Wahrnehmung ist ein überkomplexes Phänomen. Kommunikationswissenschaftlich
lässt sie sich als eine Phase menschlicher (und animalischer) Informationsverarbeitung
begreifen. Mindestens 3 Komponenten lassen sich auseinanderhalten:
a) Wahrnehmung als selektive Informationsaufnahme
(In-Put; 'Erleben'; 'Erleiden').
Selektion als Unterscheidung zwischen informativen Merkmalen fokussiert
(Manifestes) und schafft dadurch latente Strukturen, erkennt und verdrängt
in den Hintergrund (vgl. die Figur-Hintergrund-Experimente der Gestaltpsychologie!).
Die Ambivalenz der Wahrnehmung liegt darin, dass sie nicht nur Informationen
liefert, sondern zugleich auch andere Informationen verdrängt.
b) Wahrnehmung als konstruktive
Informationsverarbeitung (Verhalten; 'Handeln').
Jede Selektion fügt hinzu, schafft Gestalten, setzt informative Merkmale
zu Mustern zusammen! (Gestaltschließungszwang vs. Abbildtheorie).
c) Wahrnehmung ist programmgesteuert.
Sowohl die Selektions- als auch die Gestaltschließungskriterien sind
Teil von biographischen, professionellen und anderen Programmen, die sich
das Individuum im Laufe seiner Lebensgeschichte angeeignet hat. Diese
Programme können Wahrnehmungen zensieren oder/und in Zweifelsfällen unklare
Wahrnehmungen (z. B. Täuschungen) korrigieren.
Alle drei Komponenten der psychischen Informationsverarbeitung
stehen miteinander, manchmal zeitgleich, manchmal nacheinander (sowohl
bottom-up als auch top-down) in Beziehung: Intrapsychische Interaktion.
Vgl. zu dieser sogenannten 'Drei-Komponenten-Hypothese der Wahrnehmung'
[eingehende Sinnesdaten ('sensualistische Komponente'); interne Konzeptualisierung
('konstruktivistische Komponente'); interne Kontrolle ('Zensur'- bzw.
'Korrekturkomponente')] auch Hinderk M. Emrich.
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