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Paraphrasierung |
Vervollständigen von unvollständigen oder unverständlichen Äußerungen Im Rahmen einer Organisationsentwicklungsmaßnahme an einer Universität behandelt eine Arbeitsgruppe die Frage „Welche Bedürfnisse befriedigt unser Fach(bereich) gut?“ Es geht also um die Kompetenzen und/ oder Produkte, die diese Organisation ihrer Umwelt zu bieten hat. Folgende Äußerung findet sich in dem Datenmaterial und soll paraphrasiert werden:* „dass die Praxis nicht mehr von uns fordert (.) ja (.) dann ist natürlich die Frage wer fordert dann noch überhaupt etwas von uns (.) das dürften daraus hinauslaufen (.) (???) vor fünfzehn Jahren“ (86/ 2-3). In diesem Satz ist eine unverständliche Äußerung
(???), die folgendermaßen ergänzt/ paraphrasiert werden könnte: |
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'dass wir unsere Zielgruppe verloren haben' |
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'dass wir überflüssig geworden sind' |
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'dass wir uns schon vor fünfzehn Jahren neue Aufgabenfelder hätten erschließen müssen' |
Alle gefundenen Paraphrasierungen weisen auf die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit der Beziehung zur Praxis hin. Kurze Zeit später meint ein anderer Teilnehmer, dass das Fach die Anforderungen der Praxis nicht erfüllen könne. Darauf entgegnet ein Kollege: „richtig (,) (.) dann sind sozusagen die Anforderungen falsch (-) x oder wir müssen uns anpassen (.) das heißt (???)“ (87/ 12) K führt diesen Satz nicht zu Ende. Folgende Vervollständigungen
sind möglich: |
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'dass heißt wir müssen uns ändern, damit wir den richtigen Anforderungen genügen' |
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'dass heißt wir müssen den Fordernden klar machen, dass wir die falsche Adresse sind' |
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'dass heißt wir müssen uns hier überlegen in welche Richtung wir gehen wollen' |
„es sei denn wir sagen (-) diese (k) dieses Feld wollen wir auch nicht ansprechen (-)“ (87/ 12). Der Begriff „Feld“ kann verschieden aufgefasst werden: |
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zum einen als das Feld „Praxis“, das nicht angesprochen werden soll |
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zum anderen als das Feld „Veränderung am Fachbereich“ |
„sondern unsere Qualifikation dient auf einer andere Ebene als Fachhochschul-Ebene (.) auch (???) weil unsere Zielgruppe 1(-) (.) auch wenn das nicht 2 (-) das würde für die Außendarstellung aber bedeuten (-) dass wir auch nicht unbedingt den Berufstand 3 so zu sagen als unsere Zielgruppe ansprechend dürften (..) sondern dass wir uns an die Adressaten wenden sollen von denen wir meinen dass sie (???) 4“ (87/ 17-18) Dieser an vier Stellen unvollständige Beitrag wird durch die folgenden, möglichen Ergänzungen verständlicher: |
1 | die Praxis sich von uns losgesagt
hat; uns nicht bekannt ist; |
2 | erfreulich ist für uns; offensichtlich geworden ist; wichtig ist für uns; angesprochen werden sollte von uns; |
3 | den Gartenbau; die Praxis; |
4 | Diplomingenieure einstellen; was von uns fordern; |
Alle Kombinationen der gefundenen Lesearten weisen auf die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung der Gruppe mit ihrer Beziehung zur Praxis und zu anderen Ansprechpartnern hin, da die Praxis für den Fachbereich an Bedeutung verloren hat. |
* Die Auswertung entnehme ich einer Diplomarbeit von Katrin Bornholdt. In einem weiteren Redebeitrag beschäftigt sich der Diskussionsleiter der Projektgruppe mit den Anforderungen, die von „Außen“ an den Fachbereich herangetragen und mehr oder weniger gut befriedigt werden:* (S 89 Z2-6) In seinem Redebeitrag, versucht der Diskussionsleiter die vorhergegangene Diskussion darzustellen. Er spricht in seinem Beitrag von dem „Außen“1, das Anforderungen stellen könnte. Dabei unterscheidet er zwei „Außen“ (2+3). Das unter '2' und '4' genannte „Außen“ weicht von dem mit dem Fach assozierten Gebiet '3' ab. Diese Aussage beinhaltet, dass der Fachbereich den Kontakt zur Praxis verloren hat und sich daher neu orientieren müsste. Auffällig ist, dass die Umwelten nicht direkt benannt werden, sondern mit dem Begriff „außen“ umschrieben werden. Dieses ist als Zeichen zu werten, dass das Thema „Loslösung von der Praxis“ nur latent behandelt werden kann. |
*Die Auswertung entnehme ich der Diplomarbeit von Katrin Bornholdt. → Klärung der Rollen/ Selbsttypisierungen der Sprecher Pronomen lassen häufig unterschiedliche Lesearten zu. Auch kann selbst in kurzen Redebeiträgen das gleiche Pronomen für unterschiedliche Nomen stehen. In der Projektgruppe, deren Verhandlungen auch die anderen Beispiele entnommen sind, findet sich folgende Äußerung: (S148 Z8-11) Folgende Lesarten werden von der Forschergruppe vorgeschlagen: „Mit wir1 und wir2 meint P die Mitglieder der Kleingruppe, die sich über eine gemeinsame Vorgehensweise bei der Bearbeitung des Aufgabenzettels geeinigt haben. Mit wir3 können noch immer die Kleingruppe oder auch die Mitglieder des Fachbereichs gemeint sein, die es als wichtig erachten die Studentenzahl am Fachbereich hoch zu halten. Allerdings könnte er hier auch als Professor oder als Privatperson sprechen, denn bestimmt nicht alle Studenten sind der Meinung, dass hohe Studentenzahlen am Fachbereich wünschenswert sind. Darauf, dass er als Professor oder Privatperson spricht, weisen wir4 bis wir7 hin, denn nur Professoren bilden Studenten aus und durch mangelnde Studentenzahlen wird den Studenten selbst nicht direkt die finanzielle Grundlage entzogen. Mit wir8 könnte er wieder den gesamten Fachbereich, die Kleingruppe oder die Teilnehmer des Workshop meinen, die daran arbeiten, eine CI für den Fachbereich zu entwickeln. Genauso gut könnt der Satz aber auch lauten: ich finde, dass wir dazu ein Image aufbauen müssen. Er erweckt hier den Eindruck, dass er meist als Privatperson spricht, wobei er seine Vorstellungen über CI darstellt und konkrete Aktionsvorschläge macht. Zumindest spricht er nicht immer als Vertreter seiner Gruppe, und einen Teil seines Redebeitrags macht er auch als Professor und bezieht die wissenschaftlichen Mitarbeiter und die Studenten seiner Gruppe nicht in seine Aussagen mit ein.“ |