Fließtext Neues Denken und traditionelle Wissenschaften unter den Bedingungen neuer Medien
 
Die Frage, was denn der Objektbereich der Kommunikations- und Medienwissenschaften sein soll und wie sich diese Wissenschaft zu den übrigen Disziplinen verhalten soll, ist selbst schon Ausdruck der Umstrukturierungen im System der Wissenschaften – oder allgemeiner noch: in den Formen unseres Denken.1
Die vorherrschenden Selbstbeschreibungen der Wissenschaften beruhen auf historischen Rahmenbedingungen, die sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch verändert haben.
Die noch immer herrschende neuzeitliche Wissenschaftskonzeption ist genetisch und funktional an die typographischen Medien und interaktionsarme marktwirtschaftlichen Vernetzungsformen gebunden. Gerade für medientheoretische Sensibilisierte muss es völlig unwahrscheinlich erscheinen, dass unter den neuen medialen Bedingungen diese Konzeption unverändert bestehen bleiben kann. Kriterien wie Allgemeingültigkeit von Aussagen (an allen Orten, zu jeder Zeit für jedermann) – ein Ideal typographischer Vernetzung – oder die Darstellung von Daten und Ergebnissen in visuell wahrnehmbaren Medien machen ebenso wie das Gebot der Vermeidung von Redundanz für die elektronischen Medien und globalen Netze keinen Sinn.
 
„Mit den [elektronischen] Medien zwingt sich dem Philosophen ein neuer Stil auf“, stellt Frank Hartmann fest.2 „Die neue Medienkultur verlangt nach neuem Denken“ (ebd.), und dieses natürlich nicht nur bei Philosophen, in einigen wenigen Disziplinen sondern auch im Alltag. Auch das Projekt ‘Kulturwissenschaften’, welches ‘eine die einzelnen Disziplinen überschreitende Moderationsfunktion für sich reklamiert’, lässt sich als Reflex auf die Anforderungen der Informationsgesellschaft zu Beginn des 21. Jahrhunderts begreifen.3 Es zielt letztlich auf ein transdisziplinäres Wissenschaftsnetzwerk. Hier werden die traditionell prämierten homogenen Disziplinen, die auf maximale Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse aus sind, ebenso ihren Platz finden, wie die projektförmig durchgeführten Fallstudien in der Tradition der idiographisch hermeneutischen Geschichtswissenschaft.

 

 
1 Auch die Suche nach Sinn und Strukturen einer ‘Medienphilosophie’ ist Ausdruck der Umwälzungen im Verhältnis der Wissenschaften, Metadisziplinen und Philosophien. Vgl. St. Münker, A. Roester, M. Sandbothe (Hg.): Medienphilosophie – Beiträge zur Klärung eines Begriffs. Frankfurt a. M. 2003.
2 ‘Der rosarote Panther lebt’, In: St. Münker, A. Roesler, M. Sandbothe (Hg.): Medienphilosophie, Frankfurt a. M. 2003, S. 135-149, hier S. 142.
3 Th. Düllo, Chr. Berthold, J. Greis, P. Wiechens (Hg.): Einführung in die Kulturwissenschaft. Münster 1998.
 

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