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Maximen der Informationsverarbeitung aus anthropologischer Sicht |
Die natürliche menschliche Informationsverarbeitung aus anthropologischer Sicht ist erstens kreisförmig geschlossen. Menschliche Sinnesorgane nehmen Umweltinformationen auf. Diese werden neurophysiologisch, psychodynamisch, biochemisch und sicher noch in anderer Weise durch den Menschen verarbeitet. Die Ergebnisse dieses Verarbeitungsprozesses stellt der Mensch mit seinen leiblichen Organen dar, als Geste, als artikulatorische Transformation des Mediums Luft (Lautsprache) oder als Veränderung von anderen Materialien, die in seiner natürlichen Umwelt vorkommen (z. B. Zeichnen im Sand). Er selbst und andere Menschen können diese veränderte Umwelt wiederum wahrnehmen, sie mit Vorerfahrungen, Programmen, Intentionen etc. vergleichen und darauf reagieren. Nur als ein solcher ununterbrochener Rückkopplungskreis vollzieht sich die Informationsverarbeitung in der anthropologischen Dimension. Verständigung mit anderen Menschen wird durch die Gleichschaltung der Sensoren, Verarbeitungsprogramme, Speicher, Darstellungsmöglichkeiten und natürlich auch der informativen Umwelt erreicht. Menschen in gleicher Umgebung sehen ähnliches - wenn sie über ähnliche Sensoren, Effektoren, Programme usf. verfügen. Diese Gemeinsamkeiten ergeben sich zum einen aus der Gattungszugehörigkeit und zum anderen aus der Sozialisation. Deren Aufgabe ist zum größeren Teil eben die Angleichung der Programme der Individuen. Aufgrund der unterschiedlichen Interaktionsgelegenheiten/Umwelten usf. entstehen immer wieder neue Differenzierungen, die kommunikativ ausgeglichen werden können. Linearisierung als soziale und psychische Komplexitätsreduktion Diese geschlossenen 'Produktions'kreisläufe werden durch Technisierung ein Stück weit aufgebrochen, z. B. indem Rückkopplungsprozesse zeitlich gedehnt und Wechselwirkungen minimiert werden. Gleichzeitig steigt in der Sozialdimension der Abstimmungsaufwand, eben weil die Technik nicht zur gemeinsamen biogenetischen Grundausstattung gehört. Dieser Aufwand muss in Erziehungs- und Bildungseinrichtungen aufgebracht werden. Erreicht er nicht alle Angehörigen der Gattung in gleicher Weise, vergrößern sich die Unterschiede zwischen den Individuen und damit die Kommunikationsprobleme innerhalb der Gattung. Auf der anderen Seite vereinfacht die durch Technisierung erreichte Standardisierung der Umwelt die Verständigung. Die natürliche menschliche Informationsverarbeitung ist zweitens sowohl in der Onto- als auch in der Phylogenese und in den wenig sozialisierten Bereichen diffus ganzheitlich (synästhetisch). Jegliche Technisierung und soziale Normierung führt zu Spezialisierungen
von Organen und Programmen. Ausdifferenzierung ist somit ein Grundzug
der Gattungsgeschichte, soweit sie sich von der bloßen biologischen Reproduktion
der Gattung absetzt und zur Kulturgeschichte wird. Ausdifferenzierung
ist ebenso ein Grundzug der Lebens- und Bildungsgeschichte jedes einzelnen
Menschen. Erst in der Schule lernen wir, zwischen intersubjektiv überprüfbaren
(objektiven) Wahrnehmungen unserer Umwelt und den Prozessen in unserer
Innenwelt, die als kaum einsehbar und deshalb als 'subjektiv' gelten,
zu unterscheiden. Wir lernen weiterhin, manche psychische Prozesse als
rational und andere als emotional zu bezeichnen. |