Gründe für die Ablehnung von Nützlingseinsatz in der Innenraumbegrünung und Möglichkeiten der Akzeptanzerhöhung

Eine Untersuchung mit Mitteln der kommunikativen Sozialforschung

Katja Lill, Dezember 1998

Es handelt sich um die erste Diplomarbeit im Fach Kommunikationslehre, in der nicht Menschen und Pflanzen, sondern die Dreiecksbeziehung zwischen Tieren, Menschen und Pflanzen zum Untersuchungsgegenstand gemacht wird. Speziell geht es um den Einsatz von 'Nützlingen', nicht im Freiland, sondern in Räumen, die vorwiegend anderen, sozialen Zwecken dienen. Wir haben also Räume vor uns, in denen schon die Pflanzen u.a. als Medium der Krisenbewältigung (Klimaverbesserung) eingesetzt werden und die Nützlinge genutzt werden, um Funktionsstörungen bei den Pflanzen zu bewältigen. (Steuerungsmedien 2. Ordnung)
Alle Steuerungsmedien haben auch Kontrollfunktion und sie können vom Menschen als Kontrolleure wahrgenommen werden. Es kann dann zu Spannungen führen, wenn der Mensch die alleinige Kontrollfunktion über sein 'Haus' beansprucht. Die regulierende Kraft der Pflanzen und Nützlinge wird als Kontrollverlust des Menschen erlebt. In den Häusern/Räumen herrschen neben den Menschen auch noch Pflanzen und Tiere - und zwar teilweise eben mit gegenläufigen Interessen. Je lebendiger diese Agenten sind, umso stärker können sie vom Menschen als Konkurrenz/Gegenmacht erlebt werden. (Es gibt also ein Spannungsverhältnis zwischen Lebendigkeit und Kontrollierbarkeit dergestalt, daß wachsende Lebendigkeit mit wachsendem Kontrollverlust für den Menschen einher geht.)

Die Kandidatin kommt in ihrer Ergebniszusammenfassung im Kapitel 7.7 zu der Feststellung, "daß die Gründe, die zur Ablehnung eines Nützlingseinsatzes genannt werden, sehr individuell sind." (89) Ebenso sind auch 'die Gründe der Ablehnung eines Nützlingseinsatzes' und 'die Möglichkeiten der Akzeptanzerhöhung sehr individuell'. (90) "Die Innenraumbegrünung/Zimmerpflanzen und die möglichen Insekten daran haben für die Interviewpartner sehr unterschiedliche Bedeutung" (92) Der für Gärtner und Gartenbaustudenten naheliegende Glaubenssatz 'Nützlinge sind eine prima Pflanzenschutzmethode und erleichtern mir die Arbeit' (94) darf also, so das Ergebnis dieser Arbeit, nicht verallgemeinert werden. Es kommt vielmehr darauf an, bei jedem Gegenüber erneut zu ergründen, welche Bedeutungen er Wild- und Kulturpflanzen, Schädlingen und Nützlingen zuweist. Die Fähigkeit, solche Programme und Grundannahmen beim Gegenüber zu erkennen oder sie kommunikativ zu erzeugen, ist weit wichtiger, als die Kenntnis gartenbauwissenschaftlicher Fakten. Gerade deren Erhebung zu einem gesellschaftlichen Programm/Konsens erschwerte jedenfalls im Falle der Kandidatin die Verständigung in ihrer Rolle als Gärtnerin mit Kundinnen und Kunden. (S. 94) 
Man kann dies durchaus als ein Plädoyer für kommunikative Schlüsselqualifikationen in einer Zeit werten, in der in immer mehr Lebensbereichen kein Konsens mehr über normale Formen, Grundannahmen und Werte besteht. Dies deckt sich ja auch mit Ergebnissen aus anderen Diplomarbeiten über die 'symbolische' (gesellschaftliche) Bedeutung von Pflanzen und Blumen. Die Vermittlung von Symbolbedeutung etwa in der Floristik führt in die Irre, weil die Kunden einen solchen Kanon nicht mehr akzeptieren.
Ein zweites wichtiges Ergebnis dieser Arbeit kommt durch die Berücksichtigung der Repräsentationssysteme zustande. "Auffällig ist, daß alle Interviewpartner die Insekten überwiegend kinästhetisch beschrieben haben." (91) Die Kandidatin versäumt es nicht, hieraus praktische Konsequenzen für die zentrale Frage ihrer Diplomarbeit, wie nämlich "die Akzeptanz des Nützlingseinsatzes in der Innenraumbegrünung erhöht werden kann, zu ziehen." Die Informationen zum Nützlingseinsatz sollten dementsprechend auf das Gefühl/Gespür der Menschen zielen und nicht auf das Auge. Die Menschen müssen einen Nützlingseinsatz [körperlich] erleben, und dabei müssen sie erleben, daß sie nichts erleben. " - weil eben diese Nützlinge so mikroskopisch und überwiegend ortstreu sind, daß sie gar nicht bemerkt werden. (93) Dies bedeutet natürlich auch, daß verbale (auditive) und visuelle Informationen wenig Überzeugungskraft für diejenigen haben, die ihre Ablehnung gegen die Nützlinge kinästhetisch repräsentieren. Hier kann in der Tat nur der 'Ernstfall' zu einer Einstellungsänderung führen. Das setzt Aufklärungkampagnen enge Grenzen und macht eine rasche Ausweitung des Nützlingseinsatzes als Schädlingsbekämpfungsinstrument in privaten und schwach institutionalisierten Bereichen nicht gerade wahrscheinlich.