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Das triadische Konzept von Emergenz (aus kommunikationstheoretischer Sicht) |
‘Emergenz’ ist ein überkomplexes Phänomen, welches von den verschiedenen Disziplinen ganz unterschiedlich modelliert wird. Am bekanntesten ist das evolutionstheoretische Konzept der Entstehung und Entwicklung von Leben und den Arten. Die Entwicklung beginnt auf anorganischer Stufe und verläuft dann über ‘einfache’ hin zu komplexen Formen von Leben. Neue Arten emergieren aus der Kopplung und Auswahl vorhandener. Ich bezeichne dieses Modell als ‘ontologische’ Emergenz. |
Eine andere Vorstellung von Emergenz drückt sich in Feststellungen wie ‘Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile’ oder ‘Die Gesellschaft ist das Ensemble sozialer Verhältnisse’ aus. Paradigmatische Vertreter dieser Konzeption sind Strukturalismus und Systemtheorie. Systeme erscheinen als Relationierungsprodukt, Emergenz wird häufig als ‘Übersummation’ beschrieben. (Strukturalistische Emergenztheorie) Schließlich kann Emergenz auch als ein erkenntnistheoretisches Problem verstanden werden. Die Dinge ‘erscheinen’ (emergieren) dem erkennenden Subjekt in der einen oder anderen Weise. Philosophen haben zwischen dem ‘Wesen’ und den unterschiedlichen ‘Erscheinungsformen’ der Dinge bei den wahrnehmenden Menschen unterschieden. ‘Emergenz’ in diesem phänomenologischen-erkenntnistheoretischen Sinn ist letztlich das Produkt von Informationsverarbeitung. |
Natürlich lassen sich diese Formen weiter differenzieren,
vielleicht gibt es auch weitere Formen der Emergenz, die für andere
Wissenschaften von größerer Bedeutung sind. Auch sind andere
Prinzipien bei der Klassifikation denkbar. So kann man beispielsweise die
Frage in den Vordergrund stellen, ob die Emergenz das Produkt von Selbstorganisation
ist oder aus externen Faktoren zu erklären ist, und man kommt dann
zu anderen Einteilungen. Eine allgemeine Theorie oder auch nur Definition
von ‘Emergenz’ ist m. E. wenig sinnvoll.1 Vor dem Hintergrund triadischen Denkens liegt es nahe, auch das Phänomen der ‘Emergenz’ als das emergente Produkt der Interaktion dreier Faktoren zu begreifen. Man wendet also den theoretischen Ansatz selbstreferentiell auch auf dessen konstitutiven Faktor ‘Emergenz’ an. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen ‘alten’ und ‘neuen’ triadischen Denken. Aber auch in diesem Fall gibt es noch zahlreiche Optionen. Es lassen sich mehrere Triaden bilden. Legt man allerdings das triadische Kommunikationsmodell zugrunde, so ergibt sich die Einteilung, die dieser kurzen Darstellung schon zugrunde gelegen hat. ‘Emergenz‘ in der kommunikativen Welt erscheint als das emergente Produkt von Informationsverarbeitung (phänomenologisch-epistemologische Dimension), Vernetzung (strukturalistische Dimension) und Spiegelungen (ontologische Dimension). Oder anders ausgedrückt: Will man Triaden in einem kommunikationstheoretischen Sinn verstehen, so sind drei Standpunkte und Perspektiven möglich und notwendig. Man kann das emergente Phänomen aus informationstheoretischer, netzwerktheoretischer oder/und ontologische-spiegelungstheoretischer Sicht erklären. |
Diese drei Perspektiven sind natürlich auch als Anweisung zu verstehen, wie triadische Modelle zu konstruieren sind. Aber diese Anweisung gilt nur für die kommunikative Welt. Triadische Konzepte in den Kulturwissenschaften können andere Dimensionen auswählen. |
1 Eine solche Definition versuchen Wolfgang Krohn und Günter Küppers in dem von ihren herausgegebenen Sammelband ‘Emergenz: Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung’ (Frankfurt 1992, S. 389): „Emergenz: Im »klassischen« Sinne bedeutet Emergenz die Entstehung neuer Seinsschichten (Leben gegenüber unbelebter Natur oder Geist gegenüber Leben), die in keiner Weise aus den Eigenschaften einer darunter liegenden Ebene ableitbar, erklärbar oder voraussagbar sind. Daher werden sie als »unerwartet«, »überraschend« usw. empfunden. In einer modernen Version spricht man von Emergenz, wenn durch mikroskopische Wechselwirkungen auf einer makroskopischen Ebene eine neue Qualität entsteht, die nicht aus den Eigenschaften der Komponenten herleitbar (kausal erklärbar, formal ableitbar) ist, die aber dennoch allein in der Wechselwirkung der Komponenten besteht.“ |