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Grundannahmen zur Gruppenentwicklung von Warren Bennis |
"Zur Konstruktion einer in breitem Umfang anwendbaren Theorie
der Gruppenentwicklung ist es notwendig, die wichtigsten Zonen innerer
Ungewissheit zu bestimmen, die als Hindernisse für eine gelungene Kommunikation
bei allen unter bestimmten Umweltbedingungen stattfindenden Gruppenversammlungen
von Bedeutung sind ... Zwei Ungewissheitszonen lassen sich, zumeist für
unsere Kultur, induktiv aus der Erfahrung bestimmen: Die erste ist die Zone der Autoritätsorientierung, oder, allgemeiner, die Haltung der Gruppenmitglieder gegenüber dem Gebrauch und der Verteilung von Macht in der Gruppe. Die zweite ist die Zone der gegenseitigen Haltungen der Mitglieder zueinander. Beide Zonen sind voneinander nicht unabhängig ... Beide sind jedoch so deutlich voneinander verschieden wie die Begriffe von Macht und Liebe ... Kernstück der Theorie der Gruppenentwicklung ist die These, dass die Hauptprobleme, die die Gruppe lösen muss, in den Haltungen zu Autorität und Intimität liegen, welche die Mitglieder in die Gruppe mitbringen. Rebellion, Unterwürfigkeit oder Resignation als charakteristische Reaktionen auf Autoritätsfiguren sowie destruktives Konkurrenzverhalten, emotionelle Ausbeutung oder Sichzurückziehen als charakteristische Reaktionen gegenüber Gleichrangigen verhindern das Bestätigen von Erfahrungen durch Konsensus ... Die an der Gruppenentwicklung am stärksten beteiligten Persönlichkeitsaspekte werden ... als Dependenzaspekte und personale Aspekte bezeichnet. Der Dependenzaspekt umfasst die charakteristischen Verhaltenweisen eines Mitglieds in Bezug auf einen Führer oder eine Regelstruktur. Mitglieder, die Verfahrensregeln, eine Tagesordnung, einen Experten usw. angenehm finden, werden als unabhängig (dependent) bezeichnet. Mitglieder, die angesichts autoritärer Strukturen aus der Fassung geraten, werden als kontradependent bezeichnet. Den personalen Aspekt bilden die charakteristischen Verhaltensweisen eines Mitglieds in Hinblick auf interpersonelle Intimität. Mitglieder, die nicht ruhen, ehe sie nicht einen relativ hohen Grad an Vertraulichkeit in ihrer Beziehung zu allen anderen erreicht haben, werden als überpersonal, andere die dazu tendieren, jede Intimität mit anderen zu vermeiden, werden als kontrapersonal bezeichnet." (S. 271-273) "Personen, die auf dependente oder kontradependente, auf personale oder kontrapersonale Positionen fixiert sind, werden als konfliktbehaftet bezeichnet. Konfliktfreie oder unabhängige Personen können zeitweise solche Positionen einnehmen, bleiben darauf jedoch nicht fixiert. Konfliktfreie Mitglieder sind wichtig beim Übergang von einer Entwicklungsphase der Gruppe in die nächste, sie werden als Katalysatoren der Veränderung beschrieben. Katalysatoren sind diejenigen, die fähig sind, die in einer bestimmten Phase bestehende Ungewissheit zu verringern." (Letzter Abschnitt Zusammenfassung S. 274-275) |
Aus: Warren G. Bennis: Entwicklungsmuster der T-Gruppe. In: Gruppentraining, T-Gruppentheorie und Laboratoriumsmethode. Bradford, Gibb, Benne (Hrsg.) Stuttgart 1972, S. 270-30. |