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Die Besonderheit sozialwissenschaftlicher Forschung aus spiegelungstheoretischer Sicht |
Eine Besonderheit sozialwissenschaftlicher
Forschung liegt darin, dass die Forscher und ihre Untersuchungsgegenstände
von der gleichen 'Art' sind: Soziale Systeme oder, im Falle der Psychologie,
psychische Systeme untersuchen soziale Systeme oder psychische Systeme
und deren Elemente. Aufgrund dieser Ähnlichkeit erfahren die Forscher,
obwohl sie sich mit ihrer Umwelt beschäftigen, auch immer etwas über
sich. Weiter ist anzunehmen, dass die Versuchspersonen (Vp) oder Datenproduzenten
und die Forscher einander beeinflussen. Die 'gemeinsame Menschlichkeit'
(Devereux) macht Interaktion und Rückkopplung wahrscheinlich und
sie führt auch dazu, dass gleiche Kommunikationsmedien von den Forschern
und von deren Umwelt benutzt werden. Natürlich gibt es auch Gemeinsamkeiten zwischen den menschlichen Forschern und der Natur oder Technik. Der Mensch besteht z.B. auch aus chemischen Elementen oder Atomen und bewegt sich nach 'mechanischen' Prinzipien, aber diese Gemeinsamkeiten scheinen zu gering zu sein, als dass sie vom Forschen als störend empfunden werden. Man erfährt mehr über sich als Mensch, wenn man etwa Säugetiere untersucht als wenn man Amphibien untersucht, bei Amphibien mehr als bei Pflanzen usw. Die größte Nähe zwischen den Forschern und ihren Gegenständen stellt sich aber her, wenn sie andere Menschen als soziale oder psychische Wesen gleich ihnen untersuchen. Spiegelungstheoretisch ausgedrückt, geht es hier um das Phänomen, dass Widerspiegelungen zwischen artgleichen Spiegeln/Medien weniger Verzerrungen aufweisen, weniger irritieren als solche zwischen unterschiedlichen Medien. Diese strukturelle Ähnlichkeit zwischen der sozialwissenschaftlichen Forschung und ihren Gegenständen führt sowohl bei der Erhebung als auch bei der Auswertung, Überprüfung und Nutzung der Daten zu Problemen, die in den Naturwissenschaften und in der Technik unbekannt sind - oder doch zumindest nicht als störend wahrgenommen werden. Mit diesem Problemen haben sich die Sozial- und Geisteswissenschaftler immer wieder beschäftigt, und ihre jeweiligen Lösungsangebote sind zum Kristallisationspunkt für Methodologien und Forscherschulen geworden. (Vgl. Hermeneutik, George Devereux, Aktionsforschung). |