Fliesstext Programmwechsel und -reflexion als Prinzipien der Dialoge

 

 
Das dialogische Gruppengespräch übernimmt zwar manche Steuerungsformen der einfachen Sozialsysteme, aber es ist eine Hybridform, die auch Strukturmerkmale und Programme von Organisationen und Gesellschaften aufweist.
Auch wenn man die dialogischen Gruppengespräche als kommunikative Kooperationsformen charakterisiert, zeigt sich ihr komplexer Charakter. Zwar stehen sie dem 'Erzählen' nahe, aber sie nutzen auch Elemente des Beschreibens und in minderen Umfang des 'Argumentierens'.

Es geht nicht um das Gespräch als Kampfplatz, auf dem man sich mit rhetorischen Waffen Duelle liefert. Es geht um Gespräche, die Raum lassen, damit sich die Komplexität der menschlichen Informationsverarbeitung entfalten kann. Dies setzt zum einen eine starke selbstreflexive Komponente und zum anderen einen Programmwechsel zwischen zielorientierter Arbeit und minimalstrukturierten Phasen voraus. Wie ein solcher Wechsel der Programme psychischer und sozialer Informationsverarbeitung ausschauen kann, haben wir an anderer Stelle am Beispiel eines bestimmten Typs des Gruppengesprächs, der Supervision, ausführlich gezeigt.[1]
Ein zeitgemäßes Konzept des Gruppengesprächs wird dieses also nicht bloß als ein Orchester zielgerichteten individuellen Handelns behandeln. Chaos, strukturierte Phasen und verschiedene Formen sozialer Selbstreflexion und verschiedene Phasen sozialer Selbstreflexion werden sich ablösen. Damit dies funktionieren kann, wird die beständige gemeinsame Beobachtung dieses Programmwechsels zu einer unverzichtbaren Aufgabe. Das Gruppengespräch als Vernetzungsinstanz der Informationsgesellschaft erfordert einen wachsenden Anteil sozialer Selbstreflexion. Die kritische Sichtung der Programme, nach denen wir gerade handeln und erleben, wird zur Grundlage der Selbststeuerung.[2]
Je besser wir solche Programme kennen und je mehr wir selbst zur Verfügung haben, desto größere Möglichkeiten, unsere Umwelt zu erleben, und desto größere Handlungsalternativen besitzen wir in unserer alltäglichen und professionellen Kommunikation.


[1] M. Giesecke/ K. Rappe-Giesecke: Supervision als Medium kommunikativer Sozialforschung. Die Integration von Selbsterfahrung distanzierter Betrachtung in Beratung und Wissenschaft. Frankfurt 1997.
 
[2] Diesen wachsenden Bedarf an 'institutionalisierter Dauerreflexion' hat Helmut Schelski schon 1957 in einzelnen Bereichen der Gesellschaft bemerkt. Vgl. ders.: Ist die Dauerreflexion institutionalisierbar? In: Zeitschrift für evangelische Ethik, Heft 1, 1957, S. 143-174.


 








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