Fließtext Altes und neues triadisches Denken

 
Während sich das frühe triadische Denken mit der Maxime: ‘Erkläre das Phänomen als das emergente Produkt des Zusammenwirkens dreier Faktoren’ begnügte, fordert das neue triadische Denken dazu auf, auch die Faktoren wieder als emergente Produkte dreier anderer Faktoren zu verstehen. Das Phänomen soll weiterhin selbst als ein Faktor in einer anderen Triade aufgefasst werden.
Das neue triadische Denken ist also nicht nur an einer spezifischen Sicht auf ein einzelnes Phänomen interessiert, sondern es will auch das Zusammenwirken der Phänomen erfassen – und zwar ebenfalls mit dem triadischen Konzept. Die Welt erscheint vor diesem Hintergrund zunächst als ein Netzwerk von Triaden. [Schematisch lässt sich dies wie folgt darstellen (Abb. )]


Nun gehört andererseits zu den Axiomen des neuen triadischen Denkens die Annahme, dass die Phänomene nicht nur das Produkt von Triaden sondern auch von Dyaden und höherstufigen Systembildungen sein können. Die Welt besitzt unterschiedliche und keineswegs ausschließlich triadische Vernetzungsstrukturen. Es geht dem triadischen Denken nicht um eine Wiederholung des absolutistischen Geltungsanspruchs, den das neuzeitliche monokausale Denken erhoben hat. Vielmehr gilt die Maxime: ‘Verwende triadische Erklärungsmuster dann, wenn die vorhandenen (monokausalen) Modelle nicht ausreichen und andererseits die polyvalenten Erklärungen zu ungenau sind!’

 

Das neue triadische Denken ist kein hermetisches Klassifizieren. Entsprechend der ökologischen Grundeinsicht, dass gerade das Zusammenwirken artverschiedener Elemente den Netzwerken Stabilität und Anpassungsfähigkeit an wandelnde Umwelten verschafft, wird ein gleichberechtigtes Nebeneinander der verschiedenen Denkformen angestrebt. Die bisherige Vernachlässigung von Triaden verlangt freilich gegenwärtig deren besondere Förderung und Erprobung.
Die Öffnung der Triaden erfolgt in der Regel auf der 4. Stufe des Verstehens der Phänomene. Nehmen wir an, das zunächst zu erklärende Phänomen liege auf einer Stufe 1, die Faktoren, aus denen es emergiert auf der Stufe 2 und die Faktoren, aus denen die Faktoren der Stufe 2 emergieren auf der Stufe 3, so werden die Faktoren der Stufe 3 sich nicht mehr befriedigend als emergente Produkte von Triaden erklären lassen. Hier gibt es vielfältige Einflussfaktoren, die sich bloß auflisten lassen und die in Form von mehrzackigen Klecksen symbolisiert werden können. Der empirische Gehalt der Aussagen nimmt von der 1. bis zu 4. Stufe zu. Die erste Triade wird beim wissenschaftlichen Denken durch Axiome der Disziplinen oder Professionen gesetzt. Z.B. ist die Bestimmung von Kommunikation (1. Ebene) als das emergente Produkt der Faktoren (2. Ebene) Informationsverarbeitung, Vernetzung und Spiegelung eine solche Festlegung. Nur wenn man sie anwendet, ergeben sich die weiteren Triaden auf den unteren Ebenen.
Um zu den Faktoren auf der 3. Ebene zu gelangen, müssen die Phänomene spezifiziert werden. Um das Beispiel der Kommunikation aufzugreifen: Es muss genaur bestimmt werden, welche Kommunikationssysteme untersucht werden sollen. Die dabei zugrundegelegte Taxonomie wird in den Kernbereichen der Wissenschaftsdisziplinen ebenfalls noch hochgradig standardisiert sein. Die gilt z.B. für die Unterscheidung zwischen Dyaden, Gruppen, Organisationen und Gesellschaften.
Die Faktoren auf der 3. Stufe haben einen geringeren Allgemeinheitsgrad als jene auf der 2. Stufe. Ihr Geltungsbereich ist kleiner. Die auf der 4. Stufe aufgelisteten Merkmale lassen sich auch durch andere Modelle erklären.
Das neue triadische Denken arbeitet jedenfalls immer mit miteinander vernetzten mehreren Triaden, die sich wechselseitig erhellen. Es wird gleichsam ein triadisches Netzwerk nach den Phänomenen ausgeworfen, nicht lediglich ein dreizackiger Angelhaken.

 

Standpunkte

Grundsätzlich muss bei der Konstruktion von Triaden für jede Ebene der Standpunkt des Konstrukteurs angegeben werden.
Wie schon erwähnt, werden auf der obersten Ebene im wissenschaftlichen Kontext diejenigen Standpunkte und Perspektiven eingenommen, die für die jeweilige Disziplin (oder ihre Subsysteme) konstitutiv sind.
Beispielsweise gilt das triadische Kommunikationsmodell zunächst nur für diejenigen, die sich auf den entsprechenden kommunikationswissenschaftlichen Standpunkt stellen. Andere Disziplinen, z.B. die Soziologie, arbeiten mit anderen Konzepten, in denen ‘Kommunikation’ einen weit eingeschränkteren Raum einnimmt.
In beruflichen Kontexten werden grundlegende und typische Positionen der Professionen eingenommen.
Bei den Triaden auf den nachfolgenden Ebenen, sind diese Standpunkte jeweils zu präzisieren.
Das alte triadische Denken konnte weder das schichtenweise Zusammenwirken der Triaden ergründen, noch war es um einen Klärung der Standpunkte der Konstrukteure bemüht. Es neigte zu einer Isolierung und Ontologisierung der Triaden.
(Die Abhängigkeit triadischer Modelle von den Standpunkten der Konstrukteure veranschaulicht die Animation ‘Kommunikationsblume’.)

 

www.kommunikative-welt.de Triadisches Denken ©Michael Giesecke