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"Ich hatte immer mehr Bäume als Freunde". Motive und unbewusste Wünsche von Gartenbaustudenten bezüglich Ihres Studiums |
Fragestellung: |
Ziel der Untersuchungen hier war, die biographischen Strukturen von Gartenbaustuddierenden herauszuarbeiten, Ähnlichkeiten und Kontraste zu kondensieren um herauszufinden, ob es z.B. eine 'typische Gärtnergeschichte' verbunden mit typischen Ansprüchen und Wünschen an den Beruf gibt und wie diese aussehen. Dabei interessieren nicht so sehr die manifesten Eckpunkte der Biographie sondern vielmehr die oft unbewussten Motive, Erwartungen und Entscheidungen. Praktisch nutzen kann eine solche Untersuchung z.B. den Berufsberatungen, stützend auf typische Muster können die Berater leicht die Beweggründe ihrer Klienten damit abgleichen und so letztlich prognostizieren, zu welcher Zufriedenheit die Ausübung eines Berufes oder eines Studiums bei den einzelnen Klienten führt. Zudem dienten die Forschungsergebnisse der Forschungsinstitution selbst, die zugleich auch Ausbildungsinstitution ist, als Basis für die Anpassung der Lehrinhalte und -formen an die ermittelten (unbewussten) Wünsche der Studenten. |
Material: |
Über zwei Jahre wurden mit ca. 30 Studentinnen und Studenten, Doktoranden und Doktorandinnen des Gartenbaus, der Landespflege und von Biologie narrative Interviews geführt und mit mikro- und makroanalytischen Verfahren im Hinblick auf gemeinsame und verschiedene Strukturen der Lebensgeschichte, Ähnlichkeiten der unbewussten Wünsche und Projektionen bei der Berufswahl untersucht. In einem parallel laufenden Projekt wurde diese Untersuchung mit anderen Angehörigen gärtnerischer Berufe gemacht. Einen Überblick über die Ergebnisse der Untersuchung zeigt die Tabelle, im Folgenden wird dann ein Motiv exemplarisch am Beispiel eines Studenten ausführlich erläutert. |
Motive für die Aufnahme des Gartenbaustudiums |
Explizite Motive | Latente Motive und Wünsche / Bedeutung von Pflanzen | dem Studium unbewusst zugeschriebene Aufgabe | Zufriedenheit mit dem Studium |
Umweltschutz | Zumeist: kein klares Berufs- und Lebensziel Angst vor Veränderungen | Schutz gegenüber der Umwelt vor Entscheidungszwang | Individuell sehr unterschiedlich |
Liebe zu Pflanzen | Pflanzen als: | ||
Ersatz für Menschen | Beziehungen zu Pflanzen intensivieren, (z.B. intensive Kulturarbeit) | im Grundstudium niedrig, danch oft hoch | |
Kommunikationsmedium | Kommunikation verbessern | sehr unterschiedlich | |
Objekt der Bewunderung | ‘gemeinsames Anbeten der Natur’, Gleichgesinnte finden | niedrig | |
Objekt der Einflussnahme | Einflussnahme optimieren, z.B. Pflanzenernährung | hoch | |
Objekt der Veränderung | Eingriffe in die Natur, z.B. Genetik | mäßig bis hoch | |
höherer gesellschaftlicher Status und Verdienst | Machtgewinn | meist niedrig | |
NC hat für Landespflege nicht gereicht | Räumliche Nähe zur Landespflege ermöglicht Wechsel | Oft ‘Parkstudium’ | zwangsläufig niedrig |
Uwe N. Eine exemplarische Untersuchung der unbewussten Motive und Wünsche an das Gartenbaustudium |
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Für viele Gartenbaustudenten und auch andere Angehörige gärtnerischer Berufe liegt ein zentrales Motiv der Hinwendung zur Pflanze in der Abwendung vom Menschen. Pflanzen nehmen den Platz von anderen Menschen im Leben ein und entsprechend wird das Leben und mithin der Beruf um die Pflanze ‘herumorganisiert’. Uwe N. , ein 21 jähriger Student des Gartenbaus im 5. Semester drückt die Substitution von Menschen durch Pflanzen in seinem Leben explizit aus: "ja / ich bin in 'ner Baumschule aufgewachsen / hatte immer mehr Bäume als Freunde (lacht) / also recht einsame Lage auf dem Land richtig / kleine Baumschule" (Z. 20ff) Die Aussage fasst zusammen, was sich strukturell in vielen Interviews abzeichnet. Die Pflanzen bilden als Hinwendungsobjekt, oft schon von Kindheit an, das Zentrum im Leben der Studenten, sie sind dabei offenbar kein 'notdürftiger' Ersatz für Menschen, sondern werden diesen vorgezogen. Darauf deutet denn auch die Reaktion des Interviewers - ebenfalls eines Gartenbaustudenten - auf obige Äußerung: "hast Du als Kind schon äh gesehen wie Pflanzen wachsen" Für ihn als Gartenbaustudenten entspricht das offenbar der Normalform, anteilnehmende Freude an den Möglichkeiten der geschilderten Kindheit drückt er aus (die an andere Stelle noch verstärkt wiederholt wird). Interviewer und Interviewter sind 'auf einer Wellenlänge', was erst richtig deutlich wird, wenn man einmal andere mögliche Reaktionen auf die Schilderung von Uwe ausprobiert: |
