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Validität |
Den mikroanalytischen Verfahren wird typischerweise
vorgeworfen, sie hätten keine wissenschaftliche Aussagekraft, weil
ihre Ergebnisse nur auf Einzelfällen beruhen. In der Tat haben die
Ergebnisse solcher Untersuchungen keine statistische Validität im herkömmlichen
Sinne. Dort geht man bekanntlich nach der Regel vor: Ein Forscher, typischerweise
ist immer von ‘dem Beobachter’ die Rede, wendet seine Verfahren
auf viele Fälle an. Idealerweise sollen seine Ergebnisse dann von anderen
Forschern ‘kontrolliert’ werden. Solche ‘Wiederholungen’
sind allerdings selbst bei einfachen Versuchen in den Sozialwissenschaften
selten, bei einigermaßen komplexen Versuchsaufbau finden sie kaum
je statt – und wenn, dann führen sie i.a.R. zu abweichenden Ergebnissen.
Diskrepanzen bei solchen Untersuchungen lassen sich leicht mit abweichenden
Versuchsbedingungen erklären. Da reicht es in der Ethologie schon aus,
dass unterschiedliche ‘Arten’ von Meerschweinchen bei den Experimenten
verwendet wurden. Ganz abgesehen also von der riskanten theoretischen Vorannahme
des quantitativen Paradigmas, dass sich nämlich komplexe natürliche
und soziale Vorgänge wiederholen lassen, gibt es also eine Vielzahl
von praktischen Problemen, die im Endeffekt dazu führen, dass Ergebnisse,
die nach diesen Paradigma gewonnen wurden, faktisch gar nicht intersubjektiv
überprüft wurden. Sie haben den Status von nach besten Wissen
und Können aber ziemlich einsam gewonnenen Behauptungen. Und sie behalten
diesen Status, wie die Wissenschaftsgeschichte ausweist, auch zumeist. Die kommunikative Sozialforschung folgt einem anderen Grundgedanken: Viele Forscher sollten ihre, zunächst unterschiedlichen Hypothesen an ein und demselben Datenmaterial ausprobieren, bis sich intersubjektiv konsensfähige Thesen herausbilden. Dazu ist, wie in jeder Beratung, ein kooperatives Gespräch und Selbstbeobachtung erforderlich. Die Thesen können dann in einem zweiten Schritt auch auf anderes Datenmaterial angewandt werden, um so schrittweise Kenntnisse über den Geltungsbereich der Thesen zu erlangen. Während nach dem quantitativen Paradigma also eine bestimmte ‘Quantität’ von Daten vorausgesetzt wird, erfordert das kommunikative Paradigma auch eine bestimmte Quantität von Forschern. Man kann valide Ergebnisse nicht im Alleingang, als einsame Forscher erreichen. Das Forschungssystem kann und soll hier nicht als einzelne Person handeln und aufgefasst werden – wie dies in der wissenschafts- bzw. erkenntnistheoretischen Literatur seit der frühen Neuzeit unisono getan und gefordert wird. Wir haben es nicht mit ‘dem’ Betrachter zu tun, nicht einmal in erster Linie mit einem psychischen System, sondern mit einem sozialen System, eben einem Forscherteam, welches sich verschiedener psychischer Systeme (Personen) als Sensoren, Reflektoren, Speicher und Effektoren bedient. Die Ergebnisse der kooperativen Anstrengungen der Mitglieder des Forscherteams besitzen von vornherein intersubjektive Geltung, soziales Spezifitätsniveau. Sie sind intersubjektiv überprüfte Aussagen über eine begrenzte Zahl von Fällen. Und sie laden, aber darin unterscheiden sie sich überhaupt nicht von den Ergebnissen der sogenannten quantitativen Forschung, andere Forscherteams dazu ein, zu überprüfen, inwieweit sich die Thesen auch auf weitere Fälle anwenden lassen. |