„…Der charakteristische Standpunkt dieser Arbeit,
der der Materialität der Kommunikation, kann nur exakt beurteilt
werden, wenn man die historischen Umstände in Betracht zieht, aus denen
er hervorgegangen ist. Wenn das, was den Menschen vom Tier unterscheidet,
hauptsächlich seine Fähigkeit ist, sich mit seinesgleichen weitgehend
zu verständigen, darf man sicherlich sagen, dass das, was
den modernen Menschen kennzeichnet, der Gebrauch künstlicher
Kommunikationskanäle ist. Gewiss datieren Schrift und optische oder
akustische Telegraphie, die zu den elementarsten künstlichen Kanälen
gehören, aus einer relativ zurückliegenden Zeit der Zivilisationsgeschichte.
Aber das Bewusstsein der Materialität der Information ist außerordentlich
jung. Vor noch nicht sehr langer Zeit stand der ideelle Aspekt der zwischenmenschlichen
Nachrichten so evident im Vordergrund, dass der materielle Aspekt im Schatten
blieb. Die Ideen, die man ‘übermittelte’, ließen
die Übermittlung selbst vergessen. Für PLATON. BACON oder SPINOZA
war die Materialität des Geschriebenen nur eine Nebensächlichkeit,
von der man den Gedanken geradezu befreien musste, und der Mythos von den
gefrorenen Worten im dritten Buch des Pantagruel war nur eine amüsante
Erzählung ohne philosophische Bedeutung. Unter den alten Kulturen näherten
sich nur die chinesische und die hebräische auf halb mystischem Wege
der Vorstellung von der Materialität des Geschriebenen als wesentlichem
Wert. Die Chinesen betrachteten es lange als Sakrileg, irgendetwas Geschriebenes
zu zerstören, selbst wenn es ohne jedes Interesse war, und die Juden
bauten auf der Achtung vor dem ‘Buch’ (der Thora) ein subtiles
Geflecht logischer und theologischer Doktrin auf. Erst mit der technischen
Erfindung des Buchdrucks wird die Materialität des Geschriebenen ganz
offenbar, die Achtung wird als Wert abgebaut und ein ökonomischer
Wert, der immer weiter zunimmt, tritt an die Stelle. Die Vermehrung der
Quantität der Zeichen musste den konkreten Charakter ihrer
Existenz unabhängig von ihrem ideellen Wert sichtbar machen, wie groß
auch immer ihre Wertminderung infolge ihrer Vervielfältigung sein mochte.
Erst mit der Erfindung der übrigen Kommunikationskanäle, mit Telefon,
Radio, Aufzeichnung von Ton, Bild und Bewegung – wieder einmal war
der homo faber dem homo sapiens voraus – bemerkte
man, dass diese Materialität etwas war, was über Papiergewicht
und Anzahl der Telefonkabel hinausging, nämlich das Zeichen; man begriff
die Existenz der Materialität jeglicher Kommunikation. Die ‘Idealität’
der Kommunikation wurde also in der begrifflichen Darstellung durch das
Hinzukommen der Materialität in ihrer Bedeutung eingeschränkt.
Während die Untersuchung der Materialität im Zeitalter des ERASMUS
einer geistigen Anstrengung bedurft hätte, die als Spitzfindigkeit
hätte gelten können, setzt sie sich im Zeitalter der Zeitung,
des Rundfunks, der Schallplatte und des Films pragmatisch durch; |
Von jetzt ab gibt es in der modernen Welt eine ganze Kategorie
von Individuen, die mit den materiellen Ideenträgern umgehen: nicht
mehr allein Drucker, Buchhändler, Boten und Fernsprechbeamte, sondern
Nachrichteningenieure. Für sie geht durch Telefondrähte,
Leitungen und Verstärker das Träger-Signal von Ideen, die sie
nicht kennen und um die sie sich nicht kümmern; aber sie müssen
sich mit Problemen der Überlastung von Wellenlängen, der Auslastung
von Fernsprechnetzen auseinandersetzen oder noch konkreter mit den Gebühren
für Telegramme; für sie wird der quantitative Aspekt der Information
selbstverständlich. …“ |