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Die drei Standpunkte: Hörer, Sprecher und Beobachter |
1. | Zum einen kann sich der Beobachter auf den Standpunkt des Hörers stellen und versuchen, mit dessen (unterstellten) Relevanzsystemen zu verstehen, welche Bedeutung dieser den Äußerungen des Sprechers zuschreibt, welchen Standpunkt und welche Perspektive er dem Sprecher unterstellt. Voraussetzung hierfür ist, dass der Beobachter den Standpunkt und die Perspektive des Zuhörers für sich ausbuchstabiert. Das Ergebnis dieser Rekonstruktion der Bedeutungszuschreibung ist eine Paraphrase. Sie wird als Verbalisierung der Repräsentation der Äußerung des Sprechers beim Hörer verstanden. Natürlich ist diese Paraphrase - sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der alltäglichen Kommunikation - eine Hypothese: man kennt die genaue Bedeutungszuschreibung nicht. Da die Bedeutungszuschreibungen standort- und perspektivenabhängig sind, können, je nach den unterstellten Standorten und Perspektiven unterschiedliche Paraphrasen gebildet werden. Paraphrasen gelten insofern immer nur in Abhängigkeit von - im Alltag selten ausbuchstabierten - situativen Bedingungen: Wenn der Zuhörer den Standpunkt X und die Perspektive Y einnimmt, dann wird er der Äußerung des Sprechers die paraphrasierte Bedeutung zuschreiben. |
2. | Der Beschreiber kann sich
auch auf den Standpunkt des Sprechers stellen und versuchen, die Situationsdefinitionen
und die Intentionen, die dieser bei seinen Äußerungen verfolgt,
zu bestimmen. Wir bezeichnen dieses Herangehen im Gegensatz zu den eben
genannten Verfahren als 'interpretativ'. Interpretative Verfahren werden von uns nur in Ausnahmefällen und dann zusätzlich zu den rekonstruktiven Verfahren angewendet. Wir gehen zunächst von der Hypothese aus, dass die Bedeutungszuschreibung, die der Zuhörer vornimmt, auch diejenige Bedeutung ist, die der Sprecher mit seiner Äußerung ausdrücken wollte. Ist dies nicht der Fall, so nehmen wir an, dass der Sprecher in einer darauffolgenden Äußerung selbst eine Paraphrase seiner Äußerung dahingehend vornimmt, dass seine eigene Bedeutungszuschreibung dem Zuhörer deutlicher wird. Eine Ausbuchstabierung der Intention des Sprechers wird dann erforderlich, wenn die Äußerungen strategisch eingesetzt werden. |
3. | Der Beobachter versucht gar nicht, sich auf den Standpunkt eines der Interaktionsbeteiligten zu stellen, sondern er nimmt einen vorher definierten (wissenschaftlichen) Standpunkt und ein ausbuchstabiertes Relevanzsystem ein und konstruiert von hier aus die Bedeutung der Äußerung oder Handlung des Sprechenden/ Handelnden. Das Ergebnis solcher Betrachtungen sind wissenschaftliche 'Konstruktionen' oder 'Kodierungen'. Bei diesen 'Konstruktionen' geht es nicht darum, in irgendeiner Weise das Verständsnis der Handelnden von ihren Interaktionen nachzuvollziehen, sondern es geht darum, den Äußerungen eine Bedeutung im Rahmen der angelegten wissenschaftlichen Heuristik zuzuschreiben. |