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Dialoge als Mikrokosmos des kulturellen Makrokosmos |
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Eine Grundvoraussetzung dafür, dass Gespräche
gesellschaftliche Wirkung entfalten können, ist, dass sie wirklich
als Mikrokosmos der Gesellschaft funktionieren. Ein wichtiger Vorläufer
des Dialogkonzeptes in diesem Sinne ist Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher
(1768-1834). In vielen Arbeiten hat er die Bedeutung des Gesprächs
zur Vergesellschaftung der Individuen, insbesondere zum Durchqueren der
Distanz auseinander liegender Standpunkte betont. Seit etwa 1799 empfahl
er, das 'gesellige Gespräch' als Modell für Kultur und Gesellschaft
überhaupt zu nehmen. Man kann aber in unserer Gegenwart nicht mehr
dabei stehen bleiben, das Gruppengespräch als Mikrokosmos des Makrokosmos
Kultur zu postulieren. Vielmehr zeigt sich die neue Qualität des
Dialogkonzepts gerade darin, dass das Setting von Gesprächen konsequent
so gestaltet wird, dass es tatsächlich die Kulturen größerer
Gruppen, Schichten oder Gesellschaften spiegeln kann. "In der Theorie
der 'Mikrokultur' wird die These aufgestellt" schreibt David Bohm,
"dass in einer Gruppe von zwanzig und mehr Personen ein repräsentativer
Querschnitt einer Gesamtkultur zu finden sein kann, was eine Aufladung
mit multiplen Sichtweisen und Wertesystemen ermöglicht". War
es bei Schleiermacher und anderen Vertretern der Romantik noch eher die
Kleingruppe, so experimentiert man 200 Jahre später mit Großgruppen
von 50, ja bis zu 500 Personen. Die Komplexität von Kulturen, schon
jene von Großbetrieben, erweist sich letztlich doch als größer,
als man in der Geschichte lange Zeit annahm. Ein repräsentativer
Querschnitt der Positionen und Meinungen verlangt nach der Einrichtung
von Großgruppen.
Dialoge als Spiegel von Organisationskulturen zu
institutionalisieren, das gehört mittlerweile auch zum Handwerkzeug
kommunikativen Managements und der modernen Organisationsentwicklung.
In diesem Bereich, in der Orientierung der Unternehmen auf die Anforderungen
der Informationsgesellschaft, liegen weitere Ursachen für die wachsende
Bedeutung des dialogischen Gesprächs. Aus diesem Bereich stammen
auch die bei weitem häufigsten Vorschläge für eine Professionalisierung
des Dialogs.
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