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"war das nicht langweilig, so abgelegen zu wohnen?" |
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"Ach Du Armer, nur mit Bäumen aufzuwachsen, ohne Freunde..." |
So hätte vielleicht ein Psychologiestudent reagiert. Hier zeigt sich im Übrigen, wie wichtig die Selbstreflexion des Forschungsteams ist. Dadurch, dass der Interviewer dem Interviewten an dieser Stelle vermittelt, 'ich sehen die Welt genau so wie Du' öffnet Uwe sich ihm und erzählt im weiteren Verlaufe Aspekte seiner Liebe zu Pflanzen, die er jemandem, 'der ihn nicht versteht' sicherlich nicht erzählt hätte. Für die Ersetzung von Menschen durch Pflanzen gibt es bei den von uns untersuchten Studenten verschiedene Motive, bzw. sind verschiedene weitere Motive für die Liebe zu Pflanzen damit verwoben. (s. Tabelle) Bei Uwe ist es das Bedürfnis, die Pflanzen, die unter seiner Obhut gedeihen, zu kontrollieren, Einfluss auf Ihr Wachstum, Auf Ihre Gesundheit und auf ihre Aussehen zu haben. Für ihn steht bei der Faszination der Pflanzenwelt nicht im Vordergrund, dass Pflanzen sich 'scheinbar aus sich selbst heraus' reproduzieren und wachsen, sondern im Gegenteil liegt für ihn der Schwerpunkt darauf, dass sie zum Wachsen des menschlichen Zutuns bedürfen, z.B. in Form von Düngergaben: "aber halt diese Begeisterung zu sehen/den Effekt zu sehen oder so (k) und ich glaube wenn man jetzt noch die Düngermenge optimiert/ist ja was anderes/aber z.B. zu sehen irgendwie die Pflanzen waren 'nen bisschen blass / und dann gibt man da Stickstoff drauf/ und dann werden die auf einmal schön saftig dunkelgrün und fangen an zu wachsen (´) das ist schon was" (Z. 442- 448) Uwe betont in seiner Wahrnehmung der Pflanzenwelt den Einflussfaktor Mensch - sprich seinen eigenen - so stark, dass er die 'natürlichen' Einflussfaktoren zunächst völlig aus seinem Weltbild ausschließt: Sein Gartenstück, dass er als Kind beackern durfte, "lag leider absolut im Schatten/und ich wusste damals noch nicht(k) es war vielleicht so mit 9 oder 10 Jahren / dass Pflanzen zum Wachsen Licht brauchen" (Z. 36-39) Für ein neunjähriges Kind, dessen Passion Pflanzen sind und das in einer Baumschule aufwächst, ist das eine sehr beachtenswerte Wissenslücke, offenbar gehört es aber zum Selbstverständnis der Baumschulfamilie, die menschliche Bedeutung für das Pflanzenwachstum höher zu bewerten als die natürlichen Faktoren, wie auch der Interviewer bemerkt: "aber Deine Eltern, die Dir äh das Stück Land gegeben haben/die hätten das wissen müssen." (Z. 45/46) Der letzte Beitrag zum Interview von Uwe charakterisiert seine (stellvertretend für eine ganze Gruppe von Studierenden) Motivation Gartenbau zu studieren und seine Beziehung zu Pflanzen noch einmal sehr treffend und enthält im Übrigen auch Hinweise darauf, warum dieser Typ öfter bei Männern denn bei Frauen zu finden ist.: "Uwe: also wenn ich jetzt äh (k) meine Cousine hat (k) kriegt nen Kind und pflanzt nen Baum (´) wenn ich nen Jahr später komme/ äh wie das wie das Kind gewachsen ist/ das find ich nicht so toll/ wie der Baum gewachsen ist /also mich würd der Baum gewachsen ist in dem Jahr wo ich nicht bei meiner Cousine war/ mehr faszinieren als das Kind meiner Cousine Int.: kannst Du Dir das erklären(') Uwe: ja ich liebe auch die Menschen/aber vielleicht nehme ich die Menschen als etwas selbstverständliches hin/was von alleine wächst und die Pflanzen halt immer noch als 'n Geschenk/ was noch eine Zugabe ist(.) obenauf gegeben sozusagen" (Z. 454-470) Dieser Wunsch an das Studium, den eigenen Einfluss auf das Gedeihen von Pflanzen zu optimieren, kann der Student verwirklichen. Er beschreibt sich selbst als zufrieden mit seinem Studium: " dieses theoretische Lernen so von der Uni/ das macht mir halt auch viel Spaß" (Z. 370/371) Es zeigt sich übrigens, dass Studenten, die Pflanzen als Objekt ihrer Einflussnahme betrachten, insgesamt viel zufriedener mit dem Studium sind, als jene, die Pflanzen eher als Objekt der Bewunderung repräsentieren, d.h. für die die Unabhängigkeit des pflanzlichen Lebens vom Menschen im Vordergrund steht. Im Studiengang Gartenbau werden entgegen der Meinung vieler Studenten eben nicht die 'Mysterien der Natur' bewundert. |