Weitere Typen von Informationssystemen, Sensoren und Medien

 

 
Das dominante Sinnesorgan bei den Bienen sind die Augen. Diese unterscheiden sich jedoch von denen der Menschen und der Säugetiere erheblich. Sie haben die Fähigkeit, polarisiertes Licht wahrzunehmen und sofort zu verarbeiten. Wenn sie sich bewegen, bestimmen sie beständig den Winkel zwischen ihrer Wegrichtung und der Sonnenrichtung. "Polarisiertes Licht entsteht, wenn Sonnenlicht in der Erdatmosphäre gestreut wird und dann nur in einer Ebene schwingt. Deshalb sieht das Bienenauge über einige seiner Linsen den Gegenstand vollständig, über einige nur teilweise und wieder über einige gar nicht." (82) "Hinter jeder Linse liegen dicht nebeneinander komplex aufgebaute Sinneszellen, in jedem Einzelauge unter einem anderen Winkel angeordnet." (83)
Die Biene sieht so jeden Gegenstand mehrfach unter verschiedenen ,Winkeln', man könnte sagen, sie sieht ,aspektivisch'. Außerdem verändern sich diese Aspekte je nach dem Sonnenstand. Ob sich unter diesen Bedingungen überhaupt so etwas wie eine ,Konstanz der Objekte' herausbilden kann, ist fraglich. Manches erinnert an die aspektivische Sprache im alten Ägypten. Es gibt gleichsam eine Einuhrblüte, eine Fünfuhrblüte und eine Zehnuhrblüte. (vgl. S. 115)

 

Welcher Sinnentyp von den einzelnen Lebewesen besonders ausgebildet wird, und wer die Hauptlast der Informationsbeschaffung zu tragen hat, das hängt von der Umwelt der Spezies ab. Während sich die Bienen an der Sonne bzw. am Licht orientieren, haben die Fische, insbesondere die Tiefseefische kein besonders ausgeprägtes Organ, um das Sonnenlicht für ihre Orientierung zu nutzen. Hier gibt es vielmehr einige Arten, die Sinnesorgane ausgeprägt haben, über die wir Menschen natürlicherweise überhaupt nicht verfügen - die wir bestenfalls als technische Prothesen entwickelt haben. Viele Fischarten haben die Fähigkeit entwickelt, die Elektrizität zu nutzen, um sich ein Bild von ihrer jeweiligen Umgebung zu verschaffen.
"Daß sich solche Organe entwickelt haben ist nicht weiter überraschend. Elektrizität ist Teil der belebten Materie: die biologische Aktivität einer jeden Zelle ist von elektrischen Erscheinungen begleitet, wenn nicht sogar begünstigt. Deshalb wundert es nicht, daß die Elektrizität bei manchen Arten auch für die Sinneswahrnehmung genutzt wird. '' (122/123)
''Elektrizität kann von den Organismen auf verschiedene Weise eingesetzt werden. Man kann sie zum Aussenden von informatorischen Signalen verwenden. Man kann sie auch als Waffe benutzen, um eine Beute oder einen Feind zu lähmen oder zu töten. Schließlich kann sie Element eines vollständigen Sinnesapparates sein, mit dem ein Organismus seine Umgebung auslotet. " (123)
("Über die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten der elektrischen Wellen zur Umwelterkundung vgl. S. 123ff.)
Auch bei der Nutzung der Elektrizität als Informationsmedium verlieren die Objekte die uns gewohnten Grenzen. Die elektrischen Wellen haben andere Eigenschaften als das sichtbare Licht, was dazu führt, daß für uns undurchsichtige Gegenstände den Tiefseefischen transparent erscheinen und umgekehrt: Während die Lichtwellen von den Oberflächen eines Gegenstandes reflektiert werden, dringen die elektrischen Ströme in den Gegenstand ein und zwar in unterschiedliche Tiefe, je nachdem welche Leitfähigkeit die einzelnen Teile des Gegenstandes besitzen. Diese Fähigkeit kann von uns nur technisch imitiert werden, etwa durch die Röntgenapparate. Ein Röntgenbild mag einen Eindruck von den Informationen geben, die Fische mit elektrischen Sensoren gewinnen. Auch ist natürlich eine Umweltwahrnehmung durch leitfähige Materialien, etwa Tücher, hindurch möglich.[1]
Ähnlich wie die Elektrizität nutzen andere Tiergattungen Schallwellen, um ihre Umgebung zu erkunden. ''Schallschwingungen sind rhythmische Verdichtungen der Luft, die dann wahrnehmbar werden, wenn sie auf eine Trommel ähnliche Anordnung von Gewebe treffen - beim Menschen auf das Trommelfell. Schall wird durch schwingende Körper erzeugt ... für uns ist gewöhnlich die Luft dieses Medium, doch auch andere Gase sowie Flüssigkeiten und auch feste Körper können den Schall leiten." (177) ''Der Träger der Schallschwingungen, des jeweiligen Mediums bestimmt die Geschwindigkeit der Schallausbreitung vom Sender zum Empfänger: Je dichter das Medium, um so schneller die Ausbreitung. In der Luft bei einer Temperatur von 15 Grad Celsius breitet sich der Schall 335 Meter in der Sekunde aus, im Wasser ist die Geschwindigkeit vier mal so groß, und sie vervierfacht sich noch einmal, wenn wir Schall in festen Körpern, wie etwa in Stahl, Glas, Gummi oder Hartholz messen. " (178)
Bekannt ist, daß die Fledermäuse und die Delphine den Ultraschall nutzen, um ihre Umwelt abzutasten. Da jedes Material die Wellen unterschiedlich gut weiterleitet bzw. reflektiert, können diese Tiere ihre Umwelt zuverlässig klassifizieren. "Holz hört sich für Delphine anders an als Metall'', schreibt W.N. Kellogg, "genau wie beide Stoffe für das menschliche Auge verschieden erscheinen. Die Form des Schallspektrums der zurückkehrenden Schallwellen gibt Aufschluß über die Natur der reflektierenden Oberfläche."
[2] Auch bei dieser Wahrnehmungsform werden die Umweltobjekte in anderer Weise ,aufgelöst', als wir dies mit unseren Augen tun. Während die dichten Körper von den Schallwellen problemlos durchdrungen werden, reflektieren alle jene Teile, die Luft enthalten, den Schall. Von diesen Teilen, beim Menschen, also von den Knochen, dem Darmtrakt oder den lufthaltigen Höhlungen im Kopf, den Lungen, Bronchien usw. haben die Schall ortenden Tiere die eindrücklichsten Informationen. Sie ordnen die Umweltinformationen in einer Form, die den Röntgenapparaten ähnlicher ist als dem menschlichen psychischen System, das eher auf die Verarbeitung von Oberflächenmerkmalen spezialisiert ist. Für die Erkenntnistheorie der Fledermäuse hätte das Form-Inhalt-Problem vermutlich eine geringere und jedenfalls andere Bedeutung als für die Menschen.
Ein weiterer in manchen Tiergattungen besonders ausdifferenzierter Sinn ist der Tastsinn. Vermutlich ist er der früheste aller Sinne, weil es keinerlei belebte Materie gibt, die nicht in irgendeiner Weise auf Berührung reagiert. "Die meisten Tastorgane sind Nahwirkungs - Empfänger, doch es gibt auch einen Fernwirkungs - Rezeptor: Das Seitenorgan der Fische. Wir haben bereits erwähnt, daß Nervenbündel in dieser Rinne feine räumliche Druckunterschiede im umgebenden Wasser registrieren und so den Fisch in die Lage versetzen, Objekte innerhalb dieser Umgebung wahrzunehmen.'' (187)
Auch die Bienen verfügen über hochentwickelte taktile Fähigkeiten. Mit ihren zahlreichen sensorischen Borsten wird es ihnen möglich ihre sechseckigen Wabenzellen mit einer gleichbleibenden Genauigkeit von einem Zehntel eines Millimeters zu bauen. (190) Bei den Kraken sind die taktilen Organe möglicherweise sogar als Leitsensoren ausgebildet. Seine gesamte Körperoberfläche ist gegen Berührung extrem empfindlich.

