Möglichkeiten der Verbesserung sozialer Kommunikation und der Bewältigung von Störungen (vor dem Hintergrund des informationstheoretischen Modells)
Leittext
 
Viele, wenn nicht gar die meisten Instrumente, die in modernen Kommunikations- und Verhaltenstrainings gelehrt werden, um Kommunikationsstörungen vorzubeugen und sie ggf. zu überwinden, dienen in diesem Sinne der Förderung individueller und sozialer Selbstreflexion: So geben im 'Blitzlicht' die Sprecher/Hörer Auskunft über ihre eigene Befindlichkeit. Im 'Feedback' wird demgegenüber über die Programme des Adressaten metakommuniziert. Funktionen und Maximen von bzw. für 'Blitzlicht' und 'Feedback' sind in den nachfolgenden Schaukästen zusammengestellt:
 

  1.   Blitzlicht  

 

Ein 'Blitzlicht' ist ein Instrument zur Lenkung von Kommunikation in Gruppen. Es dient dazu, in kürzester Zeit Informationen von allen Gruppenmitgliedern einzuholen und der Gruppe verfügbar zu machen, deshalb
    sollte sich jedes Mitglied beteiligen,
    die Zeit begrenzt werden,
    nur zu der festgelegten Frage gesprochen werden.
In (institutionalisierten) Arbeitsgruppen beschleunigt eine feste Reihenfolge das Verfahren und erleichtert den Überblick. Bei gruppendynamischen Konflikten bietet sich oftmals die freie Selbstauswahl an.

Gegenstand des Blitzlichts können sowohl die Gruppe (Metakommunikation) als auch beliebige Umweltausschnitte sein. Es ist also ein geeignetes Instrument sowohl zur (Selbst-)Reflexion der Gruppendynamik (Wie habe ich die letzten 5 Minuten Gruppendiskussion erlebt? Was verspreche ich mir von der nächsten Sitzung?) als auch zur (fremdreferentiellen) Sammlung von Fachinformationen und Meinungen (Sollte ein Kommunikationstraining Bestandteil des Universitätsstudiums sein? Was halten Sie vom gegenwärtigen System der Parteienfinanzierung?). In der ersten Funktion eignet es sich am Anfang und am Ende von Gruppensitzungen sowie bei Arbeitsstörungen des Gruppenprozesses.

Immer aber ist der Ausgangspunkt des 'Blitzlichts' die persönliche Meinung des Blitzlichtgebers - nicht Vermutungen über Positionen von Dritten oder 'Man'-Aussagen. Das 'Blitzlicht' dient der Bestandsaufnahme der (oft überraschend vielfältigen) Meinungen, Gefühle und Informationen, die bei den Gruppenmitgliedern vorhanden sind. Es dient nicht
    der Rechtfertigung bestimmter Positionen einzelner Gruppenmitglieder,
    der Fortführung von (Zweier-) Diskussionen oder
    der Überzeugung beliebiger Gruppenmitglieder.

Ein Blitzlicht sollte so gegeben werden, dass keine Verständnis- (Rück-) Fragen mehr notwendig sind.
Die Zuhörer verhalten sich wie Feedback-Nehmer. Erst wenn alle Gruppenmitglieder ihre Informationen preisgegeben haben, kann aufgrund kollektiver oder Leiter-Entscheidung eine Diskussion beginnen oder fortgesetzt werden. Das 'Blitzlicht' ist ein ökonomisches Instrument in nahezu allen Entscheidungsprozessen in Gruppen. Die Bestandsaufnahme kann Diskussionen abkürzen und als Grundlage für unmittelbar anschließende Abstimmungen genutzt werden. Ein Sonderfall des 'Blitzlichts' ist das 'Brainstorming'.

 

  2.   Feedback  

 

Gegenstand des 'Feedbacks' sind immer das Verhalten und/oder das (vermutete) Erleben von anderen Elementen des Kommunikationssystems!

Regeln für den Feedback-Geber:

    Gehe vom sichtbaren Verhalten des Anderen aus und
       benenne die eigenen antwortenden Gefühle und Reaktionen.
    Gehe vom konkreten Einzelfall aus, vermeide:
        -  Verallgemeinerungen,
        -  Vermutungen und
        -  moralische Bewertungen.
    Versuche, auch allgemeine Eindrücke zunächst auf winzige Beobachtungen zurückzuführen.
    Du kannst nur für die eigene Person sprechen, dränge der anderen nichts auf.
    Berücksichtige die Situation und die Möglichkeiten des Feedback-Empfängers,
       wenn Du Kritik anmeldest und am Ende Verhaltensänderungen vorschlägst:
       -  Unmittelbares und erbetenes Feedback kommt am besten an.
       -  Manche Eigenschaften und Verhaltensweisen können nicht geändert werden.

