Ludwig von Bertalanffy hat in den 50er Jahren die verschiedenen systemischen
Ansätze, die sich in unterschiedlichen Disziplinen entwickelt hatten,
abstrahierend zu einer sogenannten 'Allgemeinen Systemtheorie' zusammengefasst.
Etwa gleichzeitig hat der Soziologe Talcott Parsons mit der Ausarbeitung
einer soziologischen Systemtheorie begonnen (general action system). An
seine Vorarbeiten konnte später Niklas Luhmann mit seiner 'Theorie sozialer
Systeme' anschließen, die heute in allen Diskussionen über systemisches
Denken und systemische Ansätze in der Beratung eine Hauptrolle spielt.
Ursprünglich eher aus biologischer und verhaltenstheoretischer Ecke kommend,
hat sich Gregory Bateson in den 50er Jahren Psychologen und Medizinern
angeschlossen, die in Palo Alto versuchten, dem Problem der Schizophrenie
auf die Spur zu kommen. Er entwickelte dabei ein - im weitesten Sinne
- kommunikationstheoretisches systemisches Modell, das später von Paul
Watzlawick in seinem berühmten Werk 'Menschliche Kommunikation' einer
breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde.
Die Psychologen waren es dann auch, die als erste konsequent damit begannen,
systemisches Denken in ihrer professionellen Praxis anzuwenden. Es entstand
die systemische Familientherapie (Stierlin, Heidelberger Modell), und
eine ihrer bedeutendsten Vertreterinnen, Maria Selvini-Palazzoli, wandte
die bei der Betrachtung der Familie als ein System gewonnenen Erfahrungen
auch auf die Beratung von Unternehmen an ('Hinter den Kulissen der Institution').
Eine etwas andere Wurzel ist die sogenannte konstruktivistische Erkenntnistheorie.
Das systemische Denken relativiert ja nicht nur die Bedeutung der Handlung
und der Handelnden, sondern ebenso jene der Wahrnehmung und des Beobachters.
Auch Erkenntnis wird als eine systemische konstruktive Tätigkeit aufgefasst,
die wenig mit den sogenannten 'Abbildtheorien' gemein hat. Biologen und
Neurophysiologen haben mit ihren Forschungen hierzu viele Argumente geliefert.
Humberto Maturana und F. Varela haben aus der Sicht dieser Disziplinenen
die konstruktivistische Erkenntnistheorie in ihrem Buch 'Der Baum der
Erkenntnis' zusammengefasst. Philosophische Fundierungen lieferten von
Glaserfeld und von Foerster. In diesem Kontext hat sich dann auch ein
neuer Gedanke von Evolution durchgesetzt: Evolution als Ergebnis von Selbstorganisationsprozessen,
als Autopoiese, als permanenter Systembildungsprozess.
Seit den 70er Jahren hat sich das systemische Denken praktisch in allen
Wissenschaften in der einen oder anderen Schule etabliert. Bekannt ist
etwa der Physiker F. Capra (Wendezeit. Bausteine für ein neues Weltbild.
München 1985) oder jene Schulen, die sich um eine 'synergetische' Beschreibung
physikalischer Vorgänge bemühen (H. Haken). Auch die sogenannte Chaosforschung
ist aus diesen systemischen Diskussionszusammenhängen hervorgegangen.
Da sich im Prinzip alle Phänomene und alle Modelle der verschiedenen Disziplinen
als Systeme auffassen lassen, bietet die Systemtheorie eine ideale Grundlage,
um Erkenntnisse aus den verschiedenen Bereichen zu integrieren. Diesen
Vorteil kann sie auch auf dem Felde der verschiedenen Beratungsansätze
voll ausspielen: Die systemische Organisationsentwicklung vermag die Erkenntnisse
der klientenzentrierten psychologischen, der gruppendynamischen und eben
auch der rollen- und aufgabenbezogenen institutionsanalytischen Ansätze
miteinander zu verknüpfen. 1)
Ihre Integrationskraft bezahlt die allgemeine Systemtheorie mit einem
hohen Abstraktionsniveau. Über das, was Systeme ausmachen, gibt es nahezu
so viele Theorien wie Autoren. Ich gehe davon aus, daß Systeme komplex
sind, d. h. dass sie aus Elementen und deren Beziehungen bestehen, dass
sie sich immer von ihrer Umwelt abgrenzen und zu ihr funktionale Beziehungen
aufbauen müssen, dass sie prinzipiell eine dynamische Dimension haben
und dass sie über Modelle ihrer eigenen Strukturen verfügen, die es ihnen
erlauben, sich selbst in einer sich wandelnden Umwelt stabil zu halten.
Diese Annahmen über die vier Dimensionen der Systeme werden in folgenden
schematischen Darstellungen zusammengefasst:
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