Der Mensch als multisensuelles Informationssystem
( Empirische Untersuchungsergebnisse)

 

 
Erol Osman vom Institut für Medizinische Psychologie der Universität München stellte Versuchspersonen die folgende Aufgabe:Er legte ihnen Abbildungen von dreidimensionalen Gebilden aus vier miteinander verbundenen Kugeln vor. Sie sollten entscheiden, ob weitere, aus anderer Perspektive aufgenommene Bilder die gleiche Figur zeigten. Die menschlichen Testteilnehmer wurden dafür unterschiedlich vorbereitet: Eine Gruppe betrachtete in der Trainingsphase verschiedene zweidimensionale Abbildungen der Objekte. Eine zweite durfte die Kugelgebilde am Computerbildschirm per Mausklick rotieren lassen. Die dritte Gruppe bekam reale dreidimensionale Modelle in die Hand gedrückt - und schnitt beim anschließenden Text sehr viel besser ab als die übrigen."Wir waren ziemlich erstaunt", so Osman, "daß das virtuelle Drehen der Gegenstände am Bildschirm den Versuchspersonen gar nicht half". Erst das tatsächliche Be-Greifen erleichterte die Aufgabe. Dies ist allerdings für Pädagogen vielleicht keine ganz so überraschende Nachricht.Das von der Münchener Arbeitsgruppe parallel getestete Computersystem CLARET zeigte im Versuch ähnliche Fähigkeiten wie die Personen, die nur visuelle Informationen erhalten hatten. Doch an die Menschen mit handgreiflichen Erfahrungen reichte es nicht heran. Die über das Auge aufgenommenen Informationen bestimmen also nicht allein, welche Bilder das Hirn erkennt. Andere Sinne liefern weitere Anhaltspunkte und doppelt hält offensichtlich besser.(Wiebke Rögener: Wie Gehirn und Computer sich ein Bild machen. In: Süddeutsche Zeitung, Nr. 123, 1.06.99, S. V2/9)Der multisensuelle und massiv parallel verarbeitende Charakter des Menschen macht es im übrigen auch unwahrscheinlich, daß technische Informationssysteme seine multimedialen Wahrnehmungs- und Verarbeitungsleistungen simulieren können. Diese werden im wesentlichen monomedial arbeiten und sie können deshalb die auf der Multimedialität beruhende Spezifik der menschlichen Psyche nicht nachahmen. Statt einfach hinzugreifen und entsprechende taktile Informationen auszuwerten muß ein videotechnisches System etwa riesige Mengen an visuellen Informationen sammeln - und es bleibt dennoch unsicher, ob es die Objekte zutreffend diskriminiert.Nimmt man diese Einsicht ernst, so wird es unabweisbar, die Technik als Unterstützungsmedium für menschliche und soziale Systeme zu konzipieren.

www.kommunikative-welt.de Theorie ©Michael Giesecke