Regeln für den Feedback-Nehmer:

    Zuhören, innehalten und aufnehmen!
    Nicht der Feedback-Geber, sondern ich selbst stehe zur Diskussion:
       -  Lob und Kränkungen spüren,
       -  Zuschreibungen verstehen und in ihren Auswirkungen abschätzen,
       -  nicht verteidigen und rechtfertigen,
       -  nicht zurückschießen und
       -  nicht rationalisieren.
    Entscheide erst nach der Rezeption und der Verarbeitung des Feedbacks,
       ob du mit dem Feedback-Geber ins Gespräch kommen willst.
    Falls Rückmeldung, an die Regeln des 'Blitzlichts' denken!

 

  Stufen des Feedback   1)

 

 

  1. Stufe:     Allaussagen, Generalisierungen, z. B.:
"Du drängst Dich immer in den Vordergrund!"
Der Feedbackgeber fällt hier ein sehr allgemeines Urteil und hält sich selbst heraus. Er macht es damit dem Feedbacknehmer leicht, Gegenbeispiele in der Vergangenheit und in Bereichen zu suchen, die für das momentane Gespräch u. U. gar nicht wichtig sind.

  2. Stufe:     Präzise Beobachtung, Betonung des Hier und Jetzt:
"Du hast jetzt zum dritten Mal jemandem das Wort abgeschnitten und bist nicht auf den Vorredner eingegangen. Das erste Mal war ... das zweite Mal ..."
Durch diese Mitteilungsform wird der Feedbacknehmer auf das Hier und Jetzt des Gesprächs und auf wahrnehmbares Verhalten orientiert. Der Feedbackgeber bringt sich nicht mit Deutungen ein.

  3. Stufe:     Betonung der Relativität der Aussage, Beziehungsaspekt:
  "Ich weiß nicht, wie es anderen geht, aber mir fällt auf, dass ..."
Auch Wahrnehmungen können täuschen. Vielleicht haben andere anderes gesehen.

  4. Stufe:     Selbstbeobachtung mit der Beobachtung des anderen verknüpfen; das Verhalten des anderen als Reiz interpretieren; auf die eigenen Körperwahrnehmungen, Gefühle, Gedanken reagieren. Beschreibung des fremden Verhaltens plus 'Blitzlicht' über das eigene Erleben:
  "Ich bin eben ganz hibbelig geworden und konnte Peter kaum mehr zuhören, weil ich andauernd darauf gewartet habe, dass du Peter wieder nach ein paar Sätzen ins Wort fällst, wie du das zuvor schon bei Verena und Nicole gemacht hast."
Die zusätzliche Mitteilung der ausgelösten Gefühle kann den Feedbacknehmer seinerseits zu einer Selbstbeobachtung motivieren. Dann wäre zwischen beiden wieder eine Reziprozität (gleicher Grad an Selbstoffenbarung) hergestellt. Für den Moment hat der Feedbackgeber mit seiner Deutung seines eigenen Verhaltens und Erlebens eine Vorleistung erbracht.

  5. Stufe:     wie 4. Stufe, jedoch zusätzlich mit einem Vorschlag, wie der Feedbacknehmer sich verhalten kann, um die Störung beim Feedbackgeber zu beseitigen.
  "Warte doch einfach, bis Du alles gehört hast!"
Eine solche Aufforderung wird nur Sinn machen, wenn der Feedbacknehmer emotional so frei ist, dass er sein Verhalten ändern kann. Beim 3. Unterbrechen kurz hintereinander gibt es Grund zur Annahme, dass den Feedbacknehmer irgend etwas hindert, das gewünschte (übliche) Verhalten an den Tag zu legen. Um dem Gegenüber Gelegenheit zu geben, über diese Gründe nachzudenken und zu sprechen, ist eine weitere 6. Stufe des Feedbacks möglich.

  6. Stufe:     Das 'Feedback' kann auch mit der Bitte an den Feedbacknehmer enden, nun seinerseits in 'Blitzlicht' oder 'Feedback' zu gehen. Nach Stufe 4 könnte beispielsweise angeschlossen werden:
  "Wenn ich wenigstens wüßte, was Dich im Augenblick derart treibt, uns Deine Sicht der Dinge so aufzudrängen?"
Zu solchen selbstreflexiven Interventionen sollte erst gegriffen werden, wenn Aufforderungen zu Verhaltensänderungen fehlgeschlagen sind.

  3.   Metakommunikation  

 

 

