Fließtext Triadische Phasen- und Simultanprozessmodelle am Beispiel von Beratungsprozessen

In der psychologischen und medizinischen Beratung werden meist drei Phasen unterschieden, die nacheinander ablaufen:
Anamnese des Zustandes des Klienten / Patienten,
Diagnose und
therapeutische Behandlung.
In anderen Beratungen wird ähnlich zwischen
der Erhebung des Ist-Zustandes,
der Diagnose und
der Intervention
unterschieden. Dieses klassische linear-sequentielle Prozessmodell der drei Phasen der psychologischen und medizinischen Beratung lässt sich wie folgt visualisieren:

Nur wenn alle drei Phasen durchlaufen sind, sind die Bedingungen des Beratungsprozesses erfüllt. Nur wenn sie in der genannten Reihenfolge nacheinander abgelaufen sind, war dieser erfolgreich. Jede Phase wird in der Ausbildung von Beratern einzeln behandelt.

Nun weiß man, dass einigermaßen komplexe Beratungsprozesse diese Phasen mehrfach durchlaufen. Die Intervention ist ein Probehandeln, ein Versuch. Man schaut, was beim Klienten passiert (Anamnese) und zieht daraus (neue) diagnostische Schlussfolgerungen. Diese rekursive Prozessvorstellung lässt sich durch ein Endlosband visualisieren:

Die Schlaufen 1, 2 und 3 bezeichnen die (in sich geschlossenen) Phasen 'Anamnese', 'Diagnose' und 'Therapie'. Im Unterschied zum klassischen linear-sequentiellen Prozessmodell ist bei diesem Rückkopplungskreis nicht mehr klar zu entscheiden, wo der Beginn und wo das Ende ist. Als 'Interpunktionsproblem' wird dieser Sachverhalt schon seit längerem in kybernetischen Interaktionstheorien beschrieben (z. B. bei G. Bateson und P. Watzlawick). Es gibt Sequenzen und auch eine Reihenfolge, aber keinen Nullpunkt der Zeit: Jede Anamnese kann - und sollte auch - als Produkt vorheriger Interventionen verstanden werden.

Mehr Komplexität kann mit triadischen Prozessmodellen erfasst werden, die von der Prämisse ausgehen, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt simultan alle drei Prozesse im Beratungssystem ablaufen. Alles Verhalten und Erleben lässt sich sowohl als eine Intervention als auch als Erhebung des Ist-Zustandes als auch als Erklärungsversuch (Diagnose) verstehen.

Dieses Simultanprozessmodell soll durch einen, ebenfalls endlosen, dreischlaufigen Knoten visualisiert werden.

Er zeigt den Beratungsprozess zu einem beliebigen Zeitpunkt, nicht dessen (gesamten) Ablauf in der Zeit. Will man auch diesen visualisieren, stoßen die üblichen zweidimensionalen Graphiken an ihre Grenzen. Sie lassen sich mithilfe dynamischer Animationen in elektronischen Medien überwinden (vgl. die Animation 'Kultur 3D - Kulturen aus kommunikations- und medientheoretischer Sicht (3D-Modell)', auch in 'www.mythen-der-buchkultur.de'). Animation: Kultur 3D - Kulturen aus kommunikations- und medientheoretischer Sicht (3D-Modell)
Welche Veränderungen kann es bei Simultanprozessen überhaupt geben?
Legt man das triadische Denken zugrunde, so kann man den 'Beratungsprozess 3D' als das emergente Produkt des Zusammenwirkens der drei parallel ablaufenden Teilprozesse 'Anamnese', 'Diagnose', 'Therapie' (in beliebiger Reihenfolge) verstehen. Veränderlich sind dann die Anteile der Teilprozesse am Gesamtprozess und damit auch die Relationen zwischen ihnen. Dies lässt sich graphisch durch die Veränderungen der Größenverhältnisse zwischen den Schlaufen ausdrücken. In der obigen Graphik hätten wir es dann mit einem gleichgewichtigen Zusammenwirken der drei Teilprozesse zu tun. Das Ergebnis, z. B. eine Momentaufnahme in einem empirischen Beratungsprozess, wäre gleichermaßen durch anamnetische, diagnostische und therapeutische Elemente strukturiert.
Ein solcher Fall ist die absolute Ausnahme. Meist überwiegt einer der Teilprozesse und drückt dem emergenten Ergebnis 'Beratungsprozess' seinen Stempel deutlicher auf als die übrigen. Es kann mal mehr oder weniger 'gedeutet', mal stärker 'interveniert', mal weniger 'nachgeforscht' werden. Dieses Ungleichgewicht lässt sich durch asymmetrische Knoten visualisieren:

In diesem Bild wäre der Beratungsprozess zwar auch durch die drei Teilprozesse determiniert, aber insgesamt dominieren die diagnostischen Anteile. Die Anamnese tritt hinter die Interventionen zurück.
Hinter dem Modell steht die Grundannahme begrenzter Ressourcen. Das Band ist zwar endlos (im Sinne von 'geschlossen'), aber es ist endlich. Es mag sich etwas dehnen, aber im Prinzip ist das Wachstum eines Teilprozesses nur auf Kosten der anderen zu erreichen.
Die Untersuchung von konkreten Beratungsabläufen zeigt, dass sich die Relationen zwischen den Teilprozessen beständig ändern - und am Ende bei gelungenen Exemplaren durchaus eine Abfolge der Schwerpunkte festzustellen ist, wie sie in der ersten, linearen Abbildung modelliert wurde. Dieses Ablaufschema erweist sich aber zu jedem beliebigem Zeitpunkt als das Produkt des Zusammenwirkens aller drei Prozesse. Eventuell auftretende Komplikationen, Abweichungen von der Normalform des Phasenmodells, lassen sich auf eine unzulängliche Steuerung des Verhältnisses zwischen den Teilprozessen zurückführen (Auch diese Steuerungsprozesse lassen sich wieder in einem triadischen Modell visualisieren  ð  'Steuerung 3D').


Leitfaden: Triadisches Denken und abgeleitete Prozessmodelle