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Zur Tektonik der olfaktorischen Informationssysteme |
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Das Organ für die Geruchswahrnehmung bei Menschen
mißt insgesamt etwa fünf Quadratzentimeter. Die Luft gelangt
durch das Nasenloch zu den sensitiven Nervenenden, die alle in den Falten
des oberen Bereichs der Nasenhöhle verborgen liegen. Es handelt sich
in etwa um 5 Millionen Riechzellen. Die Fläche beim Schäferhund macht demgegenüber 150 Quadratzentimeter aus. 220 Millionen Riechzellen geben ihm einen weit empfindlicheren Geruchssinn als dem Menschen. ''Versuche mit Olfaktometern ergaben, daß der Geruchssinn des Hundes eine Million mal schärfer ist als der des Menschen."[1] (29) Vitus Dröscher[2] hat versucht, die unterschiedlichen Fähigkeiten der Geruchswahrnehmung, die ja exponentiell mit der Zunahme der Riechzellen wachsen, zu veranschaulichen: Wenn die in einem Gramm Buttersäure (Bestandteil menschlichen und tierischen Schweißes) enthaltenen Moleküle gleichmäßig in allen Räumen eines zehnstöckigen Bürohauses verdampfen würden, dann könnte ein Mensch diesen Geruch gerade noch registrieren, wenn er seine Nase von draußen zur Tür hineinsteckt. Ein Hund aber würde auf die Geruchspartikel dieser Menge noch reagieren wenn sie im Luftraum bis zu 100 Meter Höhe über ganz Hamburg verteilt wären. Dabei sind die Hunde keineswegs die höchstentwickelten Olfaktoren. Die Schmetterlinge sind dem Hund in der Geruchswahrnehmung noch einmal in der Weise überlegen wie der Hund uns überlegen ist.' Über den genauen Ablauf des ,Riechens' gibt es in der wissenschaftlichen Literatur keine einheitliche Auffassung. Sicher scheint zu sein, daß zwischen der chemischen Formel eines Duftpartikels und dem von uns empfundenen Geruch keine direkte Beziehung existiert. Einige chemische Verbindungen verschiedener Strukturen haben für uns den gleichen Geruch, während wir andere mit ähnlicher Struktur voneinander unterscheiden können.[3] (30) In den 60ziger Jahren haben John E. Amoure, James W. Johnsen, und Martin Rubin eine Theorie entwickelt, die davon ausgeht, daß für die Geruchsempfindung kleine, unterschiedlich geformte Löcher in den Riechorganen zuständig sind, die selbst so klein sind, daß ein Elektronenmikroskop sie nicht zu erfassen vermag. Sie nehmen an, daß die Duftpartikel jeweils eine spezifische Gestalt besitzen und daß sie in die Löcher dieses Riechorgans wie ein Schlüssel in ein Türschloß passen. Beispielsweise gehen sie davon aus, daß wir kugelförmige Moleküle als Kampfergeruch, scheibenförmige als Moschus, scheibenförmige Moleküle mit Schwanz als blumigen Geruch, keilförmige als Pfefferminz und stabförmige als Äther wahrnehmen.[4] Andere Düfte sollen aus den genannten Ausgangselementen zusammengesetzt werden. In der Folgezeit hat man jedoch Substanzen gefunden, die nicht in dieses Schema passen. Das beliebteste Objekt der Geruchsforscher sind die Falter. 'Ein männlicher Falter kann die sexuellen Signaldüfte eines Weibchens seiner Art noch aus über 20 Kilometer Entfernung ausmachen. ... Die nur ein viertel Millimeter starken Fühler eines Seidenspinners enthalten nicht weniger als 40 Tausend haarähnliche Fasern. Davon reagieren 35 Tausend auf Duftsignale, während nur 5 Tausend andere Sinnesempfindungen an das Nervensystem weitergeben." (31) |
Entwicklungsgeschichtlich gesehen könnte der Geruchssinn
älter als die visuellen Wahrnehmungsorgane sein. Die olfaktorischen
Rezeptoren sind einfacher gebaut als die Netzhautzellen. (32) Die von den
Riechzellen erzeugten Reize werden direkt - im Unterschied zu den anderen
Sinnen - an das Riechzentrum im vorderen Teil des Gehirns weitergeleitet.
(Vgl. Abb. 18) "Beim Menschen gibt es einen bemerkenswerten Zusammenhang zwischen Geruchssinn und Emotionen, was sich daraus erklärt, daß unsere Emotionen weitgehend von dem auch für den Geruchssinn zuständigen [limbischen] Teil unseres Gehirns - dem ältesten - gesteuert werden." (36) Die direkteste Verbindung nach außen hat dieses limbische Gehirn durch den Geruchssinn. Zu den jüngeren Teilen des Gehirns, vor allem zur Hirnrinde besteht entsprechend kein direkter Weg. In den Anfangsphasen der Evolution wurde das fürs Überleben notwendige Reaktionsvermögen durch den Geruchssinn geformt und geprägt. Die Tiere wurden durch spezifische Gerüche zur Partnerwahl, zur Zeugung und auch Zucht der Jungen angeregt, die Gerüche steuerten die räumliche Verteilung der Populationen die Nahrungsaufnahme und die Einhaltung sozialer Beziehungen. (37) Entsprechend war das limbische Gehirn der bestentwickelte Teil. Er bewirkte "die angemessenen Reaktionen, in dem er das Tier (und in rudimentärer Weise auch uns) in einen emotionalen Zustand versetzt, der die Ausübung notwendiger Handlungen hervorruft." (303) ''Daß wir auch heute bei der Appetitanregung und bei unseren sexuellen Antrieben einer olfaktorischen Beeinflussung ausgesetzt sind, gibt uns einen Hinweis auf die fundamentale Natur des Geruchssinns in unserer eigenen Evolutionsgeschichte."[5] (40) Sowohl die Tektonik der Geruchszellen als auch jene des limbischen Systems und die Struktur ihrer Vernetzung machen es wahrscheinlich, daß ''auf olfaktorische Signale eingerichtete Tiere andere Lebewesen und Gegenstände über den Geruchssinn dreidimensional wahrnehmen, ähnlich wie wir ein dreidimensional visuelles Bild wahrnehmen." (49) Über den gleichen Sender gelangen zugleich verschiedene Informationen zu den Olfaktoren und sie werden in dessen limbischem System zu einem mehrdimensionalen Modell zusammengesetzt. Der Hund, der beispielsweise olfaktorische Informationen über Rotwild erhält, kann sich etwa folgendes Modell des Tieres konstruieren: Größe und Form, Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, läufig oder nicht, emotionale Befindlichkeit (Angst/Kampfbereitschaft). |
[1] Doris und Davis Jonas: Other Senses, Other Worlds. London 1976. Hier nach der deutschsprachige Fassung mit dem Titel: Die Außerirdischen - Leben und Intelligenz auf fremden Sternen. Zürich 1977, S. 29. [2] The Magic of Senses, New York (Dutton), 1969 [3]Doris
und Davis Jonas: Other Senses, Other Worlds. London 1976. Hier nach
der deutschsprachige Fassung mit dem Titel: Die Außerirdischen
- Leben und Intelligenz auf fremden Sternen. Zürich 1977, S. 30. |