Katja Lill
Es handelt sich um die erste Diplomarbeit
im Fach Kommunikationslehre, in der nicht Menschen und Pflanzen, sondern
die Dreiecksbeziehung zwischen Tieren, Menschen und Pflanzen zum Untersuchungsgegenstand
gemacht wird. Speziell geht es um den Einsatz von 'Nützlingen', nicht
im Freiland, sondern in Räumen, die vorwiegend anderen, sozialen Zwecken
dienen. Wir haben also Räume vor uns, in denen schon die Pflanzen
u.a. als Medium der Krisenbewältigung (Klimaverbesserung) eingesetzt
werden und die Nützlinge genutzt werden, um Funktionsstörungen
bei den Pflanzen zu bewältigen. (Steuerungsmedien 2. Ordnung)
Alle Steuerungsmedien haben auch Kontrollfunktion
und sie können vom Menschen als Kontrolleure wahrgenommen werden.
Es kann dann zu Spannungen führen, wenn der Mensch die alleinige Kontrollfunktion
über sein 'Haus' beansprucht. Die regulierende Kraft der Pflanzen
und Nützlinge wird als Kontrollverlust des Menschen erlebt. In den
Häusern/Räumen herrschen neben den Menschen auch noch Pflanzen
und Tiere - und zwar teilweise eben mit gegenläufigen Interessen.
Je lebendiger diese Agenten sind, umso stärker können sie vom
Menschen als Konkurrenz/Gegenmacht erlebt werden. (Es gibt also ein Spannungsverhältnis
zwischen Lebendigkeit und Kontrollierbarkeit dergestalt, daß wachsende
Lebendigkeit mit wachsendem Kontrollverlust für den Menschen einher
geht.)
Die Kandidatin kommt in ihrer Ergebniszusammenfassung
im Kapitel 7.7 zu der Feststellung, "daß die Gründe, die zur
Ablehnung eines Nützlingseinsatzes genannt werden, sehr individuell
sind." (89) Ebenso sind auch 'die Gründe der Ablehnung eines Nützlingseinsatzes'
und 'die Möglichkeiten der Akzeptanzerhöhung sehr individuell'.
(90) "Die Innenraumbegrünung/Zimmerpflanzen und die möglichen
Insekten daran haben für die Interviewpartner sehr unterschiedliche
Bedeutung" (92) Der für Gärtner und Gartenbaustudenten naheliegende
Glaubenssatz 'Nützlinge sind eine prima Pflanzenschutzmethode und
erleichtern mir die Arbeit' (94) darf also, so das Ergebnis dieser Arbeit,
nicht verallgemeinert werden. Es kommt vielmehr darauf an, bei jedem Gegenüber
erneut zu ergründen, welche Bedeutungen er Wild- und Kulturpflanzen,
Schädlingen und Nützlingen zuweist. Die Fähigkeit, solche
Programme und Grundannahmen beim Gegenüber zu erkennen oder sie kommunikativ
zu erzeugen, ist weit wichtiger, als die Kenntnis gartenbauwissenschaftlicher
Fakten. Gerade deren Erhebung zu einem gesellschaftlichen Programm/Konsens
erschwerte jedenfalls im Falle der Kandidatin die Verständigung in
ihrer Rolle als Gärtnerin mit Kundinnen und Kunden. (S. 94)
Man kann dies durchaus als ein Plädoyer
für kommunikative Schlüsselqualifikationen in einer Zeit werten,
in der in immer mehr Lebensbereichen kein Konsens mehr über normale
Formen, Grundannahmen und Werte besteht. Dies deckt sich ja auch mit Ergebnissen
aus anderen Diplomarbeiten über die 'symbolische' (gesellschaftliche)
Bedeutung von Pflanzen und Blumen. Die Vermittlung von Symbolbedeutung
etwa in der Floristik führt in die Irre, weil die Kunden einen solchen
Kanon nicht mehr akzeptieren.
Ein zweites wichtiges Ergebnis dieser Arbeit
kommt durch die Berücksichtigung der Repräsentationssysteme zustande.
"Auffällig ist, daß alle Interviewpartner die Insekten überwiegend
kinästhetisch beschrieben haben." (91) Die Kandidatin versäumt
es nicht, hieraus praktische Konsequenzen für die zentrale Frage ihrer
Diplomarbeit, wie nämlich "die Akzeptanz des Nützlingseinsatzes
in der Innenraumbegrünung erhöht werden kann, zu ziehen." Die
Informationen zum Nützlingseinsatz sollten dementsprechend auf das
Gefühl/Gespür der Menschen zielen und nicht auf das Auge. Die
Menschen müssen einen Nützlingseinsatz [körperlich] erleben,
und dabei müssen sie erleben, daß sie nichts erleben. " - weil
eben diese Nützlinge so mikroskopisch und überwiegend ortstreu
sind, daß sie gar nicht bemerkt werden. (93) Dies bedeutet natürlich
auch, daß verbale (auditive) und visuelle Informationen wenig Überzeugungskraft
für diejenigen haben, die ihre Ablehnung gegen die Nützlinge
kinästhetisch repräsentieren. Hier kann in der Tat nur der 'Ernstfall'
zu einer Einstellungsänderung führen. Das setzt Aufklärungkampagnen
enge Grenzen und macht eine rasche Ausweitung des Nützlingseinsatzes
als Schädlingsbekämpfungsinstrument in privaten und schwach institutionalisierten
Bereichen nicht gerade wahrscheinlich. |