Die Systemabhängigkeit von Regeln kommunikativen Verhaltens

'Blitzlicht' und 'Feedback' klappen erfahrungsgemäß nur dann, wenn auf beiden Seiten der Wille und die Fähigkeit zu individueller Selbstreflexion vorhanden sind. Darauf aufbauend muss, um Störungen zu beheben, zumeist auch zu sozialer Selbstreflexion geschritten werden. Wenn es irgendwann in einem Gespräch stockt, liegt dies selten nur an einem Element des Kommunikationssystems. Alle Beteiligte haben sich als Teil eines Ganzen zu betrachten und dann nach ihren jeweiligen Anteilen an dem mehr oder weniger befriedigenden Fortgang der Kooperation zu fragen. Die Ergebnisse dieser Selbst- und Systemerkundung müssen verbalisiert oder in anderer Form den übrigen Gesprächspartnern zur Verfügung gestellt werden. Dies, z. B. auch ein einzelnes 'Blitzlicht', bezeichnet die Fachliteratur oft schon als 'Metakommunikation'. Zu eigentlichen Metagesprächen kommt es aber natürlich erst, wenn alle Beteiligten sich auf eine selbstreflexive Ebene begeben. Einseitige Metakommunikation wird häufig als Machtmittel verwendet, um eine superiore, übergeordnete Position zu gewinnen. Es kommt also darauf an, die Selbstthematisierung als eine kollektive Veranstaltung zu gestalten, was praktisch immer zu einem phasenweisen Verlassen des Gesprächsablaufs führt. Gleichzeitig muss auch der Gegenstand des Gesprächs von der individuellen auf die soziale Ebene gehoben werden. Metakommunikation meint immer auch das Reden über die sozialen Strukturen und Prozesse - eben über Kommunikationsstrukturen und nicht über das individuelle Verhalten und Erleben. Schema: Metakommunikation (Zeichnung von Schulz von Thun)

Metakommunikation als Einstieg in die Soziale Selbstreflexion

Je nachdem, um welche sozialen Kommunikationssysteme es sich handelt, sind andere Instrumente zur Förderung sozialer Selbstreflexion einzusetzen. Generelle Regeln für 'erfolgreiche Kommunikation' zu formulieren, ist wenig sinnvoll. Mindestens sind sie für die verschiedenen großen Klassen von Sozialsystemen zu spezifizieren.

 

 
Für Gruppengespräche hat beispielsweise Ruth Cohn ('Themenzentrierte Interaktion', TZI) Maximen aufgestellt, die in der Fachdiskussion und in der Trainingspraxis weite Verbreitung gefunden haben. Sie sind hier in modifizierter Form wie folgt zusammengefasst:
 

  Maximen für Gruppengespräche  

 

    Ich bin bereit, mich auf Experimente einzulassen.
    Ich beachte meine Körpersignale und höre in mich hinein.
    Tauchen 'Störungen' auf, die mir die Mitarbeit unmöglich machen, teile ich sie der Gruppe (rasch) mit.
    Ich spreche per 'Ich', nicht per 'Man', oder 'Wir' oder 'Es'.
    Ich vermeide Verallgemeinerungen und Klischees.
    Ich kann jederzeit 'Nein' sagen.
    Ich thematisiere auffällige Gruppenprozesse (Metakommunikation).
    Kontakt kommt vor Konsens und Kooperation.
    Ich versuche möglichst 'gegenwärtig' zu sein, indem ich Kontakt zum Hier und Jetzt halte.
    Ich spreche nicht über andere Teilnehmer, sondern ich rede sie direkt an.
    Ich gebe Rückmeldungen (Feedback) über meine Wahrnehmungen und Meinungen.
    Ich höre Rückmeldungen zu, lasse sie auf mich wirken und brauche mich nicht zu rechtfertigen.

 

 
Metakommunikation - wie wir anfangen können, über Störungen zu sprechen:
  1.   Eine Störung bemerken als Irritation: die eigene Irritation ernst nehmen.
  2.   Die Störung anmelden:
  "Störungen haben Vorrang" ist die erste Regel in der Themenzentrierten Interaktion (TZI).
  3.   Die Störung benennen in Form einer Ich-Botschaft (keine Du-Botschaften, keine Urteile über das Verhalten des andern!):
Ich verstehe nicht. Ich fühle mich nicht verstanden ...
Ich ärgere mich ...
Mich stört, dass ...
 
Bei der Selbstreflexion von Kommunikation in Institutionen gelten andere Wertmaßstäbe. Hier stehen die Klärung von Rollen, Arbeitsaufgaben und institutionelle Rahmenbedingungen im Vordergrund. Eine Anregung zu einer solchen institutionellen Selbstreflexion mag die angefügte Kooperations-Checkliste geben:
 

  Kooperations-Checkliste  

 

    Wie konnte ich mich entfalten?
    Wer hat mich behindert?
    Wer hat mich unterstützt?
    Wie habe ich Einfluss genommen?
    Welche Gefühle habe ich nicht ausgedrückt?
    Wessen Ideen wurden berücksichtigt?
    Wessen Ideen blieben unbeachtet?
    Gab es eine Rollendifferenzierung?
    Welche Rolle habe ich ausgefüllt?
    Wie wurden Entscheidungen getroffen?
    Wurden Störungen ausgesprochen?
    Fühlte sich jemand übergangen?
    Was habe ich über meine Kooperationsfähigkeit erfahren?
    Wie klappt die Kooperation 'draußen', im Alltag der Gruppenmitglieder?

 


 
 
1)  veränd. Fritz, Jürgen (1979): Methoden des sozialen Lernens.

www.kommunikative-welt.de WaKoTraining ©Michael Giesecke