 

Als Kommunikationsmedium sind die taktilen Effektoren vor allem für die unmittelbare Interaktion, also die körperliche Berührung zwischen den Kommunikatoren/Individuen geeignet.
Fernkommunikation ist aber, wie z. B. die Blindenschrift zeigt, auch möglich.
Ein Sinn, der bei den Menschen ebenfalls kaum, bei manchen Tierarten aber besonders gut entwickelt ist, ist der sogenannte ,Temperatursinn'. "Die Stechmücken etwa können über einen Zentimeter Entfernung hinweg Temperaturdifferenzen ausmachen, die nur ein fünfhundertstel eines Grades betragen... Einige Fische, insbesondere die Seezunge, reagieren auf Temperaturunterschiede im Wasser, die nur 0,03 Grad Celsius betragen. Mit der Fähigkeit, Änderungen der Temperatur exakt zu registrieren, verfügen sie über ein Mittel, die Änderungen der Jahreszeiten zu erkennen und ihren Wanderplan danach auszurichten." (204)
Ein anderes Beispiel ist das australische Buschhuhn, das für seine Eier ein bis zu einem Meter großes hügelförmiges Nest baut. In seinem Inneren hält es eine Temperatur von 33 Grad Celsius exakt aufrecht. Alle paar Minuten untersucht es mit seinem Schnabel die Temperaturentwicklung und reguliert dann durch Öffnen oder Schließen von Luftlöchern die Temperatur. (206ff.)

 

Auch der Magnetismus wird von einzelnen Tiergattungen zur Orientierung genutzt. Vögel, Robben und verschiedene andere Säugetiere nutzen diese lnformationsquelle. (209f.)

 

[1] H. W. Lissman hat beispielsweise festgestellt daß Mormyriden-Fische einander wahrnehmen, obwohl sie durch ein dickes Tuch voneinander getrennt sind. (On the function and Evolution of Electric organs in fish. Journal of Experimental Biology, 1958, 36, S. 156-191)
[2] Porpoises and sonar. Chicago, Unipress 1961, S. 180



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