Begriffsbildung
Der Begriff 'kommunikative Sozialforschung' ist erst
in den 70er Jahren von Bielefelder Soziologen und Sprachwissenschaftlern
eingeführt worden. (Vgl.: Arbeitgruppe Bielefelder Soziologen: Kommunikative
Sozialforschung. München 1976). Sie wollten damit nicht nur ausdrücken,
daß die Kommunikation ein lohnender Gegenstand der Sozialforschung
ist. Vielmehr sollte schon durch die Begriffswahl deutlich gemacht werden,
daß auch der Forschungsprozeß als Kommunikation, als ein Gespräch
mit Rückkopplungsmöglichkeiten und selbstreflexiven Phasen zu
gestalten ist. Sie richteten sich damit gegen Formen der Verhaltensforschung,
die nur die distanzierte Beobachtung als Medium der Erfahrungsgewinnung
akzeptiert und versuchten, bestimmte Schwächen der quantitativen,
statistisch orientierten Soziologie zu kompensieren. Andererseits beschränkten
sich die Untersuchungen auf typisch soziologische Fragestellungen. Die
Forscher verstanden sich in erster Linie als Soziologen oder als Sprachwissenschaftler,
die Sprache als soziales Phänomen behandelten.
Wir halten an dem Begriff fest, obwohl sich die hier dargestellten Methoden
keineswegs nur auf soziale Phänomene anwenden lassen. Man könnte
auch von kommunikativer Kommunikationsforschung, von kommunikativer Kulturforschung,
oder kommunikativer anthropologischer Forschung sprechen.
Da jedoch die Mehrzahl der Beispiele aus der Untersuchung sozialer Phänomene
stammen, sind wir beim Begriff "Kommunikative Sozialforschung"
geblieben, obwohl der Trend hin zur Beschreibung des Zusammenwirkens der
verschiedenen Klassen von Medien und Systemen und damit zur Betonung der
Kulturanalyse unverkennbar und auch notwendig ist. Wichtiger als die Bestimmung
des Gegenstands der Forschung: Programme und Strukturen, psychische, soziale,
kulturelle u.a. Informationsverarbeitung und Kommunikation ist die Betonung
der interaktiven, dialogischen, rückkopplungsintensiven -eben kommunikativen-
Methodik und Methodologie. Um die hier betriebene Form interaktionsintensiver
Forschung von experimentellen und anderen empirischen Ansätzen abzusetzen,
die darauf angelegt sind, die Beeinflussung der Forschungsgegenstände
durch die Forscher möglichst auszuschließen, könnte man
auch von dialogischer oder interaktiver Kommunikations- und/oder Sozialforschung
sprechen. Die gesprächsförmige Datenerhebung, -auswertung und
Rückkopplung ist gewiß ein wichtiges Identitätsmerkmal
dieser Methodik. Andererseits werden phasenweise auch andere, rückkopplungsärmere
Strategien, verwendet, so daß die Bezeichnung 'dialogisch' letztlich
zu eng ist.
Die spezifisch dialogischen Methoden erzielen die besten Ergebnisse bei
der Untersuchung dialogischer Prozesse und Systeme. Hier können sich
die Untersuchungssysteme am klarsten in den Forschergruppen spiegeln.
Da die Prinzipien von Rückkopplung und Fließgleichgewicht nicht
nur für die zwischenmenschlichen Gespräche sondern für
alle ökologischen Systeme gelten, eignen sich die Maxime und Prinzipien
der KomSofo auch für die Untersuchung nichtmenschlicher Ökosysteme.
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