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Widerspiegelungen zwischen Mensch und Pflanze
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"Jeder gibt gern zu, dass, wenn das Kind nicht eben so lebendig und gefühlsbegabt als die Mutter wäre, die Mutter auch keine lebendige Liebe und Freude daran haben könnte. Und so scheint es mir in derselben Verknüpfung zu liegen, daß wir uns nicht mit so viel Seele für die Blumen interessiren könnten, als wir es thun, wenn sie nicht selbst so viel Seele hätten; unstreitig aber haben sie noch bei Weitem mehr, als unser Interesse für sie verräth; weil doch die Blumen uns nur zu ferne verwandt sind, als daß wir den Ausdruck ihrer Seele so leicht verstehen könnten wie die Mutter den des Kindes. Aber es ist doch noch so viel davon da, um den Schluß für das Mehrere auch anknüpfen zu können.Will der Verstand auf alles das nicht eingehen? Wohlan, so beweisen wir ihm, daß er es unwillkürlich doch thut. Selbst Philosophen haben, ganz ohne den Gedanken an eine wirkliche Seele der Pflanzen unterzulegen, das in seiner Art selbstständige charaktervolle Treiben des menschlichen Gemüths durch das analoge der Pflanzen erläutert, also doch den Ausdruck des einen im andern wiedergefunden. "So wie die Pflanze, sagt Lotze in seiner Abhandlung über die Bedingungen der Kunstschönheit (S. 55.), aus ihrem Keime alle Theile ihrer Gestalt mit eigner inwohnender Triebkraft entwickelt, und Wolken und Winde sie nie zu etwas Anderm machen, als ihre Bestimmung war, so ruht auch jedes einzelne Gemüth völlig auf sich selbst, ein aus dem Ganzen gegossenes Ganze, daß zwar äußere Einflüsse in ihren Strudel reißen können, aber nicht in seinem wesentlichen Kerne verändern." - Nun wohlan, sage ich, wenn das Gemüth so in und aus sich treibt wie eine Pflanze, warum kann nicht eben ein Gemüth das Treibende der Pflanze sein?" |
aus: Gustav Theodor Fechner: Nanna oder über das Seelenleben der Pflanzen. Leipzig 1848, S. 84-85. |