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Kultur und Kommunikation als Chaos und als Ordnung |
Wichtig ist weiterhin zu betonen, dass die Systemtheorie nicht für das Verständnis von kultureller Evolution ausreicht. Was immer man sich unter Systemen vorstellt, sie ordnen Prozesse, strukturieren Elemente und Beziehungen, grenzen sich von Umwelten ab. Vor und neben und nach den Systemen haben wir überkomplexe Welt. Der Gegenbegriff zu 'Struktur' ist 'Chaos'; wer Systembildung untersucht, muss sich auch mit Strukturzerfall beschäftigen können. Kommunikation setzt sowohl Unordnung als auch Ordnung voraus. Die kommunikative Welt besteht aus beidem: Systemen und Chaos. Und dies bedeutet vorab eben, dass es nicht ausreicht, sie sich als (Super-) System vorzustellen. Welt ¹ System! Dies gilt auch für die dynamische Dimension. Die Prozesse in der Welt lassen sich nicht insgesamt als Systematisierungen auffassen. Daneben gibt es chaotische Turbulenzen, zufällige Programme, anomische Abläufe. Das trifft für kommunikative Prozesse genauso zu. Informationsverarbeitung ist ein ambivalenter Prozess – nur die eine Seite lässt sich als Systematisierung begreifen. Und das gleiche gilt für kulturelle Evolution: Wenn sie stattfindet, dann nur als Abfolge von Chaos und Ordnung, Chaos, Ordnung usf. Jeder Ordnungsprozess löst zugleich Strukturen auf, erzeugt Chaos. Vielen bisherigen Medien- und Kulturgeschichten entging dieser Zusammenhang und damit die Ambivalenz sowohl von Zerfalls- als auch von Systembildungsprozessen. Wessen Untergang bedeutet der Aufstieg des Buchdrucks oder der Neuen Medien? Welche Kommunikationssysteme werden durch modere Massenmedien zerstört, welche Formen der Informationsverarbeitung ermöglicht die abnehmende Lesefähigkeit? Die Ambivalenzen der medienhistorischen Entwicklung stehen im Vordergrund
der Untersuchung 'Von den Mythen der Buchkultur zu den Visionen der
Informationsgesellschaft'. |