren Schritt werden die Selbstkommentare der Vp´ s mit den Auswertungsergebnissen der Forscher verglichen und diskutiert. Dabei können die Transkriptionen der ursprünglich erhobenen Daten eingesetzt werden. Die Hinzunahme der Transkriptionen hat nicht nur den Grund, dass man während der Diskussion eine Erinnerungsstütze in den Händen hält, vielmehr bieten die Transkriptionen den VP´ s einen weiteren Zugang zur eigenen Interaktion (zum eigenen Verhalten/ Äußerungen). Die in Anlage 2 und 3 angeführten Durchführungsbeispiele demonstrieren die wesentlichen Elemente und Ergebnisse einer Triangulationssitzung.

Kollektive Reflexion
Im Laufe einer Triangulationssitzung kommt es zu Reflexionsprozessen innerhalb des beforschten Systems, aber auch innerhalb des Systems, das von den Forschern und den VP´ s gebildet wird. Da die Datenerhebung, die zu den in der Sitzung diskutierten Daten geführt hat, ein kommunikativer Prozess war an dem Forscher und VP´ s beteiligt waren, kann sich die Reflexion der dabei zum tragen kommenden Programme nicht nur auf das beforschte System beziehen. Diese Reflexion bezieht immer auch die Forscher und die Beziehungen innerhalb der Gruppe (Forscher und VP´ s) mit ein.

Die von der Forschergruppe präsentierten Analyseergebnisse, die wiederum Resultat eines Kommunikationsprozesses sind, rückt zumindest zeitweise auch die Programme der Informationsverarbeitung der Forscher in den Mittelpunkt des Interesses, da die VP´ s naturgemäß den Weg der Hypothesengewinnung nachvollziehen wollen. Das Interesse an den Auswertungsschritten, die die Forscher vorgenommen haben wird gerade an Stellen, an denen VP´ s Ergebnisse ablehnen und sich in den Hypothesen nicht wiederfinden können der Fall sein.
Die Selbstkommentare, wie auch die anschließende Diskussion wird vom Forscherteam aufgezeichnet und ausgewertet (weitere Möglichkeit der Datenauswertung, wie z.B. Verfeinerung der Hypothesen, aber auch Anregung zu folgender Selbstreflexion der Forschergruppe!).

Beispiel für Krisenexperimente
Experimentelle Befragung des Inhabers: Man bringt einen Blumenstrauß mit, von dem man aufgrund der Beobachtung aus der 1. Phase der Untersuchung annimmt, dass man einen solchen in diesem Geschäft nicht bekommen würde (z.B. Unterschiede im Sortiment, Bindeart, Qualität) und konfrontiert ihn mit dem Ladeninhaber.

Vorschlag für einen Interviewleitfaden:
Was empfinden sie bei diesem Strauß?
Gefällt er ihnen?
Gibt es etwas, was sie daran besonders mögen/etwas was sie gar nicht mögen?
Können sie beschreiben, was sie sehen?
Würden sie selbst einen Strauß so gestalten?
Welcher Kundentyp würde einen solchen Strauß kaufen? (1)

Mögliche Rückkopplungsmedien bei Triangulation zwischen US und FT
Mögliche Rückkopplungsmedien in der Triangulation können sein:
Tonband, Video
Transkription/Notation (plus Dokumentation des Settings/der Person)
Tonband/Video plus Transkription (simultan)
Kreative Medien: Bild, Beziehungsbrett, Tanz, Phantasiereisen, Alltagsgegenstände

Als Rückkopplungsmedium können solche gewählt werden, die nahe an dem liegen, die das untersuchte System nutzt oder ganz andere, die dann den Verfremdungseffekt erhöhen, z.B.
Performance
Hypothesen, Auswertungsergebnisse, Modelle (sprachlich auf Papier)
Multimediales elektronisches Modell der Ergebnisse.

Leistungen/Wirkungen der Triangulation
Unter anderem kann die Triangulation folgende wesentlichen Leistungen erbringen:
Ermöglichen von Selbstreflexion durch Vorspielen des Verhaltens und Erlebens
Reziprozität zwischen Forscherteam und untersuchten System herstellen: Tausch von ‘Rückkopplung von Hypothesen des Forscherteams’ gegen die ‘Daten des untersuchten Systems’
Triangulation als Beratungs-/Supervisionssitzungen
Ermöglichen Spiegelungsphänomene zwischen Aufnahmesituation/untersuchtes System und Triangulationssitzung und damit auch Spiegelverkehrungen/Rollentausch
Forscherteam als Katalysator für die Spiegelungen.

Zusammenfassung
1. Das beforschte System (oder seine Elemente) mit Dokumenten (Tonband, Transkription, Foto etc.) der Interaktion mit der Forschergruppe oder der eigenen Interaktion konfrontieren. Die Aufmerksamkeit dabei auf bestimmte Passagen lenken! (Ausschnitte!)
2. Nachdem genügend Selbstkommentare des beforschten Systems vorliegen, kann die Forschergruppe ihre eigenen Auswertungsergebnisse in geeigneter Form vorstellen.
3. Kommentare und Auswertungsergebnisse werden miteinander und mit den Transkriptionen verglichen.
4. Dieses Kontaktgespräch wird von der Forschergruppe aufgezeichnet und wie üblich ausgewertet.
5. Die Dokumentation des Kontaktgesprächs kann dem beforschten System in einer erneuten Triangulationssitzung vorgelegt werden. Es werden wiederum Selbstkommentare eingeholt, Auswertungsergebnisse vorgelegt und diskutiert.

www.kommunikative-welt.de Methoden ©Michael Giesecke