Triadisches versus binäres Denken
Das triadische Denken versteht sich als Ergänzung und Alternative zum elementaren logischen Denken mit 'Ja/Nein'-Entscheidungen. Während bei letzterem bekanntlich nach der Regel ‘tertium non datur’ - es gibt nur entweder 'richtig' oder 'falsch' und keine dritte Lösung - verfahren wird, fordert das ‘Denken 3D’ dazu auf, grundsätzlich von drei Möglichkeiten auszugehen. Natürlich wäre es auch möglich, mehr als 3 Alternativen als Denkmaxime zu fordern. Um in einem Gegensatz zum traditionellen Denkschema zu gelangen, reicht die Erweiterung auf 3 Dimensionen aus. In der Praxis steigert sich die Komplexität des Denkens so schon immens.
 
Wie bei den Regeln der zweiwertigen Logik kommt es beim Prinzip des dreidimensionalen Denkens nicht auf die Inhalte, die Werte von 'a' und 'b', an. Die Dimensionen können ganz unterschiedlich benannt werden.
Hinter dem 3D-Denken stehen verschiedene Grundannahmen.
 
Erstens wird davon ausgegangen, dass die Welt auf verschiedenen Ebenen emergiert. Es gibt Ebenen und Phänomene, die binär schematisiert werden können. Es gibt andererseits jedoch auch Prozesse und Dinge, die bei binärer Schematisierung ihre Spezifik verlieren: Man wird ihrem Emergenzniveau nicht gerecht. So ist bspw. die Unterscheidung zwischen belebt und unbelebt zweifellos für viele Phänomene sinnvoll; will man allerdings Kulturen beschreiben, reichen diese beiden Dimensionen nicht aus.
Anders: Die Welt ist zwar partiell binär strukturiert, aber nicht alle ihre Strukturen lassen sich auf Oppositionen zurückführen - ohne sie damit zu zerstören. So kann man etwa Zweiergespräche recht gut nach den Mechanismen des 'turn-taking': Reden oder Zuhören - beschreiben. Bei Gruppengesprächen spielen zusätzlich weitere, nicht binäre Prinzipien eine Rolle.
 
Zweitens wird davon ausgegangen, dass auch unser Wahrnehmungs-, Erkenntnis- und Darstellungsprozess mehrere Programme benutzt. Das Denken in Oppositionen, in 'Ja/Nein'-Entscheidungen ist nur ein - für viele Fälle zutreffender - Sonderfall. Unsere Wahrnehmung, z. B. die visuelle Musterung unserer Umwelt, kann so eingestellt werden, dass nur Schwarz-Weiß-Oppositionen fokussiert/erzeugt werden. Es können aber auch noch weitere Parameter gleichzeitig berücksichtigt werden.
Es kann richtige und falsche Lösungen geben; es kann aber auch sein, dass die Ergebnisse mehrdeutig bleiben. Das triadische Denken fordert nicht bloß dazu auf eine einzige Unterscheidung zu machen (‘Draw a distinction!’ - Spencer Brown) sondern gleichzeitig mehrere Unterscheidungen!
 
Drittens. Der mehrdimensionale Ansatz wird einerseits durch die Erkenntnisse der Ökologie gestützt. Das ökologische Denken ist grundsätzlich mehrdimensionales Vernetzungsdenken. Seine Gegenstände sind Relationen. Es stellt in Rechnung, dass alle Ökosysteme ihr Gleichgewicht nur durch beständiges Balancieren zwischen vielen Faktoren finden können. Strukturbildung lässt sich nicht auf Paarbildung und -trennung reduzieren.
 
Link Triadisches und ökologisches Denken
 

Ebenso klar wie vom binären Denken grenzt sich das triadische Denken andererseits vom Denken ab.1 Möglicherweise hängt alles mit allem anderen zusammen (Holographieprinzip), aber es ist gewiss, dass wir in unserem Denken die Komplexität dieser Zusammenhänge reduzieren müssen. Als Prinzip der Komplexitätsreduktion fordert das triadische Denken dazu auf auszuloten, welche Phänomene sich als das Produkt der Balance zwischen 3 Polen verstehen lassen. So nimmt das hier bevorzugte Kommunikationsmodell (Kommunikation 3D) an, dass sich alle kommunikativen Phänomene dreifach - als kooperative Informationsverarbeitung, als Vernetzung und als Widerspiegelung zwischen Medien - verstehen lässt. Das Niveau triadischen Denkens wird unterschritten, wenn wir bloß binär klassifizieren, nach Entweder - Oder - Entscheidungen suchen. Es wird überschritten, wenn wir mehr als drei Faktoren und mehr als drei Ebenen berücksichtigen.
Es ist klar, dass sich nicht alle Phänomene in das triadische Schema pressen lassen werden. Aber genauso klar müsste sein, dass auch das dyadische Schema unzulänglich ist. Es kommt darauf an zu erforschen, bei welchen Phänomenen welches Komplexitätsniveau angemessen ist. Um dies aber überhaupt auch nur ansatzweise ausloten zu können, ist ein Abgehen von dem Denken in einfachen Oppositionen unerlässlich. Ein triadisches Denken würde schon viele neue Impulse bringen.


Ob man sich für das binäre oder für höherdimensionales Denken entscheidet, ist letztlich nicht nur wissenschaftlich zu begründen. Es geht um die Frage, welches Denken wir für erforderlich halten, um die Aufgaben unserer Gegenwart und Zukunft zu lösen. 'Gut : Böse', 'für uns : gegen uns', 'richtig : falsch' - letztlich alle fundamentalistischen Weltanschauungen - brauchen binäre Schematisierungen. Findet man diese wenig hilfreich, so wird man Denkmodelle - im Alltag wie in der Wissenschaft - unterstützen, die nicht polarisieren.

 

1Vester, Frederick: Die Kunst, vernetzt zu denken. Ideen und Werkzeuge für eine neuen Umgang mit Komplexität. München 2003, S. 68-69.
 
 

                   

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