Achtung Interviewereinstellung
   

Ulrike Froschauer und Manfred Lueger haben in ihrer kleinen Schrift 'Das qualitative Interview' (Wien 1992) folgende Einstellungen hervorgehoben, die das Interviewklima günstig beeinflussen:

 

a) Lernen! Die interviewende Person muß sich selbst als im Interviewprozeß von der befragten Person über deren Lebenswelt lernend definieren.  
b) Interesse und Neugier! Es ist wichtig, sich im Rahmen der Forschungstätigkeit auf Unbekanntes und Neues einzulassen, sowie die Vielfalt der vorfindbaren Phänomene im Gespräch möglichst genau zu klären und aus der Perspektive der befragten Person zu analysieren.  
c) Keine vorschnellen (Vor-)Urteile! Das Prinzip der Offenheit hat Vorrang: Die Meinungen der befragten Personen sind von zentraler Bedeutung. Speziell Werturteile sind zu vermeiden und möglichst aus dem Gespräch herauszuhalten.  
d) Die interviewte Person hat immer recht! Diese Haltung betont die Perspektivität des Materials, da sozialen Phänomenen der Lebenswelt vielfach aus unterschiedlichen Blickwinkeln verschiedene Bedeutungen zukommen, die Widersprüche produzieren und gleichzeitig erklären können und die Differenziertheit der Sichtweisen betonen. Es ist daher zu berücksichtigen, daß Widersprüche in den Aussagen innerhalb des Interviewkontextes und in der Lebenswelt der befragten Personen durchaus Sinn machen können. Nur in spezifischen Fällen sind Konfrontationen angebracht - sie bedürfen aber besonderer Sorgfalt sowohl im Erhebungsprozeß als auch bei der Interpretation.  
e) Zuhören! InterviewerInnen sollen sich in erster Linie informieren lassen. Dazu ist es wichtig, den befragten Personen nicht nur einen entsprechend breiten Antwort- und Aussagespielraum zu gewähren, sondern auch den Argumenten genau zuzuhören und bei Unklarheiten nachzufragen.  
f) Nicht alles als selbstverständlich hinnehmen! Viele Aussagen in Interviews verweisen auf charakteristische Bedeutungen in einem besonderen sozialen Setting. Daher ist es häufig nötig, scheinbaren Selbstverständlichkeiten und Verallgemeinerungen auf den Grund zu gehen. Auch Widersprüchlichkeiten können in diesem Sinn näher besprochen werden." (S. 36/37)
 
Beispiel
Diese Hinweise muß jeder für sich fruchtbar machen. Sie können nicht unabhängig von der individuellen Forscherpersönlichkeit zur Regel gemacht werden.
Mir persönlich geht das Abstinenzgebot: 'Werturteile heraushalten!' für viele Konstellationen zu weit. Aber seinen Stil wird jeder selbst finden und das wiederum führt zu dem Ergebnis, daß nicht jeder Interviewer mit jeder Person ein narratives Interview oder überhaupt ein ergiebiges Gespräch führen kann! Ehe man sich hier quält, sollte man lieber abbrechen und die Person ggf. einem anderen Interviewer überlassen.